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Studie: Wie geht es weiter mit den Strompreisen?

Durch starkes Wirtschaftswachstum und steigende Nachfrage erlebten die Energiepreise zuletzt einen Höhenflug. Mit dem Krieg in der Ukraine wurde Energie schlagartig zu einem geopolitischen Machtinstrument. Die Energiepolitik steht ebenso wie die Weltpolitik vor einer Zeitenwende. 

Die starken Preissteigerungen an den internationalen Energiebörsen stellen VerbraucherInnen und Energielieferanten vor große Herausforderungen. Mit dem Aussetzen der Ökostromfinanzierung und dem Energiekostenausgleich hat die Bundesregierung bereits Maßnahmen gesetzt, die diese Belastungen abfedern.

Wieso steigen die Preise?

Eine von uns bei der Österreichischen Energieagentur in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass die aktuellen Steigerungen aus dem Markt resultieren. Zentraler Treiber sind die Gaspreise im zunehmend globalisierten Gasgroßhandel. Warum das so ist und wie der Strompreis entsteht, erklärt Studienautorin Karina Knaus im Video: 

Großhandelspreise für Strom steigen

Die Stromgroßhandelspreise sind seit Beginn des 3. Quartals 2021 stark gestiegen. Mit September 2021 hat eine sehr dynamische und volatile Entwicklung eingesetzt, die sich seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine weiter verstärkt hat.

Neben dem Day Ahead Markt legten auch alle anderen Großhandelsprodukte deutlich zu. Der Jahreskontrakt für Stromlieferungen im Folgejahr 2023 hat seit Jahresbeginn ein deutliches Plus gesehen und pendelte sich in der ersten März-Hälfte bei rund 176 EUR/MWh ein. 

Der Österreichische Strompreisindex bildet ebenfalls die Entwicklung der Großhandelspreise ab. Er zeigt an, um wieviel Prozent sich der Einkaufspreis für Strom im kommenden Monat gegenüber der Basisperiode verändert. Der Durchschnitt der Strompreise aus dem Jahr 2006 ist dabei die Ausgangsbasis. 

Mit dem Indexstand von 233 Punkten hat der ÖSPI für April 2022 ein neues Allzeithoch erreicht. Der Tiefststand des ÖSPI lag im November 2016 bei 49 Indexpunkten.

Die Preise aller Energieträger steigen seit Herbst 2021

Seit Anfang September 2021 ist ein starker Anstieg aller Energiepreise und generell vieler Commodities zu beobachten. Die rasche Erholung der Weltwirtschaft nach dem Pandemiejahr 2020 hat die Nachfrage nach Rohstoffen und Energie, insbesondere in Asien, stark steigen lassen. Dies führte zu einem sehr starken Anstieg der Preise über alle Energieträger hinweg, vor allem aber Erdgas und Kohle. Der Krieg in der Ukraine hat die Versorgungsaussicht bei Kohle, Öl und Erdgas weiter unter Druck gesetzt, was die Preise für diese Energieträger zusätzlich nach oben getrieben hat. Mitte März haben diese wieder nachgegeben, allerdings ist eine weitere Eskalation im Falle von Lieferembargos oder -stopps für russische Energie nicht auszuschließen.

Für die Strompreise sind vor allem Gas und Kohle relevant. Der Preisanstieg am Strommarkt ist durch mehrere Faktoren bestimmt. Besondere Relevanz hat die Preisentwicklung bei fossilen Energieträgern, insbesondere Kohle und Erdgas. Diese Kraftwerke sind in Stunden mit niedriger Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern (also insbesondere im Winter) preissetzend. Die starken Preissteigerungen bei Erdgas und Kohle wirken sich damit direkt auf den Strompreis aus.

Im Spätherbst 2021 schnellte der Preis für Heizöl im Jahresvergleich um mehr als 60 Prozent, die Preise für Diesel bzw. Superbenzin um knapp 35 bzw. 30 Prozent in die Höhe. Gas wurde um 15,6 Prozent teurer, Strom immerhin noch um 9,6 Prozent. Im Februar 2022 lag der Preis für Heizöl um rund 49 Prozent über dem Preis von Februar 2021. Die Preise für Diesel bzw. Superbenzin lagen um fast 31 bzw. fast 28 Prozent über Vorjahresniveau. Erdgas war im um 65,3 Prozent teurer, Strom um 14,9 Prozent.

Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung

Entfall der Ökostrom-Pauschale und Senkung der Elektrizitätsabgabe

Die Preise für Endkunden und Endkundinnen setzen sich sowohl für Haushalte als auch für die Industrie aus unterschiedlichen Preiskomponenten zusammen. Grob kann zwischen den Energiekosten, den Netzkosten und den Steuern und Abgaben unterschieden werden. 

Die Ökostrom-Pauschale entfällt für das Jahr 2022,  der verbrauchsabhängige Ökostrom-Förderbeitrag wurde aufgrund hoher Großhandelspreise auf 0 Cent/kWh gesetzt. Auch die Elektrizitätsabgabe wird ab Mai 2022 bis Ende Juni 2023 von 1,5 Cent/kWh auf 0,1 Cent/kWh reduziert, was den Anteil der Elektrizitätsabgabe auf 0,4 % schrumpfen lässt.

Der österreichische Strompreis war in den vergangenen Jahren zu nehmend hoch belastet – Steuern und Abgaben machten mehr als ein Drittel des Endkundenpreises aus. Durch die nun getroffenen Entlastungsmaßnahmen steigt der Anteil der Energiekosten bei einem Durchschnittshaushalt mit 3.500 kWh Verbrauch in Wien auf gut 50 % des Gesamtstrompreises an.

Die Maßnahmen bewirken, dass sich die Preisänderung von 2021 auf 2022 für einen Beispielhaushalt mit Bestandsvertrag beim lokalen Anbieter und 3.500 kWh Verbrauch in einer Bandbreite zwischen minus 17 % und plus 5 % bewegt.

 

Energiekostenausgleich

Durch einen Energiekostenzuschuss in der Höhe von 150 Euro sollen Mehrkosten, die den Haushalten in den kommenden Monaten voraussichtlich entstehen, abgefedert werden. Die Auszahlung wird über einen Gutschein erfolgen, den jeder Haushalt automatisch per Post erhält. Jeder Haushalt bis zu einem Einkommen in der Höhe der Höchstbemessungsgrundlage darf den Gutschein einlösen.

Ausblick

Ein wichtiger Indikator für zukünftige Preisentwicklungen sind die aktuellen Preise am Terminmarkt. Sie zeigen, wie Marktteilnehmer die zukünftige Marktsituation einschätzen und bilden die Grundlage für die mittelfristige Entwicklung der Endkundenpreise.

Eine Darstellungsform für diese Preiserwartungen im Markt ist die sogenannte „Price Forward Curve" (PFC). Dabei werden aktuell verfügbare Notierungen nach Lieferzeitpunkten aneinander gereiht. Die PFC spiegelt somit die Preiserwartung des Marktes aus heutiger Perspektive wider. Da die PFC in der Regel für einen bestimmten Tag ausgewertet wird, handelt es sich um eine Momentaufnahme. 

Für das kommende Jahr erwarten Marktteilnehmer demnach weiterhin ein hohes Preisniveau von deutlich über 250 EUR/MWh, wobei die Winterquartale höher bepreist werden als der Sommer. Eine erste Entspannung zeigt sich für das 1. Quartal 2023.

 

Nervosität im Strommarkt: Die Invasion Russlands hat die Strom Futures sprunghaft ansteigen lassen

Die Price Forward Curve spiegelt die Preiserwartung des Marktes aus Perspektive des Handelszeitpunkts wider. Dass der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine diese Perspektive massiv beeinflusst hat, macht der Vergleich der PFC für Terminmarkt produkte vor und nach der Invasion deutlich.

Während die Preise für Produkte mit Lieferzeitraum im Jahr 2022 vor Beginn der kriegerischen Handlungen (hier 22. Februar 2022) noch bei rund 200 EUR/MWh  gelegen sind, sind diese eine Woche später auf 250 EUR/MWh gesprungen. Noch eine Woche später (8. März 2022) gab es Preise zwischen 350 und 450 EUR/MWh. Eine Angleichung gibt es erst wieder für Lieferzeiträume ab dem zweiten Halbjahr 2023.

Der Vergleich zeigt eindrucksvoll die Nervosität des Marktes auf, denn an den Fundamentaldaten (Angebot vs. Nachfrage) hat sich zwischen 22. Februar und 8. März nichts verändert, Gas floss nach wie vor, die Liefermengen gingen nicht zurück. Die Invasion führte aber zu einer Neubewertung der Versorgungsaussicht und damit zu steigenden Preisen.

Obwohl die aktuelle Situation Haushalte und Betrieb vor Herausforderungen stellt, im Hinblick auf Erneuerbaren-Ausbau, haben diese Entwicklungen aber auch postivie Effekte. Durch die hohen Strompreise sinkt der Förderbedarf – viele Projekte, die bislang Förderungen gebraucht haben, werden künftig auch ohne Unterstützung konkurrenzfähig sein.