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Wie der Klimawandel die Wasserkraft beeinflusst

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Die Stromerzeugung der Anlagen wird sich tendenziell in die erzeugungsarmen Wintermonate verschieben und damit die Versorgungssicherheit verbessern, so das Resultat einer Studie. Überdies können (Pump-)Speicher die unerwünschten Auswirkungen von Starkregenereignissen dämpfen. 

Kraftwerk Reisseck II Plus: Arbeiter gehen im Rohr
Röhre des Wasserkraftwerks Reißeck II: Die Stromerzeugung von Laufwasserkraftwerken wird im Winterhalbjahr eher zunehmen, im Sommerhalbjahr dagegen zurückgehen © Verbund/Johannes Wiedl

Eine Studie zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Stromproduktion mittels Wasserkraftwerken erstellte das schwedisch-finnische Technologieberatungs­unternehmen Afry im Auftrag von Oesterreichs Energie. Afry entstand 2019 aus der Fusion des schwedischen Dampferzeugerverbands Ångpanneförenigen und der bekannten finnischen Pöyry-Gruppe, die in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Analysen für die österreichische E-Wirtschaft durchgeführt hatte. Mit rund 19.000 Fachleuten ist Afry in über 100 Ländern vertreten. 

Wie Afry einleitend feststellt, kam es im Jahr 2022 europaweit zu Dürreereignissen, die eine unterdurchschnittliche Erzeugung von elektrischer Energie mit Wasserkraft­werken zur Folge hatten. Dies gab Oesterreichs Energie den Anlass, die Studie in Auftrag zu geben und die Folgen für die Wasserkraft durch klimabedingte Änderungen zu analysieren. In deren Rahmen sollten nicht zuletzt drei Hypothesen überprüft werden: 

  1. „Die Tendenz in den Jahresabflussfrachten ändert sich nicht, bei der Gesamtproduktion sind keine signifikanten Änderungen zu erwarten.“
  2. „Wasserkraft wird in Zukunft eine noch wichtigere Bedeutung haben, weil es zwar in den Sommermonaten zu weniger Wasserkraftproduktion kommen kann, dafür aber im ohnehin produktionsarmen Winter zu Steigerungen.“
  3. „Die Konzentration der Niederschläge wird zunehmen. Speicher können dazu beitragen, diesen Konzentrationseffekt abzufedern und die Flexibilität im System zu bewahren.“

Afry untersuchte daher einerseits historische hydro-meteorologische Beobachtungsdaten und Daten der Wasserkrafterzeugung. Dies diente dem Zweck, den in den vergangenen Jahrzehnten möglicherweise bereits aufgetretenen Einfluss des Klimawandels auf das Wasserdargebot und damit die Stromerzeugung von Wasserkraftwerken zu evaluieren. Andererseits analysierte das Unternehmen Ergebnisse von Berechnungen mithilfe von Klimamodellen sowie Klimafolgenmodellen. Auf diese Weise sollten die zukünftigen Auswirkungen des Klimawandels erfasst werden. 

Afry stützte sich in seiner Untersuchung auf internationale sowie österreichische Fachliteratur. Simulationen führte das Unternehmen im Zuge der Studie nicht durch. Es griff dieser zufolge aber „teilweise auf die Rohdaten früherer eigener Klimafolgensimulationen zurück“. In den Blick nahm Afry insbesondere folgende Parameter: Niederschlag, Temperatur, Schnee- und Gletscherverhältnisse sowie Abflussverhältnisse. 


Niederschlag und Abfluss: Uneinheitliche Trends

Die Temperatur stieg der Studie zufolge in den Jahren 1961 bis 2022 im Vergleich zum langjährigen Mittelwert tendenziell an: „Speziell ab den 90er-Jahren finden sich kaum noch Jahre, die unter dem langjährigen Mittel liegen. Dieser Anstieg der Temperatur spiegelt sich in einer erhöhten Verdunstung, längeren Vegetationsperiode sowie einer früheren Schneeschmelze wider.“ Weniger einheitlich stellte sich die Situation hinsichtlich des Niederschlags dar. Zwar war bei den meisten Messstationen „ein leichter Anstieg“ im Jahresniederschlag zu verzeichnen. Doch zeigten sich teils erhebliche regionale Unterschiede: Im Norden Österreichs änderten sich die Niederschlagsmengen nicht signifikant, ebensowenig im Süden. Im Zentralraum, also etwa in der Obersteiermark sowie in Teilen Salzburgs, war dagegen „ein deutlicher Anstieg des Jahresniederschlags, bei gleichbleibender Variabilität, zu beobachten“. Auch in Tirol nahmen die Niederschlagsmengen zu, während sie sich in Vorarlberg „minimal“ verringerten. 

Die Dauer des Bestehens einer „saisonalen Schneedecke“ sowie deren mittlere Höhe waren in Übereinstimmung mit dem Temperaturanstieg rückläufig. Unsicher ist der Anteil der Gletscherschmelze am Gesamtabfluss, „der nicht (oder nur mit sehr komplexen Methoden) gemessen werden kann“. Tendenziell nahm der Gletscherabfluss zu. Weil damit aber die Eismenge auf den Gletschern sinkt, wird auch der Abfluss in den nächsten Jahrzehnten wieder zurückgehen. Veränderungen sind vor allem saisonal zu beobachten, stellt Afry klar: Studien „zeigen für das Sommerhalbjahr für fast alle Regionen Österreichs einen Rückgang in den beobachteten Abflüssen der Periode 1951 bis 2000, im Winterhalbjahr einen Anstieg des Abflusses überall außer in den südlichsten und nördlichsten Einzugsgebieten“. 
 

Speicher als Ausgleich 

Die Auswirkungen des Klimawandels auf Wasserkraftwerke sind je nach Typ unterschiedlich, hält die Studie fest.

Kraftwerk-Reisseck-II-Plus
Kraftwerk Kaprun: Zwar ist in den Sommermonaten mit einer geringeren Produktion zu rechnen, in den Wintermonaten dagegen mit einer höheren. Dies sollte der vielfach befürchteten „Deckungslücke“ erheblich entgegenwirken. © Verbund/Johannes Wiedl

Bei Laufwasserkraftwerken ergibt sich „eine starke Korrelation zwischen energetisch nutzbarer und der zur Verfügung stehenden Menge an Wasser in jedem Jahr. Diese Korrelation deutet darauf hin, dass diese Kraftwerke sowohl sehr feuchte als auch sehr trockene Jahre gut nutzen können und nur sehr wenig Wasser ungenutzt abgeben müssen.“ Bis dato ist bei den österreichischen Anlagen kein eindeutiger Trend „zu mehr oder weniger Abfluss erkennbar“. 

In Bezug auf (Pump-)Speicherkraftwerke wiederum zeigt die Fachliteratur laut Afry „einen etwas geringer ausgeprägten Zusammenhang zwischen natürlichem Wasserdargebot (an den Ersatzpegeln) und Abfluss aus den Kraftwerken als bei den Laufkraftwerken.

Teilweise können die großen alpinen Speicher also einen Ausgleich zur natürlichen Variabilität ermöglichen. Zusätzlich zur menschlichen Speicherbewirtschaftung bieten die Gletscher in den Einzugsgebieten eine Wasserreserve, die in heißen und trockenen Phasen als natürlicher Ausgleich wirkt.“ 
 

Prognosen teils unsicher

Wie aber könnte sich die Zukunft gestalten? Hinsichtlich des Wasserdargebots sind die Prognosen unsicherer und weisen größere Unterschiede auf als jene bezüglich der tendenziell weiter steigenden Temperatur. Immerhin: „Großräumig ergeben die Projektionen über verschiedene Modellarten und -generationen hinweg aber ein konsistentes Bild: eine Zunahme des jährlichen Niederschlags nördlich der Alpen und einen Rückgang im südlichen Europa. Für die alpinen Gebiete Österreichs, die genau in der Übergangszone zwischen den gegenläufigen Trends liegen, entsteht daraus eine hohe Unsicherheit in den erwarteten Änderungen im mittleren und saisonalen Niederschlag.“ Bezüglich der Extremniederschläge prognostizieren die meisten Modelle einen Anstieg um etwa zehn bis 20 Prozent. Trockenperioden wiederum dürften im Winter und Frühling eher kürzer ausfallen als bisher, im Sommer und Herbst dagegen länger. Entsprechend kürzer ist mit durchgehenden Schneedecken zu rechnen, die überdies dünner ausfallen sollten als in der Vergangenheit. 

In den vergletscherten Gebieten dürfte die Schneeschmelze früher beginnen: „Der daraus folgende Anstieg des Gletscherabflusses kann dann zuerst den Rückgang des Schneeschmelzabflusses kompensieren (und auch den fehlenden Niederschlag in besonders heißen, trockenen Sommern). Ab einem bestimmten Rückgang des Eisvolumens geht dann allerdings auch der Abfluss aus der Gletscherschmelze zurück und damit auch, noch deutlicher, der Gesamtabfluss (vor allem auch in heißen, trockenen Sommern).“ Zwar fehlen der Studie zufolge „flächendeckende Abflusssimulationen speziell für Österreich mit größeren Ensembles neuer Klimamodellgenerationen“. Doch sind derartige Analysen im Gange und sollten in absehbarer Zeit vorliegen. Und grundsätzlich lässt sich absehen: „Sommerabflüsse nehmen ab, Winterabflüsse nehmen zu.“ 
 

Mehr Strom aus Wasserkraft im Winter, weniger im Sommer 

Daraus aber ergibt sich: Die Stromerzeugung von Laufwasserkraftwerken wird im Winterhalbjahr eher zunehmen, im Sommerhalbjahr dagegen zurückgehen. Dies wirkt sich positiv in einem erneuerbaren Stromsystem mit hohem PV Anteil aus, wo  im Sommer große Erzeugungsmengen geliefert werden und im Winter eine Erzeugungslücke entsteht. Generell hält die Studie fest: „Aufgrund der vermehrten Speicher-Abgabe und Erzeugung im Winter sowie des Kaskadeneffekts, bei dem die Abgabe von gespeichertem Wasser auch die Erzeugung der Laufwasserkraftwerke stromab erhöht, wird die Versorgungslücke in den Wintermonaten verringert. Die in Zukunft erwarteten Niederwasserperioden im Spätsommer und Frühherbst könnten die Erzeugung aus Laufwasserkraftwerken, aber auch die Erzeugung aus thermischen Kraftwerken aufgrund von fehlendem Kühlwasser reduzieren.“ 

Somit bestätigt die Studie im Wesentlichen die eingangs genannten Hypothesen, konstatiert Afry: Erstens wird sich die jährliche Stromerzeugung mittels der Wasserkraftwerke in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nicht signifikant ändern. Wie es in ferner Zukunft aussieht, ist hingegen stark davon abhängig, welches Szenario eintritt: „Für eine fernere Zukunft bei fortschreitendem Klimawandel ist tendenziell mit einem Rückgang des Abflusses zu rechnen. Die meisten Simulationen ergeben nur geringe zukünftige Änderungen, einzelne Klimamodelle weisen aber auch auf die Möglichkeit drastischerer Änderungen hin.“ Zweitens nimmt die Bedeutung der Wasserkraft für die Versorgungssicherheit zu. Zwar ist in den Sommermonaten mit einer geringeren Produktion zu rechnen, in den Wintermonaten dagegen mit einer höheren. Dies sollte der vielfach befürchteten „Deckungslücke“ erheblich entgegenwirken. Drittens können (Pump-)Speicherkraftwerke saisonale Effekte abfedern und Flexibilität für das Stromsystem bereitstellen. Viertens schließlich sind gerade (Pump-)Speicher geeignet, potenziell negative Auswirkungen von Starkregenereignissen zu verringern. „Kurze Starkregenereignisse im Einzugsgebiet der Speicher können durch die Speicher zurückgehalten werden und das Wasser kann zu späteren Zeitpunkten abgearbeitet werden, beispielsweise bei geringer Wind- und Photovoltaik-Erzeugung“, resümiert Afry.