Forschung bedeutet, den Blick nach vorne richten
Michael Marketz, Vorsitzender des Ausschusses Forschung und Innovation bei Oesterreichs Energie, erklärt, warum anwendungsbezogene Forschung für die Elektrizitätswirtschaft unverzichtbar ist.
Die Energiewirtschaft investiert Millionen in Forschung und Entwicklung. Warum spielen Forschung und Entwicklung für die Branche eine derart wichtige Rolle?
Wie alle Wirtschaftszweige können auch wir nur dann erfolgreich sein, wenn wir Herausforderungen und neue Trends früh erkennen. Dafür ist Forschung unverzichtbar und aus diesem Grund gibt es den Ausschuss Forschung und Innovation seit bereits über dreißig Jahren.
Damals hieß es übrigens „Energieforschungsgemeinschaft der österreichischen Elektrizitätswirtschaft“. Seit dieser Zeit haben uns viele Themen begleitet. Sie spiegeln auch die Entwicklung der E-Wirtschaft wider. Die ersten Forschungsarbeiten zum Thema Klimaschutz haben wir zum Beispiel bereits in den frühen neunziger Jahren unterstützt. Da war Klimaschutz noch ein Nischenthema. Forschung bedeutet für die Energiewirtschaft daher auch: den Blick nach vorne richten und immer aktuelle Fragen aufgreifen.
Wie zum Beispiel?
Um die Jahrtausendwende waren das die Herausforderungen der Strommarktliberalisierung. Heute zählen dazu alle Projekte, die mit der Energiewende zu tun haben und die sich mit Themen wie dem Ausbau erneuerbarer Energien, Speichermöglichkeiten, dem Einsatz von Wasserstoff, der Effizienzsteigerung oder der Versorgungssicherheit beschäftigen – nur um einige wenige zu nennen. Sehr wichtig ist auf jeden Fall Innovation, quer durch alle Bereiche. Dieses Thema hat übrigens schon mein Vorgänger als Vorsitzender im Ausschuss, Leonhard Schitter, sehr gefördert.
Die Energiewende schafft ja auch deshalb große Herausforderungen, weil dabei das gesamte Stromversorgungssystem neu gedacht werden muss. Können Forscher mit ihren Modellen, Berechnungen und Überlegungen da eine Hilfe sein?
Auf jeden Fall. Wir fördern auch ganz bewusst anwendungsbezogene Forschung, also die Suche nach Erkenntnissen, die uns bei der Lösung konkreter Fragen helfen. Um es wieder an einem Beispiel von vielen zu skizzieren: Nehmen wir die Energiegemeinschaften. Das ist ein hochkomplexes Thema, bei dem ganz viele Prozesse bewältigt werden müssen. Man muss Fragen des Datenaustausches und der Datensicherheit bedenken, bis hin zu Cybersecurity. Überhaupt ist Cybersecurity ein Thema, das die Branche derzeit sehr stark beschäftigt, auch weil es ein Thema ist, das praktisch für alle Bereiche der Elektrizitätswirtschaft essenziell ist: für die Netze genauso wie für die Erzeugung und den Vertrieb.
Viele Forschungsprojekte werden von den Mitgliedsunternehmen direkt unterstützt. Was unterscheidet diese Projekte von Projekten, die über die gemeinsame Interessensvertretung, also über Oesterreichs Energie, gefördert werden?
Ein wichtiger Punkt ist, dass der Forschungs- und Innovationsausschuss von Oesterreichs Energie vor allem jene Projekte fördert, die für alle oder jedenfalls für möglichst viele der Mitgliedsunternehmen relevant sind. Die Frage, wie Bürgerenergiegemeinschaften auch bundesländerübergreifend funktionieren können, wäre so ein Thema. Die Frage, wie man Anlagen so baut und plant, dass sie möglichst gut mit den Anforderungen von Biodiversität verträglich sind, ist ebenfalls eine Frage, die alle unsere Mitgliedsunternehmen betrifft. Auch bestimmte messtechnische Fragen treffen auf alle Unternehmen zu oder Fragen zur Anwendung von Smart Metern. Durch Kooperation mit Forschungseinrichtungen gelingt es uns, zahlreiche Projekte bei einem Budget von 850.000 Euro jährlich auf den Weg zu bringen. So wurden im Jahr 2022 rund 25 Projekte und Gutachten in Auftrag gegeben. Das ist aber natürlich nicht der einzige Beitrag der Energiewirtschaft im Bereich Forschung und Entwicklung. Die Mitgliedsunternehmen von Oesterreichs Energie investieren weitere 20 bis 25 Millionen Euro pro Jahr in eigene Forschungsprojekte.
Dazu kommt auch noch die Unterstützung durch die öffentliche Hand.
Ja, sie ist ganz wichtig. Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, muss es die Unterstützung durch die öffentliche Hand unbedingt geben. Vielmehr: Sie muss noch weiter verstärkt werden. Das bezieht sich nicht nur auf die finanzielle Förderung von Projekten, sondern auch darauf, dass Österreich unbedingt eine Forschungsinfrastruktur erhalten muss, die es der Energiewirtschaft erlaubt, ihre Mammut-Aufgaben im Rahmen der Energiewende zu bewältigen.