Kongress: Energiezukunft jetzt!
Austria Center Vienna
Der größte Branchen-Event der österreichischen E-Wirtschaft am 21. und 22. September 2022 begann mit einer Grußbotschaft des Bundespräsidenten an die rund 700 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie fordert im Eröffnungsstatement mehr Tempo beim Erneuerbaren-Ausbau.
Gemeinsame Anstrengungen zur Sicherung der Energieversorgung in Österreich forderte Bundespräsident Alexander Van der Bellen: „Ich bin überzeugt, wir können diese Herausforderungen schaffen. Dafür müssen aber Politik, Wirtschaft, E-Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilbevölkerung und einzelne Interessenvertretungen an einem Strang ziehen.“ Aus Sicht Van der Bellens ist Russland „kein verlässlicher Lieferant mehr“. Russland mache die Energieversorgung zu einem machtpolitischen Spielball um geopolitische Interessen durchzusetzen.
Als Schlüssel für mehr Unabhängigkeit und die Energieversorgung der Zukunft sieht Bundespräsident Van der Bellen den raschen Ausbau klimaverträglicher Energie und den Umstieg auf saubere, alternative Technologien. „Wir brauchen jetzt rasch konkrete Lösungen“, schloss Alexander Van der Bellen.
Mehr Tempo beim Erneuerbaren-Ausbau
Auf die massiv geänderten Rahmenbedingungen für die E-Wirtschaft seit dem letzten Kongress vor vier Jahren ging Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie in ihrer Begrüßung der rund 600 Kongressteilnehmerinnen und Kongressteilnehmer ein: „Der Strompreisindex lag damals bei knapp über 50, jetzt bei 516 und die Merit Order hat kaum jemanden interessiert.“
Als gemeinsame Leistung der Branche hob Schmidt hervor, dass die Versorgung Österreichs mit Energie auch in der Ausnahmesituation der Pandemie stets gesichert sei: „Wir haben Österreich am Laufen gehalten. Dafür an dieser Stelle ein großes Danke an alle Beteiligten.“ Auch vorhandene Netzreserve leiste einen wichtigen Beitrag zur hohen Versorgungssicherheit. Wichtig für Schmidt ist, „dass die Handbremse beim Ausbau Erneuerbarer Energie mit dem Erneuerbaren Ausbau-Gesetz endlich gelöst worden ist.“
Sie fordert aber mehr Tempo beim Umbau des Energiesystems: „Wir müssen alle zusammen noch viel besser und schneller werden, um diese riesigen Herausforderungen zu meistern.“ Das sei entscheidend für eine gelungene Energiewende und zur Lösung der Klimakrise.
Kein Zurück zu billigem Gas
Das Recht von Wirtschaft und Bevölkerung auf eine sichere, saubere und auch leistbare Versorgung mit Strom auch in Zeiten einer multiplen globalen Krise betonte Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie. Strugl skizzierte er einen klaren Fahrplan für die Energiezukunft aus Sicht der Branche: Ausbau der erneuerbaren Energieträger, Stärkung der Infrastruktur und Netzausbau, Investitionen in Speicher und Flexibilitätsoptionen.
Die E-Wirtschaft werde bis 2030 mehr als 18 Milliarden Euro in den Netzausbau investieren und mehr als 28 Milliarden Euro in zusätzliche erneuerbare Erzeugungslagen. „Es wird kein Zurück in eine Zeit billigen Gases geben. Wir brauchen daher eine gemeinsame Kraftanstrengung über Parteigrenzen hinweg, Regierung und Opposition, Bund und Länder gemeinsam. Die Branche hat die erforderlichen Projekte und ist bereit umfassende Investitionen zu tätigen, die auf Jahre Wertschöpfung und Arbeitsplätze schaffen“, sagt Strugl. „Nur so können wir uns langfristig aus der einseitigen Abhängigkeit befreien und Versorgungssicherheit garantieren.“
Keine Energiewende ohne Ausbau von Erzeugung, Netzen und Speichern
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und der Präsident von Oesterreich Energie, Michael Strugl diskutierten beim Oesterreichs Energie Kongress die Herausforderungen der Energiezukunft.
„Strom hat zu Recht einen guten Ruf“, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Eine Sichtweise, der sich Michael Strugl durchaus anschließen konnte. Strugl betonte allerdings, dass guter Ruf allein nicht reichen wird. Was es jetzt angesichts des Ukraine-Kriegs und der Energiekrise braucht, sei ein massiver erneuerbaren Ausbau, einer den machen auch sehen wird.
„Wir müssen die Erzeugung, die Netze und die Speicher massiv ausbauen. Das wird auch das Landschaftsbild prägen“, ist Strugl überzeugt. Natürlich wisse er, dass das nicht allen gefällt. „Doch es wird nicht anders gehen. Sonst bleibt die Energiewende auf dem Papier.“
Leonore Gewessler stimmte dem im Wesentlichen zu. Genau deshalb, erklärte sie, habe man im Zuge der UVP-Novelle sichergestellt, dass fehlende Flächenwidmungspläne den erneuerbaren Ausbau verzögert. „Natürlich sollen die betroffenen Gemeinden eingebunden werden, aber ohne Tempo werden wir die Klima- und Energiewende nicht schaffen.“
Deshalb sollte man Projekte bereits im Vorfeld so gut vorbereiten, dass etwaige Proteste von betroffenen Anrainern erst gar nicht entstehen. „Es ist eine ganz wichtige Aufgabe, den Menschen zu erklären, was wir tun und warum wir das tun.“
Dass Stromerzeuger in der öffentlichen Wahrnehmung wegen ihrer tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Übergewinne in die Kritik geraten sind, diskutierten Gewessler und Strugl ebenfalls. Auch diesen Punkt müsse man den Menschen erklären, findet die Ministerin. Sie sehe jedenfalls durchaus, dass die aktuelle Situation außergewöhnlich ist. Hier temporär einzugreifen, um überbordende Zufallsgewinne zu beschränken sei schon legitim.
Energiewende nur mit privaten Investitionen möglich
Bei allen Überlegungen über Abschöpfungen von Gewinnen von Energieunternehmen müsse darauf geachtet werden, die Investitionsfähigkeit der Unternehmen zu sichern, so Finanzminister Magnus Brunner. „Nur mit öffentlichen Geldern wird die Energiewende nicht gelingen, dafür braucht es ganz dringend auch private Investitionen“, so Brunner. Den Ausbau erneuerbarer Energien sieht Brunner als einzigen Weg aus russischer Abhängigkeit: „Die Ziele für 2030 und 2040 sind allen bekannt. Erreichen können wir sie nur gemeinsam.“
Der Staat könne aber nicht immer 100 Prozent aller Krisen abdecken, sagt Brunner im Hinblick auf die aktuellen Herausforderungen. „Der Staat kann für optimale Rahmenbedingungen sorgen und das machen wir auch“, so der Finanzminister. Mittelfristig kündigt Brunner eine Rückkehr zu einem nachhaltigen Budgetpfad an. „Wir brauchen eine nachhaltige Fiskalpolitik, um auch die Mittel für eine mögliche weitere Krise zu haben.“
Energiewirtschaft im Kampf um Europas Souveränität besonders gefragt
Europa dürfe nicht auf eine baldige Rückkehr zu Energienormalität hoffen, sagte der ehemalige deutsche Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer. Im Gegenteil man müsse im Energiesektor mit „einer Form von Kriegswirtschaft“ rechnen.
Putin habe sich dafür entschlossen, Europas Friedensarchitektur zu zerstören. Vor dieser Herausforderung dürfe man nicht kapitulieren. „Wenn wir in Europa zulassen, dass große Nachbarn kleine Nachbarn angreifen und unterdrücken, dann sind wir nicht mehr in jenem Europa, das uns ans Herz gewachsen ist.“ In diesem Kontext für Sicherheit zu sorgen, bedeutet unter anderem auch für Energiesicherheit zu sorgen. Der Energiewirtschaft komme dabei eine Schlüsselrolle zu.
„Die Antwort auf Putins Entscheidung, mit Energie Krieg zu führen, wird ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien sein müssen.“ Auch der Ausbau der Netze und eine verstärkte Diskussion um Wasserstoff als Energieträger seien unverzichtbar. Denn eine Rückkehr zur Zeit des billigen Gases werde es nicht geben: „Die Rückkehr der Rivalität der Großmächte betrifft auch die Energiewirtschaft.“ Davor dürfe man nicht die Augen verschließen: „Geopolitik in der Wirtschaft auszublenden, war nie eine gute Idee.“
Europäische Gasabhängigkeit von 40 auf 9 Prozent reduziert
Die EU mache gute Fortschritte auf dem Weg zur Unabhängigkeit von Gasimporten aus Russland, betonte der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das REPowerEU-Paket.
Anfang des Sommers habe die EU-Kommission ihr REPowerEU-Paket vorgelegt. Dieses diene dazu, die Erdgaslieferungen zu diversifizieren, die Gasnachfrage zu reduzieren und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Erste Fortschritte seien diesbezüglich bereits erkennbar: Vor dem Krieg habe Europa 40 Prozent des benötigten Gases aus Russland importiert, nun seien es noch neun Prozent. Selmayr verwies auf die gemeinsame Einkaufplattform der EU für Erdgas: „Diese sollte man verstärkt nutzen.“ Überdies empfehle sich, der EU-Kommission ein stärkeres Mandat für die Gasbeschaffung zu erteilen.
Als wichtig bezeichnete Selmayr weiters die Füllung der Gasspeicher, die „nicht billig, aber richtig“ gewesen sei. Das Ziel der Kommission, den Füllstand der Speicher auf mindestens 80 Prozent zu erhöhen, sei von vielen Seiten als unmöglich betrachtet worden: „Heute sind wir bei 86 Prozent. Österreich ist bei 75 Prozent, andere EU-Mitgliedsstaaten sind bei über 90 Prozent. Das heißt: Wir werden in diesem Winter nicht frieren müssen. Wir werden nicht in die Notlage kommen, in die uns Putin zwingen will.“
Zusammenfassung der Themensessions
Acht Themensessions widmeten sich tagesaktuellen, regionalen und nationalen Themen ebenso wie europäischen Aspekten - von Energiepolitik über Energiesicherheit bis hin zu der Frage, wie wir die Menschen für die Reise in die Energiezukunft begeistern können.
Bildergalerie
Alle Vorträge des Oesterreichs Energie Kongresses im Überblick
Weitere Informationen finden Sie unter energiekongress.at.