Frauen-Power für die E-Wirtschaft
Die Energiewirtschaft kann es sich nicht leisten, auf Mitarbeiterinnen und weibliche Führungskräfte zu verzichten. Wie eine bislang von Männern dominierte Branche den Wandel schaffen will. Und welche Herausforderungen dabei bewältigt werden müssen.
Die Energiewirtschaft ist männerdominiert. An diesem Befund lässt sich nicht rütteln. Bei rund 20 bis 25 Prozent liegt, über alle Geschäftsbereiche gerechnet, der Frauenanteil in den meisten österreichischen Energieunternehmen. Damit ist er nur unwesentlich höher als in der als besonders männerzentriert wahrgenommenen Automobilindustrie. Dort waren es nach einer deutschen Erhebung aus dem Jahr 2021 im Schnitt 18 Prozent.
Doch die Energiebranche wandelt sich. Zum einen, weil auch hier die großen gesellschaftlichen Trends einen Widerhall finden, zum anderen aber auch aus Gründen, die in der Energiewirtschaft selbst fundiert sind, wie Georg Westphal, Bereichsleiter Strategisches Personalmanagement bei VERBUND, erklärt: „Ja, historisch betrachtet ist die Energiebranche männerdominiert, sowohl von den Tätigkeiten her als auch vom Geschäftsmodell. Das hat sich in den letzten Jahren aber massiv geändert, allein deshalb, weil seit der Liberalisierung des Strommarktes die Energieversorger viel stärker auch nicht-technische Aufgaben bewältigen müssen. Zu Zeiten eines Quasi-Monopols war das anders.“
Zum Teil hohe Frauenquoten
Im nicht-technischen Bereich sind heute bei vielen Energieunternehmen Frauen bereits stärker repräsentiert als Männer. In einzelnen Abteilungen wie Rechtswesen, Personal, Marketing oder Vertrieb erreicht ihr Anteil Werte um die siebzig Prozent, teilweise sogar noch mehr. Eine Entwicklung, die auch Michaela Sapetschnig, Personalchefin bei der Kelag, bestätigen kann: „Wir haben bei uns auch Bereiche, die sehr stark frauendominiert sind, da würden wir uns mehr Männer wünschen.“
Je technischer es wird, desto geringer fällt allerdings der Anteil an Mitarbeiterinnen aus. Was auch daran liegt, dass es in Österreich nach wie vor nicht gelungen ist, junge Frauen in breiterem Ausmaß für technische Ausbildungen zu begeistern. Sowohl in HTLs als auch auf Technischen Universitäten dominieren weiterhin Männer, wie Guntram Aufinger, Leiter Human Resources Management bei der Energie Steiermark, erklärt: „Das hat auch mit tief verwurzelten Rollenbildern zu tun. Eltern, die ja bei der Berufswahl eine wichtige Rolle spielen, legen Mädchen nach wie vor oft klassische Frauenberufe nahe. Das ändert sich, aber nicht schnell genug. Es ist sicher ein Generationenthema.“
Ist die Zahl von Abgängerinnen Höherer Technischer Lehranstalten schon recht gering, so stellt sich die Situation im Facharbeiterinnen-Bereich noch härter dar: „Wir bemühen uns seit Jahren darum, in den drei Lehrwerkstätten von VERBUND den Frauenanteil zu steigern. Wir machen Fortschritte, aber es ist nicht einfach“, sagt Gerorg Westphal.
Frauen wollen neue Themen
Auch Beate Pauer-Zinggl, Leiterin Personalmanagement bei der Burgenland Energie, weiß, dass es nach wie vor fordernd ist, Frauen in die Technik zu bringen: „Burschen kommen in Energieunternehmen von alleine, Mädchen müssen wir bewusst holen. Deshalb machen wir auch immer wieder Veranstaltungen, bei denen wir jungen Frauen, die vor der Berufswahl stehen, unser Unternehmen vorstellen.“
Zugleich merkt Pauer-Zinggl aber auch, dass neue Themen bei jungen Frauen deutlich besser ankämen als klassische Ausbildungen. Für klassische Elektrotechnik würden sich, erzählt sie, Frauen nach wie vor eher wenig interessieren. Wenn es aber um Zukunftsthemen gehe wie Energiewende oder erneuerbare Energien, sehe es anders aus: „Entsprechende Berufe werden von Frauen viel stärker nachgefragt. Das lässt sich auch an Studierendenzahlen auf den Fachhochschulen und Universitäten sehen. Diese Berufe sind übrigens um nichts weniger technisch als zum Beispiel die klassische Elektrotechnik. Sie liegen aber mehr im Trend der aktuellen Zeit.“
Fehlende körperliche Kraft sei heute jedenfalls kein Hindernis für Frauen, auch in den technisch geprägten Bereichen der Energiewirtschaft erfolgreich zu sein: „Das Argument, dass Frauen bestimmte Tätigkeiten wegen mangelnder körperlicher Kraft nicht ausführen könnten, gilt heute nicht mehr. Heute können Frauen genauso Baustellenprojekte leiten wie Männer oder genauso gut beim Aufstellen von Windrädern anpacken“, sagt Pauer-Zinggl.
Auch Kunden wollen Diversität
Dass die Energiewirtschaft mehr Frauen braucht, ist jedenfalls unumstritten. Auch weil junge Menschen heute von ihren Arbeitgebern eine diverse Arbeitsumgebung geradezu einfordern: „Auch junge Männer haben heute nicht den Wunsch, in einer Umgebung zu arbeiten, die ausschließlich von Männer-Codes und männlichen Umgangsformen geprägt ist“,sagt Georg Westphal von VERBUND.
Doch auch die Kundenseite verlange Diversität, wie Westphal ergänzt: „Die Energiewirtschaft hat ja Kunden, die die ganze Bandbreite der Gesellschaft umfassen, und da ist die Erwartung präsent, dass wir als Unternehmen das auch abbilden. Es ist für die Außenwirkung eines Unternehmens heute nicht förderlich, wenn Kunden dort nur männliche Ansprechpersonen vorfinden.“
Und schließlich gilt auch: Unternehmen, die es verabsäumen, gezielt Frauen anzusprechen, verzichten auf rund die Hälfte des Arbeitskräftepotenzials – gerade in Zeiten von Facharbeitermangel ein schwerer strategischer Fehler. Noch konnte die österreichische Wirtschaft allerdings trotz zahlreicher Initiativen das Problem des mangelnden Zulaufs von jungen Menschen zu technischen Berufen nicht lösen.
Ähnlich wie bei der Frühförderung von Sprachskills fordert der Personalchef der Energie Steiermark, Guntram Auinger, daher auch eine Förderung von technischen Fertigkeiten schon in der Volksschule oder sogar bereits im Kindergarten: „Genauso wie es Übungen gibt, die sprachliche Fertigkeiten fördern, gibt es Übungen, die handwerkliches und technisches Verständnis fördern. Man müsste sie nur viel stärker einsetzen.“
Angelpunkt FamilienvereinbarkeitWenn Frauen auf eine Karriere verzichten, hat das allerdings oft gar nicht mit fachspezifischen, sondern viel eher mir gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun, wie Michaela Sapetschnig in Erinnerung ruft: „Wenn mehr Frauen in die Technik sollen, muss auch das Jobangebot so angepasst werden, dass es auf die Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten ist. Da geht es um Kinderbetreuungsangebote, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das betrifft aber nicht nur Frauen, sondern auch Männer.“
Dort, wo es nicht genügend öffentliche Einrichtungen gibt, also vor allem bei der Betreuung von Kleinkindern bis drei Jahren, versuchen vielfach die Unternehmen selbst eine Abhilfe zu schaffen. Die Kelag betreibt zum Beispiel in Klagenfurt eine eigene Krabbelstube, nur hundert Meter vom Unternehmenssitz und mit sehr flexiblen Schließzeiten.
Gegenentwurf Frankreich
Andere Länder sind bezüglich Betreuungseinrichtungen deutlich besser aufgestellt als Österreich. In Frankreich zum Beispiel ist es, nicht zuletzt aufgrund einer entsprechenden Infrastruktur, viel weiter verbreitet, dass Frauen schon sehr bald nach der Geburt eines Kindes Vollzeit arbeiten
Doch auch das Mindset ist anders. In Österreich, das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für Familienforschung, wird von Frauen mit Kindern unter zwei Jahren, die nicht arbeiten, als der wichtigste Grund dafür nicht der Mangel an Betreuungsplätzen genannt, sondern der Wunsch, das Kind selbst zu betreuen. Bei älteren Kindern ist dieser Wunsch der Hauptgrund für Teilzeitarbeit. „Unternehmen – und Gesellschaftspolitik – sollten akzeptieren, wenn Frauen länger bei ihren Kindern bleiben wollen, und entsprechende Teilzeit- beziehungsweise Karenzmodelle anbieten“, kommentiert diese Bedürfnislage Michaela Sapetschnig.
Auf einen weiteren Punkt, der in der Debatte um Verträglichkeit von Familie und Beruf häufig zu kurz kommt, weist Beate Pauer-Zinggl hin: „Es muss auch für Führungskräfte die Möglichkeit geben, Teilzeit zu arbeiten.“ Hier ändert sich allerdings bereits einiges. Noch vor zwanzig, dreißig Jahren, erinnert sich Guntram Aufinger von der Energie Steiermark, wäre es undenkbar, dass eine Frau in einer Führungsposition in Karenz geht und dann auf den gleichen Job zurückkehrt: „Den Job hätte man in der Zwischenzeit mit jemand anderem nachbesetzt.“ Heute findet diesbezüglich in vielen Unternehmen ein Umdenken statt.
Wandel von oben
Solche Bewusstseinsänderungen passieren allerdings nicht von allein, merkt Aufingers Personalleiter-Kollege beim VERBUND, Georg Westphal, an. Es brauche Hard Facts, wie Westphal es nennt: klare Vorgaben in Sachen Diversität, die die verantwortlichen Manager erreichen müssen.
Und diese Vorgaben müssten von der obersten Führungsebene getragen werden, betont VERBUND-Chef und Präsident von Oesterreichs Energie Michael Strugl: „Maßnahmen, um den Frauenanteil zu steigern, können nur dann erfolgreich sein, wenn sie auch vom Top-Management aktiv befürwortet und unterstützt werden. Die österreichischen Energieunternehmen sehen Gender und Diversität als ein absolutes Kernthema an.“
Börsennotierte Unternehmen wie der VERBUND profitieren von dieser Politik gleich zweifach. Zum einen weil, wie Personalchefs übereinstimmend erklären, diverse Teams aufgrund ihrer unterschiedlichen Zugänge Probleme üblicherweise schneller und besser lösen könnten als nicht-diverse Teams. Zum anderen aber auch, weil Genderthemen als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie mittelfristig in die Bewertung von börsennotierten Unternehmen einfließen. Ohne entsprechende Unternehmenspolitik ist es heute daher schwierig bis unmöglich, in Green Bonds vertreten zu sein oder als grünes Investment eingestuft zu werden.
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