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Roadmap für die Wasserstoffnutzung

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Welche Rolle „grüner“ Wasserstoff im österreichischen Stromsektor einnehmen kann, untersuchte das Beratungs­unternehmen Compass Lexecon im Auftrag von Oesterreichs Energie.

H2Future Gebäude
H2Future: Das Projekt von Verbund und Voestalpine gilt als eines der Leuchtturmprojekte
im Einsatz von grünem Wasserstoff in Österreich © voestalpine/Martin Eder

Im Herbst 2022 präsentierte Oesterreichs Energie seine „Stromstrategie 2040“. Sie beschreibt, was im Elektrizitätssektor notwendig ist, um das von der Bundesregierung angestrebte Ziel der „Klimaneutralität“ ab 2040 zu erreichen. Kurz gesagt, wird sich der Bedarf an elektrischer Energie in etwa verdoppeln. Daher muss auch die Ökostromproduktion verdoppelt werden. Leistungsseitig bedeutet das eine Verdreifachung der Erzeugungskapazitäten, womit, wie es in der Strategie heißt, „ein enormer Bedarf an weiterer Netzinfrastruktur, Speichern und Flexibilitäten einhergeht“. Welche Rolle dabei „grüner“, also durch die Elektrolyse von Wasser mit Ökostrom erzeugter Wasserstoff spielen kann, untersuchte das Beratungsunternehmen Compass Lexecon in einer Studie im Auftrag von Oesterreichs Energie, die den Titel „Roadmap für Wasserstoffnutzung im österreichischen Stromsektor“ trägt. 

Wie es einleitend heißt, entwickeln sich die Stromerzeugung und der Verbrauch „saisonal gegenläufig“. Gerade die zunehmend verwendeten Photovoltaikanlagen erzeugen Strom überwiegend im Sommerhalbjahr. Der höchste Strombedarf tritt dagegen im Winterhalbjahr auf. Österreich ist damit ein sogenannter „Winter Peaking Market“. Das aber bedeutet: Es ist notwendig, im Sommer nicht benötigten Ökostrom zu speichern und im folgenden Winter zu nutzen. Bei dieser „saisonalen Verschiebung“ könnte Wasserstoff der Studie zufolge dort ergänzend wirken, „wo Pumpspeicher an ihre Grenzen kommen. Es ist für Pumpspeicher gegebenenfalls profitabler, kurz- und mittelfristige Preisvariationen abzufahren. Wasserstoff könnte die Lösung für eine saisonale Stromspeicherung sein. Elektrolyseure könnten bei der Wasserstoffproduktion neben langfristiger Flexibilität auch mittelfristige und kurzfristige Flexibilitäten bereitstellen.“ 

An einschlägigen Technologien mangelt es nicht, erklärt Compass Lexecon. Wasserstofftaugliche Gasturbinen etwa können – auch in Form von Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK) – aus Wasserstoff Strom und Wärme erzeugen. Sie eignen sich sowohl für die Produktion von Grundlast als auch von Spitzenstrom. Elektrolyseure wiederum können je nach Technologie im Bandlastbetrieb produzieren oder flexibel auf Signale des Stromsystems reagieren und zur Steigerung der Flexibilität auch mit Wasserstoffspeichern kombiniert werden. 
 

Pilotprojekte im Gang 

In Österreich läuft bereits eine Reihe einschlägiger (Pilot-)Projekte. Beispiele sind der probeweise Einsatz von Wasserstoff im Wiener Gas- und Dampfkraftwerk Donaustadt, das Vorhaben der EVN, am Kraftwerksstandort Dürnrohr zwei wasserstofftaugliche Gasturbinen mit je 75 Megawatt (MW) Leistung zu installieren, sowie das Projekt PanHy des Verbunds und der Burgenland Energie. Die beiden Unternehmen errichten im Nordburgenland einen Elektrolyseur mit rund 60 MW Leistung, der etwa 9.000 Tonnen „grünen“ Wasserstoff pro Jahr erzeugen kann. In weiterer Folge ist der Ausbau auf 300 MW geplant. In Oberösterreich arbeitet die RAG mit mehreren Partnern an einem Wasserstoffspeicher. 

Für die Zeit nach 2030, die sogenannte „Skalierungsphase“, sind Produktionsanlagen für Strom und Wärme ebenso in Vorbereitung wie Elektrolyseure mit Netzanbindung und größervolumige Wasserstoffspeicher. Freilich: „Die Skalierungsphase ist abhängig von den Pilotprojekt-Resultaten, der Kostendegression der technologischen Entwicklungen und der Entwicklung der Wasserstoffinfrastruktur“, hält Compass Lexecon fest. Zu den Hürden für den kommerziellen Einsatz von Wasserstofftechnologien gehören unter anderem unklare Genehmigungs- und Zertifizierungsverfahren sowie Unbundlingvorschriften, der Mangel an Förderungen, aber auch der schwer abzuschätzende Bedarf etwa an Wasserstoffspeichern. 


Roadmap für Stromerzeugung

Ausgehend von dieser Analyse entwickelte Compass Lexecon drei Roadmaps, die sich mit der Stromerzeugung aus Wasserstoff, der Installation und dem Betrieb von Elektrolyseuren sowie mit Wasserstoffspeichern befassen. Laut der Roadmap für die Stromerzeugung werden in der Pilotphase „Forschungsprojekte zur Erprobung von Beimischung und später 100 Prozent-Wasserstoffverbrennung realisiert. Bei Erfolg wird die Beimischung gegebenenfalls skaliert, um Emissionen zu reduzieren bzw. es werden neue wasserstofftaugliche Gasturbinen (inklusive KWK) gebaut.“ Derzeit sind für die ausschließliche Nutzung von Wasserstoff geeignete Turbinen noch nicht auf dem Markt erhältlich. Mit grundsätzlichen technischen Problemen ist aber nicht zu rechnen. Ungewiss ist vorerst die Wirtschaftlichkeit, warnt Compass Lexecon: „Profitabilität ist jedoch die Voraussetzung für die Skalierung.“ Auf regulatorischer Seite gilt es, die Anforderungen an die Wasserstoffnetze sowie die Stromzertifizierungen noch in der Pilotphase zu klären. Mit dem zunehmenden Ausbau der volatilen erneuerbaren Stromerzeugung und der zunehmenden Elektrifizierung der Energieversorgung generell – Stichwort Elektromobilität, Stichwort Dekarbonisierung der Raumwärme – ist unter der Prämisse der zukünftigen Klimaneutralität des Energiesystems laut der Studie auch mit einem steigenden Bedarf an wasserstoffbasierter Stromproduktion zu rechnen. 
 

Elektrolyseure brauchen Projektfinanzierung

Der Roadmap zur Entwicklung der Elektrolyseure zufolge werden vorerst „Forschungsprojekte, Projekte für die Industrie sowie zur Behebung von Stromnetz-Engpässen entwickelt. Diese Anlagen werden dann mit flexiblem Betrieb skaliert. Langfristig sind bandbetriebene skalierte Elektrolyseanlagen denkbar.“ Vorhaben in der Pilotphase benötigen „in fast allen Fällen“ die Förderung durch die öffentliche Hand. In der Skalierungsphase ist die Verfügbarkeit von Fremdkapital-/Projektfinanzierungen entscheidend. Ausdrücklich warnt Compass Lexecon vor einer möglichen „Preiskannibalisierung im Regelleistungsmarkt“, der für die Betreiber von Elektrolyseuren eine wichtige Einnahmequelle wäre. Auf regulatorischer Seite ist Investitionssicherheit nötig, etwa was die Zertifizierung von „grünem“ Wasserstoff, technische Standards oder Netztarifierung betrifft. Ein zukünftiger Markt für Wasserstoff wird laut der Studie „zunächst weitgehend illiquide“ sein und auf Langfristverträgen basieren. Sobald die Leitungsinfrastruktur umfangreich ausgebaut wurde, kann jedoch ein liquider Markt entstehen.
 

Speicher „eher“ reguliert 

Gemäß der Roadmap zur Entwicklung der H2-Speicher werden in der Pilotphase Untergrundspeicher erprobt: „Große Elektrolyseure und H2-Gasturbinen erfordern absehbar zwingend Untergrundspeicher.“ In der Pilotphase untersuchen die Betreiber, inwiefern sich die Wasserstoffqualität im Zuge der Speicherung verändert. Jedenfalls gilt es, unerwünschte Rückwirkungen auf Anlagen, die mit dem Wasserstoff aus den Speichern betrieben werden, zu vermeiden. Damit Untergrundspeicher betrieben werden können, sind Wasserstoffleitungen nötig. Durch den Anschluss an ein zukünftiges Wasserstoff-Fernleitungsnetz stehen aber solche Speicher laut Compass Lexecon „absehbar auch in internationaler Konkurrenz“. Um Projektfinanzierungen und damit die Skalierung von Speicherprojekten zu ermöglichen, benötigt es jedoch mehr Klarheit zum zukünftigen Geschäftsmodell. Zurzeit läuft auf EU-Ebene die Klärung allfälliger Unbundlingvorschriften. Laut Compass Lexecon dürften Wasserstoffspeicher auf lange Sicht „eher reguliert werden. Die Ausgestaltung der Regulierung beeinflusst dabei die Finanzierbarkeit und damit die Skalierung der Projekte.“ Wie sich der Markt für die Wasserstoffspeicher entwickelt, hängt nach Einschätzung des Beratungsunternehmens „stark von den Wasserstoff-Anwendungen und der saisonalen Nachfrage ab“.