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Akzeptanz: Not In My Backyard?

Grüne Energie? Ja, klar – aber nicht bei mir. Viele Erneuerbaren-Projekte kämpfen damit, dass die Bereitschaft, Bauvorhaben auch im eigenen Umfeld zu akzeptieren, fehlt. Wie man das Akzeptanzproblem lösen kann.

Im Kern ist es eine gute Nachricht: Die grundsätzliche Zustimmung zu erneuerbarer Energie ist in Österreich ungebrochen hoch. Eine aktuelle Umfrage von Deloitte, die gemeinsam mit der WU Wien, der Universität Klagenfurt und Wien Energie durchgeführt wurde, zeigt: Ein Erneuerbaren-Projekt in der eigenen Gemeinde würden 76 Prozent der Befragten begrüßen. Besonders hoch ist die Zustimmung zu Photovoltaik-Anlagen, selbst bei den gegenüber Dachanlagen eher umstrittenen Freiflächen-Projekten beträgt sie 88 Prozent. Relativ niedrig fällt sie bei Windkraft mit 66 Prozent aus.

Montage Windpark Trautmannsdorf
© Energie AG

Projektbetreiber wissen allerdings auch: Sobald eine Anlage tatsächlich errichtet werden soll, bleiben Proteste selten aus. Vor allem bei Windkraft gibt es gegen so gut wie jedes Vorhaben massive Einsprüche. Für Sigrid Stagl, Professorin an der WU Wien und Gründerin des dortigen Institute for Ecological Economics, ist das wenig überraschend: „Die abstrakte Zustimmung zu erneuerbarer Energie ist sehr groß, Akzeptanzprobleme gibt es fast immer nur bei konkreten Projekten.“
Wie ihnen am besten begegnet werden kann, weiß man inzwischen sowohl aus praktischen Erfahrungen als auch aus der Forschung ziemlich genau: durch frühzeitige, offene Information und durch Beteiligungsmodelle. 

Beteiligung kann für den derzeit in Oxford lehrenden österreichischen Ökonomen und Klimawende-Spezialisten Karl Steininger bedeuten, dass Anrainer nicht nur informiert und in die Projektplanung eingebunden werden, sondern auch finanziell an Projekten teilhaben. Bei Photovoltaik-Anlagen, die als Bürgerkraftwerke konzipiert sind und deren Anteile gekauft werden können, funktioniert das bereits. „Am besten dürfte Akzeptanz zu erreichen sein im Zusammenspiel von Bürgerkraftwerken, die tatsächliche Identifikation mit dem Projekt erlauben, und überregionaler, vergleichender, transparenter Planung“, urteilt Steininger.
 

Kein Verhinderungsinstrument

Erkenntnisse darüber, wie solche transparenten Modelle ablaufen können, existieren inzwischen in großer Zahl. „Wichtig ist unter anderem, dass der Prozess ergebnisoffen ist und auch ehrlich die Möglichkeit beinhaltet, dass ein Projekt abgelehnt wird“, betont Sigrid Stagl. 

Zu reinen Verhinderungsinstrumenten, wie manchmal von Projektbetreibern befürchtet, werden solche Bürgerbeteiligungen in aller Regel dennoch nicht. Denn mangelnde Zustimmung ist sehr häufig schlicht auf mangelndes Problembewusstsein, noch mehr aber auf mangelnde Information zurückzuführen. Vielfach wissen die Betroffenen einfach gar nicht, warum ein bestimmtes Bauvorhaben Sinn und letztlich auch für sie einen Nutzen hat. Allein schon diese Punkte nachvollziehbar darzulegen, kann die Akzeptanz beträchtlich steigern.

Gerd Wegeler, der bei den illwerken das im Bau befindliche Pumpkraftwerk Obervermunt II als Projektleiter betreut, kann das bestätigen: „Ich denke, ein Schlüssel für die Akzeptanz ist, dass man rechtzeitig entsprechend offen mit Stakeholdern und der Bevölkerung kommuniziert.“

Sollen Planungen offen erfolgen, ist es sinnvoll, bei Partizipationsverfahren nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten durchzuspielen. Beim Ausbau von Windkraft könnten die Alternativ-szenarien zum Beispiel lauten: weniger, aber leistungsstärkere Windräder oder der vermehrte Einsatz anderer Erneuerbaren-Technologien. 
 

Rationeller Zugang

„Jede Alternative sollte in ihren Folgen so gut wie möglich beschrieben werden“, erklärt Stagl das Prinzip. „Dazu würde beim Verzicht auf die Windräder als Gewinn der Artenschutz zählen, bei der Variante mit weniger Windrädern der geringere Flächenverbrauch, aber eine stärkere Beeinträchtigung des Landschaftsbildes.“ Auf einer solchen Grundlage lassen sich Entscheidungen  dann meist rationeller herbeiführen, als wenn ausschließlich über die Zustimmung zu einer einzigen, weitgehend fertiggeplanten Variante diskutiert wird. 

Wobei eine Voraussetzung für gute Entscheidungen auch darin besteht, im Vorfeld zu klären, nach welchen Kriterien überhaupt entschieden wird und die Entscheidungskriterien auch zu gewichten, also festzulegen, was in einem konkreten Fall mehr zählt: Naturschutz, Arbeitsplätze, Biodiversität, Energieautarkie. 
Das sei wirklich wichtig, betont Stagl: „Es zeigt sich nämlich: Wenn die Regeln klar sind, nach denen Entscheidungen erfolgen, sind die meisten Menschen bereit, Kompromisse zu tragen.“ Selbst dann, wenn die von der Gruppe gewählte Gewichtung der Kriterien nicht zu hundert Prozent mit den eigenen Präferenzen deckungsgleich ist. 

Sigrid Stagl
„Die abstrakte Zustimmung zu erneuerbarer Energie ist sehr groß, Akzeptanzprobleme gibt es fast immer nur bei konkreten Projekten.“ Sigrid Stagl Professorin am Institute for Ecological Economics der WU Wien

Auf welcher Ebene Bürgerbeteiligungsmodelle Sinn machen, muss allerdings von Fall zu Fall entschieden werden. Es ist sicher sinnvoll, dass es in der EU ein gemeinsames Prinzip gibt, das die Regionen dazu verpflichtet, bestimmte Einsparungsziele zu erreichen. Daraus können dann einzelne Projekte abgeleitet werden, für die es Beteiligungsmodelle auf Landes-, Bundesländer- oder regionaler Ebene gibt. „Ob solche Beteiligungen bis auf die Gemeindeebene hinunter Sinn machen, ist hingegen umstritten“ erklärt Stagl. „Denn hier besteht schon die Gefahr, dass sie nicht mehr wirklich ergebnisoffen geführt werden können.“
 

Wer soll entscheiden?

Ebenfalls Gegenstand von Diskussionen ist die Frage, wie Gruppen, in denen Partizipationsprojekte abgewickelt werden, zusammengesetzt sein sollen. Eine der Möglichkeiten ist stark von Statistik geprägt und besteht darin, ähnlich wie in der Meinungsforschung, eine möglichst repräsentative Abbildung der Gesamtbevölkerung in der betroffenen Region zu erreichen. 

Der andere Zugang geht von einer sozio-ökonomischen Analyse aus und bindet diejenigen in ein Beteiligungsverfahren bevorzugt ein, die von einem Projekt übermäßig stark betroffen sind. Also einerseits diejenigen, die davon besonders profitieren und andererseits diejenigen, die besonders viele Nachteile zu befürchten haben. Hier besteht die große Herausforderung allerdings darin, die entsprechenden Gruppen möglichst richtig zu identifizieren. Mit standardisierten Methoden ist das aber sehr genau möglich.

Und der Aufwand lohnt, wie Sigrid Stagl aus eigener Erfahrung zu berichten weiß. Wenn sie gut aufgesetzt sind, erzählt sie, funktionieren Bürgerbeteiligungen erstaunlich zuverlässig. „Ich war selbst bei einem Prozess, bei dem sich eine starke Gruppe aus wirtschaftlichen Gründen sehr vehement für Biomasse einsetzte. Zugleich wurde in diesem Projekt Vermeidung von Luftverschmutzung aber als ein sehr wichtiges Kriterium definiert. Als Berechnungen für das Szenario mit starker Biomasse-Nutzung einen markanten Anstieg der Luftverschmutzung vorhergesagt haben, hat das diese Gruppe akzeptiert und einer Variante mit deutlich weniger Biomasse-Anteil zugestimmt.“

Das Beispiel, sagt sie, sei vor allem deshalb so wichtig, weil es zeige, dass Bürgerbeteiligungen bei aller Emotionalität, mit der sie zwischendurch geführt würden, ein sehr probates Mittel seien, um zu vernunftgeleiteten Entscheidungen zu kommen. Und die braucht die Energiewende dringender denn je.

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