Energiezukunft Europa 2024
Die Konzepte der österreichischen E-Wirtschaft für das europäische Energiesystem
Die Europäische Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen, und hat die Klimaagenda zu einer Wirtschaftsagenda weiterentwickelt. Diese enorme Herausforderung kann nur im europäischen Gleichklang gelingen. Die europäischen Institutionen haben sich auf Rahmenbedingungen geeinigt, die im nächsten Mandat begleitet, fortgeführt und punktuell adaptiert werden müssen. Mit Blick auf das zu verhandelnde europäische Klimaziel 2040 ist rasche Planungssicherheit notwendig, um den Weg zur Klimaneutralität mit konkreten, verlässlichen Maßnahmen beschreiten zu können.
Zur erfolgreichen Bewältigung dieser europäischen Herausforderung fokussiert sich Oesterreichs Energie auf die zentralen Bereiche der E-Wirtschaft – Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und Nachhaltigkeit – und fordert:
nationale Umsetzung bestehender EU-Vorgaben zu Energie- und Klimazielen
Schulterschluss für den Erneuerbaren-Ausbau
Ausbau der Netzinfrastruktur
Strommarktdesign für stabile Investitionsbedingungen
resilientes Europa
Um langfristige Planungssicherheit zu gewährleisten und den europäischen Binnenmarkt zu stärken, müssen bereits vereinbarte europäische Vorgaben zur Erreichung der Klimaneutralität rechtzeitig und einheitlich auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Der Ausbau erneuerbarer Energien spielt eine zentrale Rolle beim Klimaschutz. Es bedarf rascher Genehmigungsverfahren und einer koordinierten Flächenausweisung, um die ambitionierten Ziele zu erreichen und ein stabiles Investitionsumfeld zu schaffen.
Die Netzinfrastruktur bildet das Rückgrat der Energiewende. Um den steigenden Energiebedarf zu bewältigen und erneuerbare Energien effizient zu integrieren, muss die Infrastruktur entsprechend ausgebaut werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist ein stabiles Investitionsumfeld, das für die Finanzierung des Systemumbaus unerlässlich ist. Das Strommarktdesign muss gewährleisten, dass Marktverzerrungen vermieden werden. Zudem spielen die Kund:innen im dezentralen Stromsystem der Zukunft eine zentrale Rolle und müssen entsprechend eingebunden werden. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Europa im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes und seine geopolitische Rolle künftig stärker Position beziehen muss.
Der konsequente Umbau des Energiesystems ist in dieser Situation Herausforderung und Chance zugleich. Um die Resilienz des Kontinentes zu erhöhen, müssen wir den Umbau des Energiesystems vorantreiben, günstige Rahmenbedingungen schaffen und in allen relevanten Bereichen eine enge Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ermöglichen.
Im letzten Mandat der Europäischen Kommission wurden im Rahmen des Fit-for-55-Paketes zahlreiche Legislativakte verabschiedet, um den Umbau des Energiesystems voranzutreiben und den Weg für die Energie- und Klimaziele 2030 bzw. zur klimaneutralen Wirtschaft 2050 zu ebnen. Zur Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele muss sichergestellt werden, dass die bereits vereinbarten europäischen Vorgaben zeitgerecht auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Eine rasche Umsetzung der Rechtsvorschriften in allen Mitgliedstaaten und ein Absehen von weitreichenden Eingriffen durch delegierte Rechtsakte bzw. Durchführungsrechtsakte der Europäischen Kommission schaffen langfristige Planungssicherheit
und verhindern eine Fragmentierung des europäischen Binnenmarktes.
Die Europäische Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung
Mit der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) wurde den Mitgliedstaaten ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem die Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien vereinfacht und beschleunigt werden sollen. Die Aufgabe der Mitgliedstaaten ist es, bei der Interessenabwägung in Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen, dass Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie, dazugehörende Netzinfrastruktur und Speicheranlagen im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit dienen. Diese positive Entwicklung muss nun mit Leben erfüllt werden. Mit der Schaffung einer entsprechenden Expert:innengruppe bei der Europäischen Kommission wurde ein erster Schritt gesetzt. Die Europäische Kommission soll die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung unterstützen, eine Drehscheibe für gute Beispiele bilden und mit dem Instrument der Nationalen Energie- und Klimapläne die Steuerung der Zielerfüllung vorantreiben.
Erneuerbare Energie leistet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Dazu benötigen wir im Rahmen eines stabilen Investitionsumfeldes einen enormen Zuwachs an erneuerbarer Stromerzeugung, verbunden mit einem Ausbau von leistungsfähigen Speichern und einer massiven Verstärkung der Stromnetze. Die entsprechenden Investitionssummen sind enorm: Allein in Österreich werden die Investitionskosten in
Netze, Speicher und Erzeugung bis zum Jahr 2030 mindestens 60 Milliarden Euro betragen. Österreich hat sich ehrgeizige Ziele für die Energie- und Klimapolitik gesetzt. Die vollständige Deckung des Gesamtstromverbrauchs (national-bilanziell) ab dem Jahr 2030 durch erneuerbare Energiequellen spielt dabei eine wichtige Rolle.
Für den Erneuerbaren-Ausbau sind rasche Genehmigungsverfahren sowie eine koordinierte und ambitionierte Flächenausweisung der Schlüssel zum Erfolg. Für beide Themenbereiche gibt es in der RED III gute Ansätze, die – bei entsprechender nationaler Umsetzung – den Ausbau beschleunigen können.
Erneuerbaren-Ausbau benötigt vielfältige GeschäftsmodelleDrohende wirtschaftliche Verschlechterungen für erneuerbare Stromerzeugungsanlagen konnten bei der Novelle des EU-Strommarktdesigns weitgehend verhindert werden. Dennoch wird die erforderliche Umstellung des Fördersystems auf ein „Contract for Difference“-System (CfD) mit Augenmaß umzusetzen sein. Außerhalb des zukünftigen CfD-Systems ist auf Erlösabschöpfungen und ähnliche Instrumente zu verzichten, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und das für die umfangreichen Investitionen erforderliche Kapital verfügbar zu machen.
Wasserkraft spielt eine Schüsselrolle beim Erneuerbaren-AusbauTrotz des verstärkten Ausbaus von Windkraft und Photovoltaikanlagen bleibt die Wasserkraft weiterhin das Fundament der erneuerbaren Energielandschaft Österreichs. Im Jahr 2023 trug sie mit ca. 40 TWh – das entspricht etwa 60 Prozent der Gesamterzeugung – maßgeblich zur Stromversorgung bei. Neben ihrer Rolle als erneuerbare Energiequelle zeichnet sich die Wasserkraft durch hohe Flexibilität aus, die einen wesentlichen Beitrag zum sicheren und stabilen Betrieb des Stromnetzes liefert. Dieser Aspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung, insbesondere durch die zunehmende Integration variabler Erzeugung von Wind- und Photovoltaikanlagen. Speicherkraftwerke mit natürlichem Zufluss (Reservoirs) und Laufkraftwerke bieten flexible Stromerzeugung augenblicklich, in Sekunden- über Minutentakt bis hin zu saisonalen Zeiträumen. Damit ermöglichen uns diese Anlagen Lücken systemdienlich zu schließen, wenn die laufende Stromproduktion nicht ausreicht, um die Nachfrage zu decken.
Darüber hinaus stellt die Pumpspeicherkraft ein zentrales Element bei der Stromspeicherung dar. Sie nimmt überschüssigen Strom aus dem System auf und stellt ihn bei Nachfragespitzen wieder bereit. Obwohl auch aufstrebende Technologien wie Batteriespeicher, Power-to-Gas-Anlagen und Wasserstoffspeicher zunehmend Einsatz finden, entfallen über 90 Prozent der in der EU verfügbaren Speicherkapazität auf Pumpspeicher. Um das volle Potenzial der Wasserkraft zu entfalten und eine effiziente Ressourcenallokation sicherzustellen, ist es wesentlich, für einen fairen Wettbewerb zwischen den jeweiligen Technologien in legislativen Initiativen zu sorgen. In diesem Zusammenhang muss eine potenzielle Diskriminierung durch die Mitgliedstaaten in der nationalen Umsetzung verhindert werden.
Konkreten Verbesserungsbedarf gibt es diesbezüglich bei der Taxonomie-Verordnung, die aktuell umfassendere Kriterien für die Wasserkraft als die Wasserrahmenrichtlinie enthält. Zudem besteht bei der RED III derzeit die Möglichkeit, die Wasserkraft auf nationaler Ebene bei den für dieEnergiewende essenziellen Verfahrensbeschleunigungen zu exkludieren. Ebenso ist für einen fairen grenzüberschreitenden Wettbewerb eine national tarifliche Benachteiligung, wie sie in Österreich im Vergleich zu Nachbarländern bei der Festlegung von Netztarifen für Stromspeicher erfolgt, zu verhindern, indem bereits auf europäischer Ebene ein Level Playing Field geschaffen wird.
Praktikable Regeln für Biomasse
Auch die Strom- (und Wärme-)Erzeugung aus Biomasse in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen spielt in Österreich eine wichtige Rolle, um den Anteil der Erneuerbaren im Strom- und Energiesystem zu erhöhen. Hier wurden im Rahmen der RED III strenge Nachhaltigkeitsregeln inklusive umfangreicher und aufwendiger Zertifizierungserfordernisse für die eingesetzten Brennstoffe beschlossen, die nun in Österreich umgesetzt werden müssen. Oesterreichs Energie unterstützt diese Nachhaltigkeitsregeln, da sie einerseits grundsätzlich erfüllbar sind und andererseits das Verantwortungsbewusstsein der Branche bei der Nutzung forstlicher Biomasse unterstreichen. Insbesondere aufgrund der schlechten Erfahrungen bei der zeitgerechten und praktikablen Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien der RED II in diesem Sektor pocht die Branche aber auf Rechtssicherheit und eine unbürokratische Umsetzbarkeit. Wir setzen uns daher für eine Dauerhaftigkeit der Regularien ein und drängen auf deren möglichst rasche nationale und niederschwellige Umsetzung. Die in der RED III genannten Ausnahmen vom Prinzip der Kaskadennutzung begrüßen wir. So kann der Einsatz von fester Biomasse als Übergangslösung dienen, um Energieversorgungssicherheit zu gewährleisten.
Eine unbürokratische Umsetzung bei der jährlichen Übermittlung der Nachhaltigkeitszertifikate sowie der nachhaltigen Energiemengen in Hinblick auf unterschiedliche Audit- vs. Meldezeiträume sollte gewährleistet werden. Unbedingt vermieden werden sollte, dass durch fehlende Zertifizierungen in der Wertschöpfungskette für die energetische Biomassenutzung CO2-Zertifikate erworben werden müssten. Für die bestehende hocheffiziente Energieversorgung aus Biomasse, die auch durch diverse Förderregime ermöglicht wurde, sollte Investitionssicherheit zumindest für die Restdauer der Förderung gegeben sein (wie auch im österreichischen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz vorgegeben).
Die Netzinfrastruktur ist das Rückgrat der Energiewende. Wärmepumpen, Elektromobilität sowie die Dekarbonisierung der Industrie führen zu einem steigenden Energiebedarf. Windkraft- und Photovoltaikanlagen müssen in großem Umfang in die Netze integriert werden. Zu berücksichtigen ist dabei das volatile Erzeugungsprofil dieser Technologien. Insbesondere Photovoltaikanlagen speisen in großer Menge dezentral ein – das wirkt sich auf allen Netzebenen aus. Das stellt auch in Österreich die Verteiler- und Übertragungsnetze, die enorme Last- und Einspeisespitzen bewältigen müssen, vor große Herausforderungen.
Förderung proaktiver InvestitionenInsbesondere in den kommenden Jahren sind vorausschauende Investitionen der Verteilernetzbetreiber der Schlüssel zu einem zukunftssicheren, klimaneutralen und widerstandsfähigen Energiesystem. Dafür braucht es gemäß einer Studie einen stabilen Regulierungsrahmen, der solche antizipative Investitionen fördert und entsprechende Anreize setzt. Um dies zu erreichen, müssen die Verteilernetzbetreiber eine angemessene wirtschaftliche Verzinsung für ihre Investitionen erhalten.
Dringende Investitionen sind erforderlich, um die physische Infrastruktur zu verbessern, zu digitalisieren und so die Beobachtbarkeit und Steuerbarkeit zu verbessern. Überholte Vorschriften können jedoch vorausschauende Investitionen der Verteilernetzbetreiber behindern, da Investitionen ohne unmittelbare Nachfrage als ineffizient angesehen werden. Darüber hinaus bieten Netztarife mit einer stärkeren Leistungskomponente Kund:innen Anreize, ihren Verbrauch und ihre Erzeugung zu optimieren und gleichzeitig damit zur Effizienz des gesamten Energiesystems beizutragen.
Für Netzbetreiber besteht die Notwendigkeit, vorausschauende Investitionen zu tätigen. Die Bedeutung einer ausgewogenen Risikoverteilung und einer weiteren regulatorischen Klärung ist dabei wesentlich, um finanzielle Fehlanreize in Fällen nichtausgelasteter Netzkapazitäten zu vermeiden. Zur Anpassung an das sich stetig entwickelnde Energiesystem sollte die EU einen vorausschauenden Regulierungsrahmen in den Mitgliedstaaten fordern, der eine vorausschauende Netzplanung fördert und den Verteilernetzbetreibern die richtigen Instrumente (z. B. Recht des Netzbetreibers zur Lastbegrenzung, flexibler Netzzugang) in die Hand gibt. Darüber hinaus sollte ein diskriminierungsfreier Zugang zu Finanzierungs- und Förderinstrumenten auf EU-Ebene gewährleistet werden, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen – also ob öffentlich oder privat.
Netzbetreiber setzen bereits Projekte für die Energiewende umDie österreichischen Netzbetreiber sind Vorreiter und entwickeln Konzepte, um die Energiewende zu ermöglichen. Best-Practice-Beispiele für freiwillig von den Netzbetreibern umgesetzte Projekte sind
• Informationsplattform ebUtilities (zur Veröffentlichung branchenspezifischer technischer Dokumentationen zu Geschäftsprozessen und Datenformaten für die Marktkommunikation)
• Smart Meter: Kund:innenenschnittstellen-Adapter zur standardisierten Einbindung unterschiedlicher technischer Standards; Überwachungsstelle für die Einhaltung von Verhaltensregeln für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten
• Austrian Energy CERT (AEC) zur Stärkung der IT-Sicherheitskompetenz des Energiesektors
Für die Erreichung der europäischen und nationalen Energieziele ist ein stabiles Investitionsumfeld eine notwendige Voraussetzung. Das effizienteste Marktdesign für die Finanzierung des Systemumbaus ist der Wettbewerbsmarkt. Oesterreichs Energie begrüßt die aktuelle Reform des europäischen Strommarktdesigns als zielgerichtete Weiterentwicklung. Wichtig ist, dass dieser Änderungsprozess in einem gesellschaftlichen Grundkonsens erreicht wird, der auf einer bezahlbaren Energieversorgung für die Endkund:innen, dem Erhalt der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und der Erreichung der Klimaneutralität beruht.
Der Verzicht auf Eingriffe in bewährte Markt- und Preisbildungsmechanismen ist richtig, denn Merit Order mit Payas-Clear sichert den optimalen Einsatz der verfügbaren Kraftwerkskapazitäten. Dieses Modell ist das bestverfügbare, um die richtigen Knappheitspreissignale an Marktteilnehmer:innen zu senden. So beanreizt es mögliche bzw. erforderliche Nachfrageanpassungen bei den Endverbraucher:innen sowie Investitionen in neue Erzeugungskapazitäten. Der kostenoptimale Einsatz der verfügbaren Kraftwerkskapazitäten verhindert Marktverzerrungen und stellt sicher, dass möglichst viele erneuerbare – und damit günstigere Anlagen tatsächlich eingesetzt werden. Das minimiert auch den CO2-Ausstoß.
Das Zusammenwirken des österreichischen Strommarktes mit den Nachbarländern/-märkten ist ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste, Schlüssel für die Energiewende. Oesterreichs Energie unterstützt deshalb die Weiterverfolgung des europäischen Elektrizitätsbinnenmarktes durch die Integration nationaler Märkte. Wir fordern in diesem Zusammenhang eine Erleichterung des Netzausbaus, sowohl vor dem Hintergrund der notwendigen Integration der kleinteiligeren Erneuerbaren in die Märkte als auch für das Zusammenwachsen der nationalen Märkte. Nur ein ausreichend dimensioniertes Netz mit möglichst großen Austauschmöglichkeiten auch über Gebotszonengrenzen hinweg (70-Prozent-Ziel bis Ende 2025 im Day-Ahead-Markt) stellt langfristig die Versorgungssicherheit vor dem Hintergrund des saisonalen Ungleichgewichtes sicher.
Die COVID-19-Krise und der Einmarsch Russlands in die Ukraine haben uns die Verwundbarkeit Europas vor Augen geführt. Als kritische Infrastruktur ist die E-Wirtschaft besonders anfällig und benötigt daher – ähnlich dem US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) – eine unkomplizierte Wirtschaftsinitiative zur Realisierung der Energiewende. Dadurch könnte Resilienz in Europa, insbesondere im Hinblick auf folgende Segmente, geschaffen werden.
Risikoarme LieferkettenDie Schlüsselinfrastruktur in Europa zu halten bzw. sie dorthin wieder zurückzuholen muss mit höchster Priorität vorangetrieben werden. Der grüne Industrieplan der EU muss sicherstellen, dass die Lieferketten für die E-Wirtschaft risikoarm sind und die Fertigung entlang neuralgischer Punkte wieder in die EU verlagert wird. Die Einleitung einer Antidumping-und/oder Antisubventionsuntersuchung und das Verhängen von Zöllen auf die Einfuhren einzelner Produkte kann sich dagegen nachteilig auf die gesamte europäische Wertschöpfungskette auswirken.
Fachkräfte für die EnergiewendeVor dem Hintergrund laufender technologischer Entwicklungen und der aktuellen Herausforderungen spielen qualifizierte und wandlungsfähige Fachkräfte eine entscheidende Rolle beim Vorantreiben der Energiewende. Darüber hinaus müssen die Finanzmittel für die Modernisierung der Energieinfrastruktur auf dem Weg zur Klimaneutralität auch das Fachwissen und die Personalressourcen einbeziehen. Dieses
Engagement ist eine wesentliche Voraussetzung um die Energiewende voranzutreiben.
Sektorkopplung
Ohne eine holistische Betrachtung des Energiesystems im Sinne der Sektorkopplung werden wichtige Möglichkeiten zur Steigerung der Kosteneffizienz ausgelassen. Wenn die Sektoren Strom, Gas und Wärme jedoch optimal verbunden werden, können die Kosten des Gesamtsystems für die Endkund:innen und die Industrie möglichst geringgehalten werden.
Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft
In der vergangenen Legislaturperiode legte das Fit-for-55-Paket, insbesondere mit dem Dekarbonisierungspaket, den Grundstein für die Regulierung einer Wasserstoffwirtschaft. In der kommenden Legislaturperiode wird es darum gehen, diesen Rahmen weiter auszubauen, zu ergänzen und die Umsetzung voranzutreiben. Auf nationaler Ebene kommt diesen europäischen Legislativvorhaben besondere Bedeutung zu, insbesondere der stringenten Umsetzung der Industriequote der RED III und der Schaffung eines Regulierungsrahmens für Wasserstoffnetze.
Auf EU-Ebene noch ausstehend ist die Einführung von Zertifizierungssystemen für Wasserstoff. Diese sind zentral, um die Quotenzurechnung bei Endverbraucher:innen zu ermöglichen. Zudem ist eine rasche Vorlage des ausstehenden delegierten Rechtsaktes zur Definition von Low-Carbon-Wasserstoff (innerhalb von zwölf Monaten nach Inkrafttreten) aus dem Dekarbonisierungspaket (Gasrichtlinie) unbedingt erforderlich. Um die Versorgung der EU mit Wasserstoff langfristig zu sichern, müssen – neben dem Hochlauf der innereuropäischen Erzeugung – auch diversifizierte Importrouten erschlossen werden. Die RED III sieht die Erstellung einer Importstrategie durch die Kommission vor. Alle am Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft beteiligten Player benötigen zeitnahe Klarheit über die Inhalte dieser Strategie. Die EU sollte mit internationalen Abkommen die Aktivitäten des Marktes und der Mitgliedstaaten unterstützen. Ziel sollte sein, private Investitionen zu ermöglichen und Rechtssicherheit für Investoren zu schaffen. Angesichts der noch bestehenden großen Wirtschaftlichkeitslücke bei grünen Wasserstoffprojekten muss die European Hydrogen Bank weiterentwickelt werden. Während die ersten Auktionen der Hydrogenbank (Domestic Leg) bereits im ersten Quartal 2024 stattgefunden haben, muss nun auch der internationale Rahmen (International Leg zur Förderung von Importen aus Drittstaaten) zeitnahe aktiviert werden. Zudem müssen die Förderungen ausreichend dimensioniert sein, um nicht nur einzelne Pilotanlagen, sondern auch großskalige Projektumsetzungen zu ermöglichen.
Hervorzuheben ist außerdem, dass bereits ab 2030 europaweit eine Wasserstoff-Infrastruktur zur Verfügung stehen muss, damit Europa über Importe aus Drittstaaten mit Wasserstoff versorgt werden kann. Hierbei ist es essenziell, auch Binnenländer von Beginn an miteinzubeziehen und ihnen die Netzanbindung zu ermöglichen, da sonst die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts in den jeweiligen Regionen gefährdet wäre.
Befähigende RahmenbedingungenEU-Förderprogramme können Projekte zur Umsetzung der Energiewende unterstützen. Förderungen allein werden jedoch nicht genügen, es bedarf auch praktikabler Verwaltungsvorschriften für die Umsetzung von grenzüberschreitenden Geschäftsmodellen.
EU-Förderprogramme
Energie und Klimaschutz müssen Priorität im EU-Haushalt haben. Noch nie war der Zeitpunkt so entscheidend, um sicherzustellen, dass die EU-Förderprogramme ihren Zweck erfüllen und die Dotierung der Programme aufgestockt wird. Förderausschreibungen sollten dabei möglichst technologieoffen ausgestaltet sein und neben Forschungsaktivitäten insbesondere Investitionen in marktnahe Demonstrationsprojekte unterstützen. Bei der Ausgestaltung ist ein besonderes Augenmerk auf eine faire Verteilung der Fördermittel zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten, bedingt durch die unterschiedlichen Rahmenbedingungen (z. B. Projektgrößen, Ressourcenverfügbarkeit), zu achten.
Ebenso gilt es, den administrativen Aufwand in der Antragstellung und Abwicklung signifikant zu reduzieren sowie die förderrelevanten Prozesse zu beschleunigen und zu flexibilisieren. Eine enge Abstimmung und Verzahnung von europäischen mit nationalen Förderprogrammen kann ebenfalls zur Attraktivierung beitragen, z. B. durch die Verwendung identer oder ähnlicher Berechnungs- und Antragsformulare oder durch einen vereinfachten Zugang zu nationalen Fördermitteln für jene Projekte, die auf europäischer Ebene zwar eine exzellente Bewertung, aber aufgrund von Budgetdeckelungen keine Förderzusagen erhalten haben.
Praktikabler Rechtsrahmen am Beispiel der E-Mobilität
Da die europäischen Bürger:innen immer häufiger Elektrofahrzeuge nutzen, entscheiden sich viele für abonnementbasierte Zahlungsoptionen, die von E-Mobilitätsdienstleistern (eMSP) für das Laden an öffentlich zugänglichen Ladestationen angeboten werden. Diese Methode ermöglicht es ihnen, sich frei in den Mitgliedstaaten zu bewegen und dank der Roamingdienste der eMSP über ein einziges Abonnement für ihren Ladevorgang zu bezahlen.
Nach den derzeitigen Bestimmungen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwSt-RL) müssen eMSP in jedem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Abonnent:innen das Aufladen ihrer Fahrzeuge ermöglichen, registriert sein, da sie in allen Mitgliedstaaten, in denen sie tätig sind, der MwSt.-Pflicht unterliegen. Der damit verbundene Bürokratieaufwand und die administrativen Kosten sind ein Hemmnis für europaweite, grenzüberschreitende Ladeangebote.
Um hier Rechtssicherheit herzustellen und den Verwaltungsaufwand für eMSP zu verringern, braucht es eine steuerrechtlich gesamthafte Lösung für die Behandlung von grenzüberschreitendem Laden. Die dadurch gesteigerte Nutzung der Roamingdienste durch Unternehmen erhöht den Wettbewerb und senkt somit die Kosten der Kund:innen. Der Ausbau eines wettbewerbsfähigen Angebotes für die Konsument: innen führt in weiterer Folge zu einer Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors.
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