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Wozu braucht es eine Wechselrichterliste?

Seit Mai 2022 veröffentlicht Oesterreichs Energie eine vierzehntägig aktualisierte Liste für Wechselrichter in PV-Anlagen der Erzeugerklasse Typ A. Warum das wichtig ist und welchen Nutzen es bringt.
 

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundenen Lieferkettenprobleme haben eine Entwicklung beschleunigt, die Experten auch schon davor Sorgen bereitete. „Das enorme Wachstum der PV-Neuinstallationen ab 2021 führte in Verbindung mit Lieferschwierigkeiten der etablierten Hersteller von PV-Wechselrichtern dazu, dass immer mehr Geräte neuer Hersteller, insbesondere aus dem asiatischen Raum, auf dem österreichischen Markt angeboten wurden, die oftmals technische Mängel aufwiesen“, schildert die Lage Roland Bründlinger, Senior Research Engineer am AIT Austrian Institute of Technology.

Arbeiter überprüft die Arbeit des Solarwechselrichters.
Den Wechselrichter so einzustellen, dass die PV-Anlage ordnungsgemäß
funktioniert, ist nicht einfach. © AdobeStock/Anatoliy Gleb

Besonders schwerwiegend sind dabei Mängel, die die in der TOR Erzeuger vorgesehenen Regelungsfunktionen betreffen. „Werden diese Funktionen vom Wechselrichter nicht entsprechend bereitgestellt oder funktionieren sie nicht richtig, kann das einerseits zu einer Verschlechterung der Spannungsqualität führen und andererseits Geräte in der Kundenanlage selbst oder in benachbarten Anlagen negativ beeinflussen“, erklärt Bründlinger. Bei dem zu erwartenden weiteren massiven Ausbau der Solarenergie kann überdies auch eine Überlastung von Netzabschnitten die Folge sein, wenn die netzstützenden Funktionen nicht korrekt umgesetzt werden oder deren Parametrierung nicht den Vorgaben entspricht.
 

Zwei typische Mängel

„Es sind im Wesentlichen zwei typische Mängel, die wir bei inadäquaten Wechselrichtern immer wieder finden: das falsche Blindleistungsverhalten und die nicht wirksame Wirkleistungsreduktion bei Erreichen der Spannungsgrenzen“, erklärt Karl Scheida, Netz-Experte bei Oesterreichs Energie. Beide führen dazu, dass Wechselrichter vermeidbare Spannungsüberhöhungen im Netz verursachen.
Dabei – und das macht die Lage so richtig kompliziert – verfügen solche Wechselrichter vielfach über die vorgeschriebenen Prüfprotokolle und Zertifikate. Die Erfahrung der letzten Jahre hat aber gezeigt, dass diese Dokumente nicht immer eine Gewähr für fehlerfreie Funktionalität bieten. 

„Wir erleben zum Beispiel immer wieder, dass die Prüfprotokolle von derart schlechter Qualität sind, dass sie eigentlich kein Urteil darüber zulassen, ob ein Wechselrichter die gültigen Vorschriften erfüllt. In manchen Fällen, vor allem bei Produkten aus China, geht aus den Protokollen sogar eindeutig hervor, dass die Wechselrichter die notwendigen Anforderungen nicht erfüllen, im beigefügten Zertifikat steht dann aber kurioserweise, dass sie es doch tun“, erzählt Scheida.
 

Kluft zwischen Papier und Realität

inzu kommt: Selbst wenn die Protokolle gut und vollständig sind, passiert es häufig, dass gerade Produkte von weniger bekannten Herstellern in der Praxis ein völlig anderes Verhalten zeigen, als sie es laut den Prüfprotokollen tun müssten, und dass sie dann andere Geräte im Netz negativ beeinflussen.

Aus diesem Grund hat sich Oesterreichs Energie dazu entschlossen, eine einheitliche Wechselrichterliste zu erstellen. Sie enthält die in Österreich relevanten Wechselrichtertypen nach Herstellern geordnet und kennzeichnet jene, die alle erforderlichen Unterlagen in korrekter Weise erbracht haben und somit als bedenkenlos einzustufen sind. Die geprüften Unterlagen betreffen die TOR Erzeuger Typ A. Für Erzeugungsanlagen vom Typ B und größer hat die Wechselrichterliste bislang keine Bedeutung, eine mögliche Erweiterung wird aktuell diskutiert.

Dass die Wechselrichterliste unbedingt notwendig war, betont auch Roman Lechner, der die Arbeitsgruppe Qualitätssicherung Erzeugungsanlagen leitet: „Die Liste ist ein wichtiger Beitrag, um die technischen Anforderungen an die installierten PV-Anlagen sicherzustellen und österreichweit einheitlich vorzugehen.“

Mit einer eingehenden Prüfung der auf dem Markt angebotenen Wechselrichter hofft man, auch ein weiteres Problem entschärfen zu können, das in den letzten Monaten immer offensichtlicher wurde: die Frage der korrekten Einstellungen.  
 

Wichtig: Österreich-Settings

Einen Wechselrichter korrekt einzustellen, sodass die PV-Anlage ordnungsgemäß funktioniert, ist nämlich nicht einfach. Bei Produkten, die explizit für den österreichischen Markt vorgesehen sind, können Elektriker und Solateure auf vorkonfigurierte Settings zurückgreifen, die ihnen diese Aufgabe erleichtern. Gibt es diese Settings nicht, weil ein Produkt eigentlich für ein anderes Land bestimmt war, kann die Suche nach den richtigen Werten hingegen leicht zu einem langwierigen und fehleranfälligen Rätselspiel werden. Die Wechselrichterliste von Oesterreichs Energie hilft auch hier, weil sie zeigt, welche Wechselrichter für die Nutzung im österreichischen Netz vorbereitet sind. In Zukunft soll darüber hinaus der Prüfaufwand der eingestellten Parameter zumindest teilweise auch durch Automatisierung reduziert werden. Die dafür nötigen Grundlagen müssen allerdings erst in einem eigenen Forschungsprojekt entwickelt werden.

Rund alle vierzehn Tage setzen sich die Experten von Oesterreichs Energie derzeit zusammen, um die Liste auf den aktuellen Stand zu bringen. „Die Wechselrichterliste ermöglicht allen Beteiligten, auf einen Blick festzustellen, ob ein Produkt den Anforderungen in Österreich entspricht. Für den Anlageninstallateur vereinfacht sich das Inbetriebnahmeverfahren, da keine weiteren Dokumente vorgelegt werden müssen, für den Kunden ist sichergestellt, dass es bei der Inbetriebnahme zu keinen Verzögerungen kommt“, fasst Bründlinger den Nutzen des Vorgehens zusammen.

Eine solche Liste zu erstellen und aktuell zu halten, ist allerdings nicht einfach. Vor allem die Prüfung der Protokolle, die von den Herstellern vorgelegt werden, braucht viel Zeit und ein entsprechend qualifiziertes Personal. Aus diesem Grund hat Oesterreichs Energie in Kooperation mit dem AIT eine Reihe von Workshops durchgeführt, bei denen Mitarbeiter der Netzbetreiber für das Prüfen der Protokolle eingeschult wurden, nicht zuletzt, um auch hier einheitliche Standards zu gewährleisten.

Neben der Prüfung der Protokolle wird es indessen auch in Zukunft nötig sein, immer wieder einzelne Testgeräte in eigenen Labors zu prüfen, um zu sehen, ob sie die in den Protokollen ausgewiesenen Eigenschaften auch im realen Betrieb erreichen. Das Ziel ist es, ein Prüfsystem zu etablieren, das das Qualitätsniveau der in Österreich genutzten Wechselrichter nachhaltig anhebt und es erlaubt, in Zukunft mit nur wenigen Stichprobenprüfungen auszukommen, ohne das sichere Funktionieren der Netze zu gefährden.
 

Die rund vierzehntägig aktualisierte Wechselrichterliste ist hier abrufbar:

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