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Versorgungssicherheit im Winter: Ende gut, alles gut?

Österreich hat es ohne Strommangellage durch die energie­intensivsten Monate geschafft. Welchen Faktoren das zu verdanken ist und was wir daraus für die Zukunft lernen können.

Strommast Winterlandschaft Österreich
© AdobeStock/Patrick Daxenbichler

Im Grunde fällt die Bilanz erfreulich aus: Der erste Winter nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs ist vorbei, durch Strommangel bedingte Versorgungsengpässe gab es in Österreich nicht. Wenn es gebietsweise zu Lieferunterbrechungen kam, dann war das den extremen Schneefällen geschuldet, nicht aber einer mangelnden Verfügbarkeit von Energie. Dass im nun beginnenden Frühjahr eine langanhaltende Kälteperiode das Blatt noch einmal wendet, gilt als nahezu ausgeschlossen.

Alfons Haber
„Die Appelle, sorgsam mit Energie umzugehen, haben gefruchtet.“ Alfons Haber Vorstand der E-Control

Die Zahlen, die inzwischen verfügbar sind, zeigen, dass Sparmaßnahmen bei der Vermeidung einer Energiekrise ganz offensichtlich eine wichtige Rolle gespielt haben. So fiel zum Beispiel nach Angaben der E-Control der Energieverbrauch in diesem Winter auch im Dezember niedriger als im Vorjahr aus, obwohl die Durchschnittstemperaturen in diesem Monat tiefer sanken. Etwas über fünf Prozent betrug die Einsparung bei Strom, rund zehn Prozent bei Gas. „Solche Zahlen belegen, dass die Appelle, sorgsam mit Energie umzugehen, gefruchtet haben“, sagt Alfons Haber, Vorstand der E-Control.  
 

Gut unterwegs ohne Gaspreisdeckel

Dass die sehr intensiv geführte Diskussion um Versorgungssicherheit dazu beigetragen hat, den Verbrauch zu senken, bestätigt auch Christoph Maurer vom Beratungsunternehmen Consentec. Er hat im Auftrag von Oesterreichs Energie die Entwicklung des Energiewinters 2022/23 analysiert.

Maurer fügt allerdings an: „Zugleich haben natürlich auch die hohen Preise einen massiven Anreiz zum Sparen geliefert.“ Der Einspareffekt, den es bei Industrie und Privathaushalten gab, sagt er, lasse im Nachhinein auf jeden Fall die Schlussfolgerung zu, dass es richtig gewesen sei, nicht noch härtere Preisdeckel einzuführen, wie das von der EU ja zeitweise durchaus diskutiert worden sei.

Preiseffekte waren aber nur ein Faktor unter vielen, die eine kritische Versorgungslage verhindert haben. Bereits auf Grundlage der umfangreichen Stresstests, die zuerst auf europäischer und dann auf nationaler Ebene durchgeführt wurden, war klar, dass die geringere Verfügbarkeit von russischem Erdgas alleine in Österreich keine Unterversorgung mit Strom nach sich ziehen würde.
 

Keine multiple Krise

„Gefährlich werden hätte es können, wenn wir eine multiple Krise bekommen hätten, wenn also zur Verknappung der Gaslieferungen aus Russland und der niedrigen Verfügbarkeit von französischen AKWs noch eine europaweite Kältewelle und Probleme bei der Kohleversorgung dazugekommen wären“, erklärt Maurer.

Das ist zum Glück nicht passiert. Und auch die Trockenheit, die sowohl den Kohletransport am Rhein als auch die Stromproduktion in Südskandinavien gefährdete, ließ rechtzeitig nach. Geholfen hat aber auch, dass Frankreich im Dezember und Jänner einige AKWs schneller wieder ans Netz bekam als zunächst gedacht. Ende Jänner waren bereits wieder rund fünfzig Prozent mehr an französischer AKW-Leistung verfügbar als noch Anfang November.

Christoph Maurer
„Die sehr intensiv geführte Diskussion um Versorgungssicherheit hat beigetragen, den Verbrauch zu senken.“ Christoph Maurer Beratungsunternehmen Consentec

Einen Vorgeschmack darauf, dass es auch anders hätte kommen können, lieferten allerdings etliche markant kalte Tage im Dezember. Da sich in Frankreich aufgrund des dort hohen Anteils an Elektroheizungen niedrige Temperaturen sehr direkt auf den Stromverbrauch auswirken, wurde die Lage binnen kurzer Zeit angespannt. Frankreich musste massiv Strom aus den Nachbarländern importieren, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.
 

Guter Speicherstand

In diese Lage kam Österreich nicht. Im Prinzip existierte den ganzen Winter über ein großer Puffer zwischen dem Gasspeicherfüllstand und einer Mangellage, bei der Gaskraftwerke nicht mehr versorgt hätten werden können und damit die Stromversorgung nicht mehr gewährleistet wäre.

Mehr noch: Vieles deutet darauf hin, dass die österreichischen Gasspeicher am Ende der Heizperiode besser gefüllt sein werden als noch zu Beginn des Winters befürchtet. Sich zurückzulehnen und zu hoffen, dass der nächste Winter ebenso entspannt über die Bühne gehen werde, wäre allerdings eine denkbar schlechte Idee, sagt Maurer: „Die Gasspeicher für den nächsten Winter aufzufüllen, wird keine einfache Aufgabe sein und es wird interessant werden zu sehen, ob es der Politik und den Verantwortlichen gelingt zu kommunizieren, wie wichtig das ist.“ Zu befürchten sei nämlich, dass ohne entsprechende Bewusstseinsarbeit das Verständnis der Bevölkerung für Sparaufrufe und hohe Preise schnell wieder sinken könnte.

Wie überhaupt nach dem Krisenwinter vor dem Krisenwinter ist. „Den positiven Aspekt dieses Winters kann man unter anderem darin sehen, dass wir Abhängigkeiten und inhärente Probleme der Versorgungssicherheitsarchitektur im europäischen Stromsystem stärker auf den Schirm bekommen haben. Wir haben uns auch stärker als bisher mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie wir Netze unter volatilen Produktionsbedingungen stabil halten können.“ Nun gelte es, die auf diese Weise gewonnenen Einsichten umzusetzen, bevor die nächste Krise am Horizont auftauche. „Das ist ja auch im Hinblick auf den Umstieg auf erneuerbare Energien ein ganz wichtiger Punkt.“
 

Wichtige Lehre: Netzkapazitäten erhöhen!

Wichtig wird es auch sein, nun entschieden die Kapazitäten für grenzüberschreitende Stromtransporte zu erhöhen, was zwar ein erklärtes Ziel der Europäischen Kommission ist, bislang aber immer wieder auf Hindernisse stieß. Hier hat die Krise immerhin dazu geführt, dass Maßnahmen, die in diese Richtung weisen, vorgezogen werden. Dass wir in Zukunft massive Investitionen in die Netzinfrastruktur brauchen werden, bestätigt auch APG-Vorstand Gerhard Christiner: „Wir müssen alle im Plan stehenden Netzinfrastrukturprojekte zeitgerecht und ohne Verzögerung umsetzen. Dazu gehören alle Leitungsprojekte, zahlreiche Umspannwerksprojekte sowie auch unsere transnationalen Leitungen wie zum Beispiel die Deutschlandleitung.“

Gerhard Christiner
„Wir müssen alle im Plan stehenden Netzinfrastrukturprojekte zeitgerecht und ohne Verzögerung umsetzen. Dazu gehören auch unsere transnationalen Leitungen wie zum Beispiel die Deutschland-Leitung.“ Gerhard Christiner Vorstand APG

Zur versorgungssicheren Transformation des Energiesystems brauche es jedoch, wie Christiner sagt, auch einen Gesamtsystemplan, in dem alle Bereiche des Energiesystems synchronisiert geplant und gebaut werden. Dazu gehören Speicher, erneuerbare Produktion, Kraftwerksreserven, digitale Plattformen zur Integration aller Akteure in das Stromsystem der Zukunft sowie die Stromnetze.

Im aktuellen Winter hat sich Europa jedenfalls auch mit der einen oder anderen Ad-hoc-Lösung beholfen. So wurde in Deutschland zum Beispiel temporär bis März 2024 eine höhere Belastung der Netze bei kaltem Wetter und Wind zugelassen. Am Ende, erklärt Energieexperte Maurer, gehe es dabei um die Abwägung, was wahrscheinlicher sei: Dass eine höhere Netzbelastung Probleme bei parallel laufenden Infrastrukturen verursacht, oder aber ob die größere Gefahr darin besteht, dass in kritischen Situationen nicht ausreichend Strom von einem gut versorgten Teil Europas in Gebiete mit Unterversorgung transportiert werden kann.

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