Leuchttürme der Energiewende: Österreichs stärkster Pumpspeicher
Mit dem Lünerseewerk II werden die illwerke vkw den bisher weitaus stärksten Pumpspeicher hierzulande errichten.
Es dürfte das bisher leistungsstärkste Pumpspeicherkraftwerk Österreichs werden und hat auch über die Grenzen des Landes hinaus Bedeutung für die Energiewende: das Lünerseewerk II mit seinen 1.000 Megawatt (MW) im Turbinen- wie auch im Pumpbetrieb, an dem die illwerke vkw arbeiten. Vorgesehen ist, die technische Planung des Projekts bis Ende 2024 abzuschließen. In der Folge werden die Unterlagen für die Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) erarbeitet. Mit dem Beginn der Umweltverträglichkeitsprüfung ist für etwa 2026 zu rechnen. Der Baubeginn könnte 2031 erfolgen, die Fertigstellung des Kraftwerks 2037.
Zu Jahresbeginn hätten die illwerke vkw sechs technisch anspruchsvolle Erkundungsbohrungen entlang des Gebirgsgrates zwischen dem Lünersee und dem Ort Bürs im Klostertal abgeschlossen, berichtet Projektleiter Stefan Wachter. Weitestgehend seien dabei die „prognostizierten günstigen Gebirgsverhältnisse bestätigt“ worden. Und in Kürze beginnt die nächste Erkundungsmaßnahme: der Vortrieb eines rund 800 Meter langen Sondierstollens mit 25 Quadratmetern Querschnitt. „Damit werden wir den Bereich der Krafthauskaverne erkunden und geologische Aufschlüsse durchführen.“
Das Projekt in Zahlen
Projektbeginn: Vorstellung Oktober 2021
Projektabschluss: voraussichtlich 2037
Investitionskosten: ca. zwei Milliarden Euro
Effekt: Unterstützung der Energiewende in Österreich und Deutschland
Die rund 70 Meter hohe Kaverne ist mit etwa 800 Metern Gestein überdeckt. „Es ist schon eine Herausforderung, eine so große Krafthauskaverne unterzubringen und den Hohlraum so zu sichern, dass die gesamte Maschinerie reinpasst“, schildert Wachter. Die „Maschinerie“ umfasst nicht zuletzt drei sechsdüsige Peltonturbinen mit je 330 bis 350 MW, die einen Durchfluss von 95 Kubikmetern pro Sekunde bewältigen können. Gekoppelt sind diese wie beim 2004 bis 2008 errichteten Kopswerk II mit seinen 525 MW Turbinenleistung mit Motorgeneratoren sowie mehrstufigen Förderpumpen. Das Umschalten vom Turbinen- auf den Pumpbetrieb sei laut Wachter binnen etwa einer Minute möglich. Somit sei das Lünerseewerk II bestens geeignet, die im Zuge der Energiewende immer wichtiger werdende Regelenergie sowie Ausgleichsenergie bereitzustellen.
Errichtet werden ferner ein rund acht Kilometer langer Druckstollen, ein knapp zwei Kilometer langer Druckschacht sowie eine unterirdische Anbindung an den Walgaustollen, der Lünerseewerk II mit der Kraftwerksgruppe Obere Ill-Lünersee verbindet, der mit 2.500 MW im Turbinenbetrieb und 1.400 MW im Pumpbetrieb stärksten Anlage der illwerke vkw. Deren Turbinenleistung steige durch den geplanten Neubau um etwa 40 Prozent. Ihre Pumpleistung werde sich sogar um rund 71 Prozent erhöhen.
Etliche Vorteile
Die Kraftwerksgruppe ist Teil der Regelzone Transnet im deutschen Regelblock. Und wie sämtliche Pumpspeicher der illwerke vkw wird auch das Lünerseewerk II auf der Grundlage des Illwerkevertrags errichtet. Dessen erste Version schlossen die Vorgänger der illwerke vkw und der deutschen EnBW im Jahr 1926 ab. In seiner aktuellen Form gilt der Vertrag bis 2041. Grob gesprochen regelt er den Abtausch von in Vorarlberg erzeugter Spitzenlast gegen Grundlast aus Deutschland. Diese wird in zunehmendem Ausmaß durch Windparks und Photovoltaikanlagen bereitgestellt. Wegen der Verbindung mit Deutschland ist das Lünerseewerk II für die Energiewende somit von grenzüberschreitender Bedeutung: Mit seiner Flexibilität kann der geplante Pumpspeicher den Ökostromausbau in der Bundesrepublik erleichtern. Im Gegenzug dient der „grüne“ Strom aus Deutschland zur Deckung des Bedarfs an elektrischer Energie in Vorarlberg.
Das Lünerseewerk II hat eine stationäre Fallhöhe von etwa 1.350 Metern – wohl über Österreichhinaus ein Rekordwert.
Wachter beschreibt die wesentlichsten Vorteile des Projekts so: Erstens könnten bestehende Anlagen genutzt werden. Dies betrifft oberwasserseitig den Lünersee, den größten Speicher der illwerke vkw mit rund 78 Millionen Kubikmetern Inhalt. Auf der Unterwasserseite wiederum stehen dem Lünerseewerk II die Becken in Rodund zur Verfügung, die über die bestehende Triebwasserführung des Walgauwerks mit dem geplanten Unterwassersystem verbunden sind. Zweitens hätte das Lünerseewerk II eine stationäre Fallhöhe von etwa 1.350 Metern – wohl über Österreich hinaus ein Rekordwert, erläutert Wachter. Sie würde nicht unwesentlich dazu beitragen, die angestrebte Leistung von 1.000 MW zu erreichen. Der dritte Vorteil ist die nur wenige hundert Meter lange Anbindung des Krafthauses an das Umspannwerk in Bürs. Von dort aus kann die elektrische Energie über bestehende Hochspannungsleitungen abgeführt werden.
Neue Rekorde
Nicht zum ersten Mal würden die illwerke vkw mit einem Kraftwerk mit der Bezeichnung „Lünerseewerk“ Rekorde brechen: Das in den 1950er-Jahren errichtete Lünerseewerk I war dazumal mit 280 MW Turbinenleistung der stärkste Pumpspeicher der Welt. Und bereits seinerzeit gab es Überlegungen, eine zweite Anlage nach Art der nun in Planung befindlichen beizustellen – wenn auch mit wesentlich geringerer Leistung. „Damals war die Einschätzung, dass die Druckstufe zu groß und mit den verfügbaren Materialien nicht zu bewältigen wäre“, schildert Wachter. Heute dagegen bestehe an der Realisierbarkeit der 1.000-MW-Anlage kein Zweifel.
Das gilt auch für die Landespolitik: In seiner Sitzung am 6. April 2022 fasste der Landtag einen einstimmigen Beschluss mit dem Titel „Raus aus der Abhängigkeit von Öl und Gas, rein in die Energieautonomie!“. Darin fordert er die Landesregierung auf, „den Vorarlberger Weg zur Erreichung der Energieautonomie weiter zu forcieren“. Unter den diesbezüglich angeführten Vorhaben befindet sich auch die „weitere optimale Nutzung des Potenzials der Wasserkraft in Vorarlberg, insbesondere durch das neue Pumpspeicherkraftwerk Lünersee II sowie die Ertüchtigung von Kleinwasserkraftwerken“.
Ökologisch wäre das Lünerseewerk II aller Voraussicht nach gut verträglich, nicht zuletzt wegen der Nutzung bestehender Anlagen und der unterirdischen Bauweise. Ökonomisch betrachtet hätte der Bau ebenfalls seine Vorteile: Mit der Investitionssumme von etwa zwei Milliarden Euro wäre auch erhebliche Wertschöpfung in der Region verbunden. Vor allem die Bauwirtschaft könnte profitieren. Mit namhaften Firmen aus Vorarlberg arbeiteten die illwerke vkw bereits bei anderen Vorhaben zusammen, etwa dem Kopswerk II und dem 380 MW starken Obervermuntwerk II. Die diesbezüglichen Erfahrungen wären auch beim neuen Lünerseewerk II von Nutzen.
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