Trendforum: Wie geht es weiter mit den Strompreisen?

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Resilienz: Wie kann unser Energiesystem krisenfester werden?

Um die Sicherung der Energieversorgung angesichts des Ukraine-Konflikts und Wirtschaftssanktionen ging es beim Oesterreichs Energie „Trendforum“ am 31. März 2022.

„Einen letzten Warnschuss“ im Hinblick auf den Umbau des Energiesystems – und damit verbunden, die Reduktion internationaler Abhängigkeiten und die Stärkung der Versorgungssicherheit – sah Oesterreichs Energie Generalsekretärin Barbara Schmidt in den jüngsten Entwicklungen. In ihrem Eröffnungsstatement im Rahmen der Diskussionsreihe „Trendforum“ zum Thema Energiepreise und Versorgungssicherheit betonte sie, dass die Resilienz der Energieversorgung gestärkt werden müsse und verwies einmal mehr auf die Notwendigkeit eines raschen Ausbaus von erneuerbaren Erzeugungsanlagen, Netzen und Speichern.

Wegen des hohen Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung verfüge Österreich verglichen mit anderen Ländern über eine hohe Versorgungssicherheit. Das betonte der Präsident von Oesterreichs Energie, Michael Strugl, im Rahmen der Veranstaltung. Gleichzeitig warnte Strugl: Speziell im Winter, wenn die Flüsse wenig Wasser führen und das Dargebot an Wind- sowie Solarenergie ebenfalls unter dem Jahresdurchschnitt liegt, kommt auch Österreich nicht ohne Gaskraftwerke aus. Weiters sind diese Kapazitäten für den sicheren Netzbetrieb unerlässlich.

Kein kurzfristiger Ersatz für Gas

Russisches Gas vollständig durch Gas aus anderen Quellen zu ersetzen, wie dies zurzeit aufgrund des Krieges in der Ukraine intensiv diskutiert wird, sei kurzfristig unmöglich, so Strugl. Ein teilweiser Ersatz lasse sich durch verflüssigtes Erdgas (LNG) sowie durch Gas aus Norwegen, Algerien und Aserbaidschan bewerkstelligen. Längerfristig könne auch Wasserstoff eine Rolle spielen.

Diese Einschätzung teilt auch Velina Tchakarova, die Direktorin des Instituts für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES):

Die russische Invasion in der Ukraine stellte „die gesamte europäische Sicherheitsarchitektur“ in Frage, ein Ersatz der Gaslieferungen aus Russland durch Importe aus anderen Ländern sei zumindest kurzfristig keine Option. Bestehende Lieferanten wie Aserbaidschan verfügten nicht über die notwendigen Kapazitäten. Andere Lieferanten mit erheblich größeren Gasvorkommen, etwa der Iran, stünden wiederum kurzfristig nicht zur Verfügung. Klar sei aber: „Wir werden auch in Zukunft mit Energielieferanten zu tun haben, die andere Wertvorstellungen haben als wir“, so Tchakarova. Diesbezüglich sei Pragmatismus gefordert.

Klare Absage an direkte Markteingriffe

Eine entschiedene Absage erteilte Strugl direkten Eingriffen in den Energiemarkt zur Stabilisierung der Preissituation: „Es gilt, hier vorsichtig zu sein. Wir brauchen den Markt, weil er uns die notwendigen Preissignale für den Umstieg auf erneuerbare Energien bietet. Wenn wir diese Signale nicht bekommen, gelingt die Energiewende nicht.“ Man müsse jede Kilowattstunde nutzen, die wir in Österreich selbst erzeugen können und man müsse die erneuerbaren Energien viel schneller ausbauen als bisher, das gleiche gelte für Netze und die Speicher. Dafür seinen bis 2030 jährliche Investitionen von vier bis fünf Milliarden Euro nötig, so Strugl.

Weiters brauche es auch die Akzeptanz der Bevölkerung, „denn man wird die Ökostromanlagen und die Leitungen in der Landschaft sehen“. Gefordert ist laut Strugl weiters die Politik: Sie muss geeignete Rahmenbedingungen für die möglichst rasche Durchführung der Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte schaffen. „Wenn es uns gelingt, die Erzeugungsanlagen und die Leitungen rasch auszubauen, verringern wir unsere Abhängigkeit von Energieimporten. Außerdem wird die Energie billiger, weil die ‚Erneuerbaren‘ preisdämpfend wirken“, sagt Strugl.

Auch Kristian Ruby, der Generalsekretär des europäischen E-Wirtschafts-Verbandes Eurelectric, fordert schnellere Genehmigungsverfahren und rechnet diesbezüglich mit einem baldigen Vorstoß der EU-Kommission. Notwendig sei laut Ruby eine möglichst rasche Elektrifizierung der Energieversorgung nicht zuletzt im Raumwärmesektor. Der Einsatz von Wärmepumpen könne die Anhängigkeit von Importen fossiler Energieträger verringern und die Effizienz der Heizsysteme steigern. Zudem warnte auch Ruby vor kurzfristig erfolgenden Eingriffen in den Strommarkt: „Das würde uns große Sorgen machen. Hier muss die EU-Kommission aufpassen, was sie tut.“

 

Verfahren beschleunigen

Ebenfalls für eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Kraftwerke und Leitungen plädierte Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die in diesem Zusammenhang die Vorschläge von Energieministerin Leonore Gewessler zur Straffung der Verfahren nach dem Umweltverträglichkeits-Prüfungsgesetz begrüßte: „Wir können nicht so weitermachen wie in der Vergangenheit.“ Es gehe nicht an, dass ein Verfahren zur Genehmigung eines Kraftwerks zehn Jahre dauere und damit die im UVP-Gesetz festgeschriebenen Fristen bei weitem überschritte.

Im Hinblick auf kurzfristige Entlastungmaßnahmen für Wirtschaft und Haushalte angesichts hoher Energiepreise, verwies Schramböck auf die Maßnahmen der Bundesregierung. Diese habe zwei Pakete mit einem Gesamtvolumen von rund vier Milliarden Euro geschnürt. Freilich sei die Umsetzung noch teilweise offen: „Aber wir tun viel und handeln rasch.“

Zur Gelassenheit riet die Ministerin angesichts der russischen Ankündigung, Gas nur noch bei Zahlung in Rubel zu liefern: „Wir werden sehen, ob Zahlungen in Rubel mit der Sanktionspolitik der EU vereinbar sind.“ Derzeit würden Liefervereinbarungen eingehalten.

„Kein Gas, keine Produktion“

Kurt Maier, der Präsident des Papierindustrieverbandes Austropapier, wies auf die direkte Abhängigkeit seiner Branche von einer zuverlässigen Gasversorgung hin: „Kein Gas, keine Produktion. So einfach ist das.“ Wünschen könne sich einen abrupten Produktionstopp aber niemand, nicht zuletzt, weil die Branche auch Hygienepapiere für den täglichen Bedarf erzeuge. Zwar decke die Papier- und Zellstoffindustrie schon derzeit einen erheblichen Teil ihres Strom- und Wärmebedarfs mit biogenen Brennstoffen ab und plane auch, große Biomassekessel zu installieren: „Aber ganz ohne Erdgas kommen wir einfach nicht aus.“

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