Strommarkt: so bildet sich der Preis für den Strom
Seit der Liberalisierung der europäischen Strommärkte um das Jahr 2000 können Stromkundinnen und Stromkunden frei wählen, von wem sie Strom beziehen wollen. Das bedeutet allerdings nicht, dass man sich gezielt Strom ausschließlich von Windraftwerken oder aus einer bestimmten Region liefern lassen kann. Der Stromfluss unterliegt ausschließlich den Gesetzen der Physik und geht immer den Weg des geringsten Widerstandes. Dadurch kann der Strom nicht mehr genau zugeordnet werden, wenn er erst einmal im Netz ist.
Kundinnen und Kunden können dennoch ausschließlich erneuerbaren Strom – also Ökostrom – kaufen. Damit das möglich wird, braucht es einen Zwischenschritt. Der bilanzielle Stromhandel läuft unabhängig von den physikalischen Stromflüssen über zertifizierte Herkunftsnachweise: Der Stromlieferant kauft eine bestimmte Menge Strom bei einem Erzeuger und erhält dafür einen Nachweis für den Ursprung dieser Strommenge. Diese Zertifikate geben Aufschluss darüber, wo die gehandelte Menge Strom erzeugt wurde und ob sie aus Wind-, Wasser-, Sonnen- oder thermischen Kraftwerken stammt. Kaufen immer mehr Kundinnen und Kunden Ökostrom, steigt der Preis dieser Zertifikate und damit der Anreiz weitere erneuerbare Erzeugungsanlagen zu errichten.
Wie Strom gehandelt wird
Der Preis, den der Stromlieferant am Großmarkt bezahlen muss, bildet sich im Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Häufig geschieht das bilateral zwischen einem Erzeuger und einem Lieferanten als “Over the Counter”-Transaktion. Immer öfter wird Strom aber auch an Börsen gehandelt. Der Handel an einer Strombörse erfolgt über standardisierte Produkte wie zum Beispiel Futures, also standardisierte börsengehandelte Termingeschäfte. Am Terminmarkt wird Strom für die nächsten Jahre gehandelt – das sorgt für eine längerfristige Preissicherheit, sowohl bei Erzeugern als auch beim Vertrieb des Stroms an Endkundinnen und -kunden. Am sogenannten Spotmarkt wird die langfristige Planung tagesaktuell optimiert. Dort wird Strom für denselben oder den nächsten Tag gehandelt.
Negative Strompreise
Ist am Spotmarkt mehr Strom vorhanden als kurzfristig benötigt wird, kann es zu negativen Strompreisen kommen. In diesem Fall wird die Abnahme von überschüssigem Strom entlohnt. Hintergrund dafür ist, dass sich in einem Stromnetz Angebot und Nachfrage immer genau im Gleichgewicht befinden müssen, damit das Netz stabil bleibt. Ist zu viel Strom vorhanden, setzt ein negativer Preis einen finanziellen Anreiz, die „Netzlast“ zu verringern, also Strom zu verbrauchen. Der sich laufend ändernde Strompreis trägt so zur Stabilisierung des Systems bei. Situationen mit negativen Strompreisen kommen häufig dann vor, wenn volatile Quellen wie Windenergie oder Photovoltaik gerade besonders viel Strom produzieren und gleichzeitig der Verbrauch niedriger ist, etwa an Feiertagen oder zu Ferienzeiten.
Wie der Strompreis für Endkundinnen und -kunden entsteht
Der Strompreis, den die Stromkundinnen und Stromkunden bezahlen, besteht aus drei Teilen: den Kosten für die Energie selbst, den Kosten für die Nutzung des Stromnetzes sowie Steuern und Abgaben.
Der Strompreis am Großhandelsmarkt entsteht durch ein Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Das Besondere an der Preissetzung im Strommarkt ist die sogenannte „Merit Order“. Dabei werden die Kraftwerke aufsteigend nach ihren Grenzkosten sortiert – also den Kosten, die die Erzeugung einer weiteren Megawattstunde (MWh) beim jeweiligen Kraftwerk verursacht. Die Grenzkosten des letzten Kraftwerks, das gerade noch zur Deckung der Stromnachfrage gebraucht wird, geben den Preis vor, den alle Kraftwerke für ihren Strom erhalten.
Da sich in den Grenzkosten insbesondere die Kosten für Brennstoffe wie Gas oder Kohle sowie Ausgaben für CO2-Bepreisung niederschlagen, sind thermische Anlagen wie Gas- oder Kohlekraftwerke preissetzend. Kraftwerke hingegen, die Energie aus erneuerbare Quellen wie Wind, Wasser oder Sonne nutzen, haben sehr niedrige Grenzkosten. Wenn diese Produzenten in der Lage sind den gesamten oder zumindest einen großen Teil des Strombedarfs zu decken, verdrängen sie die teureren Anbieter aus dem Markt – und bewirken damit sinkende Strompreise.
Der Marktmechanismus stellt also nicht nur sicher, dass zu jedem Zeitpunkt genug Kraftwerke im Markt sind um die gesamte Strommachfrage decken zu können – er sorgt auch dafür, dass jene Kraftwerke, die besonders günstig Strom produzieren können zuerst zum Zug kommen. Besonders mittel- und langfristig ist dieser Aspekt wichtig: Er sorgt einerseits dafür, dass Kraftwerksbetreiber großes Interesse daran haben, ihre Kosten zu senken und setzt andererseits klare Anreize für Investitionen in erneuerbare Erzeugungsanlagen – denn aufgrund der niedrigen Grenzkosten sind es vor allem diese Anlagen, die sicher zum Zug kommen.
Entwicklung der Netzkosten
Im Bereich der Netzkosten sind für die nächsten Jahre weitreichende Änderungen geplant. Derzeit zahlen Kundinnen und Kunden vergleichsweise wenig für die bereitgestellte Leistung aber viel für die tatsächliche verbrauchte Energie. In Zukunft soll das genau umgekehrt sein. Hintergrund dafür ist die wachsende Bedeutung von leistungsstarken Verbrauchern etwa im Bereich der E-Mobilität. Elektroautos verursachen insbesondere im Schnelllademodus hohe Lastspitzen, die Stromnetze stark belasten. Wie bei Internettarifen sollen künftig auch beim Strom diejenigen mehr bezahlen, die das Netz stärker beanspruchen. Wer sein E-Auto schnell laden will, braucht also künftig auch einen entsprechenden Tarif. Für Kundinnen und Kunden, die keine besonderen Leistungsanforderungen haben, wird es aber keine wesentlichen Steigerungen bei den Netzkosten geben.
Flexible Tarife durch Digitalisierung
Die Digitalisierung und die wachsende Verbreitung von Smart Metern werden künftig noch mehr Angebote mit flexiblen Tarifen ermöglichen. Dabei können Preisentwicklungen von den Strombörsen direkt an die Endkundinnen und Endkunden weitergegeben werden. Kundinnen und Kunden haben so die Möglichkeit den Strom genau dann zu verbrauchen, wenn er besonders günstig ist, also etwa während der Nacht. Das ist insbesondere für Geräte mit großem Energiebedarf wie E-Autos oder Wärmepumpen interessant, welche die Energie nicht in einem bestimmten Moment benötigen, sondern ihren Bedarf im Tagesverlauf zumindest teilweise verlagern können.