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Netzinfrastrukturplan: Überarbeitung nötig

Der integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan ÖNIP zeigt positive Ansätze – aber auch einige Schwächen. Eine Analyse.
 

Zurückhaltend beurteilt Oesterreichs Energie den Entwurf des österreichischen Netzinfrastrukturplans (ÖNIP), dessen öffentliche Konsultation kürzlich endete. Laut dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) diene der ÖNIP insbesondere der „frühzeitige(n) und laufende(n) Modernisierung der Energieinfrastruktur, vornehmlich durch eine verbesserte Koordinierung des Netzausbaus mit dem Ausbau von Anlagen zur Erzeugung und Speicherung von Strom und Gas aus erneuerbaren Quellen“, mit dem Ziel, die Versorgungssicherheit langfristig zu gewährleisten.

Arbeiter bei der Wartung von Stromleitungen.
© Austrian Power Grid

Nach Einschätzung von Oesterreichs Energie unterstütze der ÖNIP in seiner gegenwärtigen Fassung den Ausbau der erneuerbaren Energien zwar tendenziell, tatsächliche Erleichterungen für die Projektrealisierung seien dem E-Wirtschafts-Verband zufolge aber nur sehr bedingt erkennbar. Daher sei es notwendig, den Entwurf grundlegend zu überarbeiten. „Dies betrifft sowohl Struktur, Inhalt, Methode, Transparenz bzw. Nachvollziehbarkeit, durchgehende Stimmigkeit der Zahlenangaben und Ergebnisse, Aktualität der grundlegenden Plandatensätze sowie die Vollständigkeit und Abgrenzbarkeit der Aussagen“, heißt es in der Stellungnahme von Oesterreichs Energie.

Bedauert werde seitens des Verbands, dass der Entwurf nicht mit jenem des nationalen Energie- und Klimaplans für Österreich (NEKP) in Einklang stehe, der zeitgleich mit dem ÖNIP eine öffentliche Konsultation durchlief. Der NEKP soll nicht zuletzt beschreiben, wie der Ausbau der erneuerbaren Energien in Österreich langfristig voranschreiten soll. Klarheit hierüber ist aber eine wesentliche Voraussetzung für die Ertüchtigung und Erweiterung der Stromnetze.

Eine „modellgestützte Analyse“ empfiehlt Oesterreichs Energie hinsichtlich des im ÖNIP-Entwurf enthaltenen Transition-Szenarios des Umweltbundesamts (UBA).
Dieses umreißt den Übergang zu einer bilanziell vollständig auf erneuerbarem Strom basierenden Elektrizitätsversorgung ab dem Jahr 2030 sowie zur „Klimaneutralität“ Österreichs ab dem Jahr 2040. Wie die E-Wirtschaft festhält, müsste laut dem Szenario die Ökostromerzeugung bis 2030 um 39 Terawattstunden (TWh) gesteigert werden, von denen 21 TWh auf die Photovoltaik und die Windkraft entfallen. Dies sei laut Oesterreichs Energie indessen kaum realistisch: Die geltenden Ziele der Bundesländer reichen nicht einmal aus, um den bis dato geplanten Ökostromausbau um 27 TWh zu gewährleisten. Auch zeigte sich, dass die Ausschreibungsvolumina bezüglich der Marktprämien nach dem EAG nicht ausgeschöpft wurden, zum Teil sogar bei Weitem nicht.

Das dem ÖNIP zugrunde liegende Transition-Szenario weist zahlreiche Inkonsistenzen bzw. Lücken auf, welche einen darauf basierenden Ausblick auf die für die Erreichung der Klimaneutralität 2040 benötigte Infrastruktur unmöglich machen.

Erforderlich sei laut Oesterreichs Energie, dass die Rolle von Gaskraftwerken ab 2040 klar herausgearbeitet werde. Dies gilt umso mehr, als dem ÖNIP-Entwurf zufolge Gaskraftwerke als für den sicheren Netzbetrieb notwendig erachtet werden, auf der anderen Seite wird in manchen Abschnitten suggeriert, das Stromsystem käme ohne diese Kapazitäten aus. Generell stelle sich laut Oesterreichs Energie folgendes Problem: Dem ÖNIP-Entwurf nach steige die Spitzenlast in Österreich bis 2040 auf „bis zu 18 Gigawatt (GW)“. Unklar sei indessen, „wie diese Spitzenlast mit dem Erzeugungspark gemäß Transition-Szenario sicher gedeckt werden kann“ – nicht zuletzt, weil das Szenario auch die Ausbaupotenziale bei der Wasserkraft sowie die Erweiterung der Pumpspeicherkapazitäten zu wenig berücksichtigt.
 

Öffentliches Interesse

Damit aber ist eines der grundsätzlichen Probleme des ÖNIP-Entwurfs angesprochen: Für den Ausbau der Erneuerbaren werden ambitionierte Ziele formuliert, jedoch die Effekte auf das Stromsystem nur oberflächlich betrachtet. Flexibilitäten, Speicher und gesicherte Leistung werden nicht ausreichend adressiert, um eine Perspektive auf die Stromversorgung im Jahr 2040 bieten zu können.

Positiv sieht die E-Wirtschaft, dass der ÖNIP-Entwurf den aktuellen Netzentwicklungsplan der Austrian Power Grid (APG) bis 2032 voll inhaltlich bestätigt. Hilfreich wäre nach Ansicht der Branche jedoch, im ÖNIP nicht nur Trassenkorridore festzulegen, sondern in diesen konkrete Projekte für den Netzausbau aufzunehmen. Enthalten sein müssten verbundene Netzknotenpunkte wie etwa Umspannwerke samt Angabe der benötigten Spannungsebene sowie n-1-sichere Transportkapazitäten. Festzuhalten wäre ferner, dass sämtliche im ÖNIP enthaltenen Vorhaben inklusive Speicher im überwiegenden öffentlichen Interesse stehen. Im ÖNIP, aber auch über diesen hinausgehend, hält die E-Wirtschaft eine gesamthafte Koordinierung des Übertragungs- und Verteilnetzausbaus für notwendig. Es gelte, „die lokale Energieinfrastruktur mit der überregionalen sowie nationalen Strom-Infrastruktur systemisch zusammenzuführen“.

Notwendig sei der Branche zufolge jedenfalls, die Genehmigungsverfahren maßgeblich zu beschleunigen, nicht zuletzt durch das im Jänner angekündigte Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz (EABG), das so rasch wie möglich beschlossen werden sollte. Begrüßt werden seitens der E-Wirtschaft die im ÖNIP enthaltenen Vorgaben für nachgelagerte Genehmigungsverfahren, etwa was magnetische Felder sowie Schallemissionen betrifft. „Insofern können der ÖNIP und die strategische Umweltprüfung des ÖNIP tatsächlich einen Beitrag zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren leisten“, heißt es aus der Branche.

Der integrierte österreichische Netzinfrastrukturplan (ÖNIP)

Der ÖNIP ist laut dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) von der Energieministerin aufgrund der EU-Verordnung 2018/1999 „über das Governance-System für die Energieunion und für den Klimaschutz“ zu erstellen und einer strategischen Umweltprüfung (SUP) zu unterziehen. Er ist für zehn Jahre auszulegen und muss alle fünf Jahre aktualisiert sowie auf der Website des Energieministeriums (BMK) veröffentlicht werden. Er dient vor allem der „frühzeitige(n) und laufende(n) Modernisierung der Energieinfrastruktur, vornehmlich durch eine verbesserte Koordinierung des Netzausbaus mit dem Ausbau von Anlagen zur Erzeugung und Speicherung von Strom und Gas aus erneuerbaren Quellen“ unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Versorgungssicherheit. Laut dem EAG hätte die Veröffentlichung am 30. Juni erfolgen müssen. Den Entwurf sandte das BMK am 7. Juli zur Konsultation aus. Diese hätte Ende August abgeschlossen werden sollen, wurde indessen bis einschließlich 15. September verlängert. Die Veröffentlichung der finalen Version des ÖNIP ist für Herbst geplant.

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