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Sind die Strompreise das Problem?

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Eine Studie im Auftrag von Oesterreichs Energie untersucht die Rolle der Stromkosten in der Industrie. Wie groß ist das Problem und was kann dagegen getan werden?

Um die Diskussionen über das Niveau der Strompreise zu versachlichen, beauftragte die E-Wirtschaft das Beratungsunternehmen Prognos mit einer Studie.
Um die Diskussionen über das Niveau der Strompreise zu versachlichen, beauftragte die E-Wirtschaft das Beratungsunternehmen Prognos mit einer Studie.

Oesterreichs Energie nimmt die Kritik an den nicht zuletzt von Industriekunden bisweilen als zu hoch empfundenen Strompreisen sehr ernst und ist bestrebt, zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich beizutragen. Auch um die Diskussionen über das Niveau der Strompreise zu versachlichen, beauftragte der E-Wirtschafts­verband das Beratungsunternehmen Prognos mit der Studie „Internationaler Strompreisvergleich – Einordnung und Handlungsempfehlungen zu Stromkosten der österreichischen Industrie“. Diese zeigt, wie es sich mit den Preisen im internationalen Vergleich verhält und wodurch die diesbezüglichen Unterschiede bedingt sind. 

Bekanntlich bestehen die Strompreise, die die Endkundinnen und -kunden bezahlen, aus mehreren Komponenten. Als wichtigste davon gelten die Kosten für die elektrische Energie als solche (Strompreise), die Netzentgelte sowie Steuern, Abgaben und Umlagen. Die Großhandelsstrompreise bilden sich durch Angebot und Nachfrage an den Strombörsen.

Preisbestimmend ist jenes Kraftwerk, das gerade noch notwendig ist, um die Nachfrage zu decken. An den für Österreich wichtigsten Börsen wie der der EEX, der EPEX Spot, und der EXXA, ist dies häufig ein Gaskraftwerk. Somit ist die Entwicklung der Strompreise auch in Österreich wesentlich durch jene der Gaspreise beeinflusst. 

Im Detail führt Prognos dazu aus, Gaskraftwerke hätten am österreichischen Stromerzeugungsmix einen Anteil von lediglich rund zehn Prozent. Die dominante Produktionstechnologie sei die Wasserkraft mit etwa 60 Prozent. Aber: „Während die skandinavischen Länder mit ebenfalls sehr hohen Anteilen an Wasserkraft sehr niedrige Preise aufweisen, liegen diese in Österreich signifikant höher. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die tiefe Integration Österreichs in den europäischen Strommarkt. Österreich ist stark mit seinen Nachbarländern verflochten. Die Nachfrage aus dem Ausland führt dazu, dass in Österreich trotz hoher Wasserkraft­anteile oftmals Gaskraftwerke den Preis bestimmen. Würde beispielsweise die Nachfrage in Österreich so niedrig liegen, dass nur Wasserkraftwerke und Erneuerbare Energien den Preis bestimmen, hätte dies einen niedrigeren Strompreis in Österreich zur Folge. Sofern im Ausland die Preise höher lägen, würde so lange Strom aus Österreich importiert, bis sich die Preise im Ausland und Inland angeglichen haben oder bis alternativ die Importkapazitäten erschöpft sind.“ Prognos betont dabei ausdrücklich, dass die Einbindung Österreichs in den EU-Strombinnenmarkt nicht zwangsläufig ein Nachteil sei, was die Preise betrifft. Denn österreichische Kundinnen und Kunden können in Zeiten von hohen Windstromerzeugungen von günstigen Stromimporten aus z. B. Deutschland profitieren. 
 

Im Mittelfeld Europas 

EU-weit betrachtet, liegt Österreich hinsichtlich der Strompreise für die Industrie im Mittelfeld. Ein Unternehmen mit „mittlerem“ Strombedarf von etwa 0,5 bis zwei Gigawattstunden (GWh) pro Jahr hatte 2024 rund 19,9 Cent/Kilowattstunde (ct/kWh) zu bezahlen. Der EU-weite Durchschnitt belief sich auf 18,7 Cent. Höhere Preise als in Österreich fielen nicht zuletzt in Deutschland an, das den wichtigsten Absatzmarkt für heimische Betriebe darstellt. Gleiches galt für Italien, einen weiteren bedeutenden Handelspartner Österreichs.

Die niedrigsten Preise für die energieintensive Industrie in Europa wurden  in Schweden, Finnland und Frankreich verrechnet – Staaten mit einem hohen Anteil  an Kernkraft im Energiemix.
Die niedrigsten Preise für die energieintensive Industrie in Europa wurden in Schweden, Finnland und Frankreich verrechnet – Staaten mit einem hohen Anteil an Kernkraft im Energiemix.

Ein energieintensives österreichisches Unternehmen mit 70 bis 150 GWh Jahresbedarf wiederum musste 2024 mit rund 13,3 ct/kWh rechnen. Österreich lag damit ebenfalls leicht über dem EU-Durchschnitt. Auch in diesem Fall waren die Strompreise in Deutschland höher als in Österreich, das, so betrachtet, als durchaus wettbewerbsfähiger Standort anzusehen ist. 
Die niedrigsten Preise für die energieintensive Industrie in Europa wurden in Schweden, Finnland und Frankreich verrechnet – alles Staaten mit einem vergleichsweise hohen Anteil an Kernkraft an ihrem Erzeugungsmix. Das Land, in dem (nicht nur) die Industrie die mit Abstand höchsten Strompreise in ganz Europa zu bezahlen hat, gehört der EU übrigens gar nicht (mehr) an.

Es handelt sich um Großbritannien mit einem durchschnittlichen Strompreis für Unternehmen von 32 Euro ct/kWh. „Die Hauptgründe liegen in den hohen Anteilen der Stromerzeugung auf Basis von Erdgas sowie den geringen Übertragungskapazitäten in Verbindung mit dem Ausland“, erläutert Prognos.
 

USA: Nur scheinbar günstig

Immer wieder weisen Vertreter der Industrie auf die USA hin, wo die Strompreise mit durchschnittlich etwa acht ct/kWh einen Bruchteil der österreichischen ausmachen. Laut Prognos liegt dies „an den fundamental niedrigeren Gaspreisen, die aufgrund inländischer Förderung und der Unabhängigkeit von Gasimporten deutlich tiefer liegen. Vor 2021 waren die Gaspreise im Schnitt in Europa doppelt so hoch wie in den USA. Während der Energiekrise vervielfachte sich dieser Wert. Aktuell liegen die Gaspreise in Europa etwa viermal so hoch wie in den Vereinigten Staaten“. Wie das Beratungsunternehmen jedoch warnend betont, „weichen die mittleren Industriestrompreise in den einzelnen Bundesstaaten zum Teil erheblich vom Durchschnittspreis ab“. In Kalifornien beispielsweise, einem der am stärksten industrialisierten US-Staaten, liegen die Preise mit 19,9 ct/kWh über den österreichischen. Und das hat laut Prognos einen Grund, der den „Golden State“ als Standort für österreichische Unternehmen wohl eher kaum attraktiv erscheinen lassen dürfte: die „unterdimensionierte und veraltete Netzinfrastruktur. Die Ertüchtigung der veralteten Netzinfrastruktur sowie die Verlegung von Erdkabeln erfordert hohe Investitionen, die sich über die Netzentgelte im Strompreis niederschlagen“. 

Großbritannien ist mit 32 Euro ct/kWh das teuerste europäische Land, Österreich liegt im Mittelfeld.

Ohnehin ist in den gesamten USA die Qualität der Stromversorgung nicht mit den europäischen Standards vergleichbar. Der System Average Interruption Duration Index (SAIDI), der die durchschnittliche Dauer der Stromausfälle pro Kundin bzw. Kunde angibt, belief sich 2023 auf 342 Minuten, mehr als das Zehnfache der 32 Minuten, die in Österreich verzeichnet wurden. Für den als Wiege der US-amerikanischen Automobilindustrie bekannten Bundesstaat Michigan wird der SAIDI des Jahres 2023 mit 1.094 Minuten, also rund 18 Stunden, beziffert. „Für Industriebetriebe bedeutet dies, dass in den USA ein wesentlich höheres Risiko von Betriebsstörungen besteht. Für eine sichere Stromversorgung müssen Betriebe in den USA daher mit Mehrkosten zur Eigenversorgung rechnen, die im Notfall den Betrieb sicherstellt“, konstatiert Prognos. Mit anderen Worten: Der Strompreis pro Kilowattstunde ist ein alles andere als aussagekräftiger Indikator dafür, womit ein Unternehmen in den USA hinsichtlich seiner Versorgung mit elektrischer Energie tatsächlich zu rechnen hat. 
 

China: Strommarkt mit Fragezeichen 

Als weiteres Beispiel für ein Land, in dem die Strompreise für die Industrie erheblich unter den österreichischen liegen, wird oftmals die Volksrepublik China genannt. Ähnlich wie in den USA wurden 2024 auch dort rund acht ct/kWh verrechnet. Dies ist laut Prognos insofern bemerkenswert, als etwa 55 Prozent der chinesischen Stromerzeugung auf Kohlekraftwerke entfallen und der Preis für Kohle in den vergangenen Jahren massiv anstieg. Dies fand jedoch keinen Niederschlag in den Strompreisen für die Wirtschaft. Vielmehr „scheinen sich in China die Industriestrompreise zunehmend von den Kohlepreisen zu entkoppeln, da Anstiege der variablen Kosten für Kohle in den Jahren 2021/2022 sich nicht in den Strompreisen niederschlagen. Diese Entkopplung lässt den Schluss zu, dass Industriestrompreise in China über zusätzliche Instrumente oder Mittel aus anderen Quellen gedämpft werden. Hinsichtlich der Datenverfügbarkeit und der Transparenz ist China jedoch nicht mit Europa und den USA vergleichbar. Aus diesem Grund ist es nicht eindeutig feststellbar, wie diese Entkopplung zustande kommt“. Mit marktwirtschaftlichen Mitteln dürfte dies nicht notwendigerweise zu tun haben. 


Treffsicher unterstützen

Zu beachten ist bei all dem, dass die Aufwendungen für Energie bei weitem nicht für alle Unternehmen und Betriebe zu den wesentlichsten Kostenfaktoren gehören, stellt Prognos klar. Im österreichischen Durchschnitt liegen die Stromkosten für die Industrie auf einem Niveau, das etwa 0,9 Prozent des Umsatzes der Unternehmen entspricht. Verglichen damit macht der Personalkostenanteil etwa 19 Prozent aus, bei manchen Branchen sogar bis zu 32 Prozent: „Die Personalkosten nehmen im Vergleich mit den Stromkosten in der österreichischen Industrie im Allgemeinen eine deutlich größere Bedeutung ein. Für die gesamte Industrie sind die Personalkosten um etwa den Faktor 20 höher als die Stromkosten“, sagt Prognos. 

Zu rechnen ist freilich damit, dass im Zuge der „perspektivischen Elektrifizierung“ die Bedeutung der Stromkosten für die Unternehmen tendenziell steigt. Deshalb untersuchte das Beratungsunternehmen, welche Maßnahmen zur Kostendämpfung die Politik setzen könnte. Unter anderem analysierte Prognos Instrumente zur Steuersenkung, zur Einführung eines „Industriestrompreises“, wie er in Deutschland geplant ist, sowie einen „Gaspreisdeckel“. Als weitaus bestes Instrument erweist sich dem Beratungsunternehmen zufolge indessen die „Strompreiskompensation“ bzw. die Wiedereinführung des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes (SAG). Das Instrument ist treffsicher und adressiert jene Betriebe, in deren Produktion Stromkosten eine hohe Relevanz haben. Außerdem ist das Instrument einfach einzuführen und mit europäischem Recht vereinbar“.