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Mittelspannungs-Gleichstromübertragung – Teil 1

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Die Übertragung von Gleichstrom ist derzeit vor allem ein Thema für Hochspannungsnetze. Was in Mittelspannungsnetzen möglich wäre, zeigte ein Forschungsprojekt von Oesterreichs Energie.

Zurzeit werden Technologien zur Gleichstromübertragung überwiegend in Hochspannungsnetzen eingesetzt. Möglichkeiten zu ihrer Nutzung auf der Mittelspannungsebene untersuchten Fachleute des Instituts für Hochspannungstechnik und Systemmanagement (IHS) und des Institut für Elektrische Anlagen und Netze (IEAN) der Technischen Universität Graz im Auftrag von Oesterreichs Energie im Forschungsprojekt „Mittelspannungs-Gleichstromübertragung“.

HVDC Transformator
© Siemens AG/Ulrich Wirrwa

Der Hintergrund: Im Zuge der Energiewende wird die Stromerzeugung dezentraler gestaltet als bisher und erfolgt oft weitab von den Verbrauchszentren. Auch können große Windparks und Solaranlagen Strom nur witterungsabhängig produzieren. Das ist mit Produktionsschwankungen verbunden, die über die Netze ausgeglichen werden müssen. „Den daraus resultierenden Herausforderungen kann mit dem Einsatz einer Gleichstromübertragung auf allen Spannungsebenen vorteilhaft begegnet werden. Die Implementierung einer Gleichstromübertragung in der Mittelspannungsebene kann bei der Lösung bestehender Herausforderungen einen wertvollen Beitrag leisten“, heißt es im Abschlussbericht.

Auch in Österreich könnte die Nutzung von Mittelspannungs-Gleichstromübertragung sinnvoll sein. Ein Beispiel dafür wäre die Kopplung zweier Verteilernetze.

Ferner unterstützen MGÜ die Umsetzung der Energiewende, indem sie die Integration von Ökostromanlagen in die Netze erleichtern. Wie die Studienautoren festhalten, werden beispielsweise leistungsstarke Windparks meist „dort errichtet, wo das größte Potenzial besteht und der notwendige Platz vorhanden ist. Typische Beispiele sind Windkraftanlagen im alpinen Raum mit langen Mittelspannungskabelstrecken bis zu dem nächsten 110-kV-Umspannwerk“. Die Folge sind vergleichsweise hohe Verluste sowie „signifikante Spannungsüberhöhungen im Leerlauf aufgrund der Kabelkapazitäten“. Durch die Verwendung von MGÜ lässt sich die Übertragungsfähigkeit des Netzes steigern. Gleichzeitig ist es möglich, die Übertragungsverluste zu verringern. Dies kann speziell bei Leistungserhöhung bestehender Windparks von Vorteil sein.
 

Noch nicht Standard

Dennoch zeigte sich im Rahmen der Studie: Zurzeit sind MGÜ für die österreichischen Netzbetreiber noch keine Alternative zu Wechselstromleitungen in Standardfällen. Die auf dem Markt verfügbaren Produkte stammen aus der Hochspannungs-Gleichstromtechnik. Folglich weisen sie meist Leistungen auf, die auf der Mittelspannungsebene nicht benötigt werden. Sinnvoll wären aus Sicht der Netzbetreiber Anlagen im Bereich von etwa fünf bis 30 MW. Mit der unnötig hohen Leistung der Anlagen geht ein entsprechend großer Platzbedarf einher. Auch ihre Kosten sind nach Ansicht der Netzbetreiber nicht vertretbar. „Eine kommerziell vertretbare Anwendung ist nur in Spezialfällen gegeben, wenn technische Rahmenbedingungen oder unüberwindbare Probleme im Genehmigungsverfahren klassische Drehstromlösungen nicht zulassen“, stellen die Studienautoren fest.
 

Weitere Forschungsfragen

Ausdrücklich empfehlen die Wissenschaftler, die Forschungsarbeiten hinsichtlich der Mittelspannungs-Gleichstromübertragung und ihrer möglichen Anwendungen fortzusetzen. Wichtig wäre aus ihrer Sicht insbesondere, das Verhalten hybrider Mittelspannungsnetze (AC/DC-Mittelspannungsnetze) zu untersuchen, in denen sowohl Wechsel- als auch Gleichstromleitungen zum Einsatz kommen. Diesbezügliche Analysen erscheinen ihnen hilfreich, „um den technischen und wirtschaftlichen Nutzen von MGÜ-Anlagen im Mittelspannungsnetz konkret bewerten zu können.

Entsprechende Lastflussberechnungen und Kurzschlussuntersuchungen für den stationären Netzbetrieb sowie das transiente Verhalten von MGÜ-Anlagen und des Mittelspannungsnetzes im Fehlerfall werden wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf die Netzführung eines hybriden AC/DC-Mittelspannungsnetzes aufzeigen“. Letzten Endes ginge es um eine „ Untersuchung der gesamten bestehenden elektrischen Mittelspannungsinfrastruktur für die Beantwortung der Frage nach einer möglichen (Teil-)Umstellung von Mittelspannungsnetzen auf einen Betrieb mit Gleichspannung“. Angeregt wird seitens der Studienautoren auch der „Aufbau einer MGÜ-Anlage in Form einer Demonstrationsanlage“: Denn damit „können die Vorteile, Verwendbarkeit und Zuverlässigkeit der MGÜ-Technologie realitätsnah untersucht werden“.

Und die Autoren resümieren: „Für Österreich ist eine Fortsetzung der Forschungsaktivtäten auf dem Gebiet der Mittelspannungs-Gleichstromübertragung von hoher Bedeutung, um auf zukünftige Veränderungen im Bereich der elektrischen Energieversorgung vorbereitet zu sein, den Industrie- und Forschungsstandort zu stärken und den technischen Nachwuchs im energietechnischen Bereich auszubilden. Darüber hinaus bietet die Mittelspannungs-Gleichstromübertragung grundsätzlich die Möglichkeit zur Dekarbonisierung der Gesellschaft und kann damit einen Beitrag zur Zielerreichung im Bereich der Klima- und Energiestrategie Österreichs leisten.“

Die Teilnehmer am Forschungsprojekt

Folgende Unternehmen und Institutionen nahmen an der MGÜ-Studie teil:

  • Oesterreichs Energie
  • Technische Universität Graz – Institut für Hochspannungstechnik und Systemmanagement (IHS) sowie Institut für Elektrische Anlagen und Netze (IEAN)
  • Energie AG Oberösterreich
  • Energienetze Steiermark
  • Kärnten Netz
  • Netz Niederösterreich
  • Netz Oberösterreich
  • Salzburg Netz
  • TIWAG Netz
  • Wiener Netze
  • Fachhochschule Wels