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Preisbildung im österreichischen Strommarkt

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Während der Energiekrise hielten die etablierten Stromlieferanten die Preise für ihre Bestandskundinnen und -kunden lange Zeit stabil und fingen Kundinnen und Kunden auf, deren Lieferanten den Markt verließen. Das zeigt eine Studie des Beratungsunternehmens e.venture consulting im Auftrag von Oesterreichs Energie. 

Strommast
Ruhe vor dem perfekten Sturm: Der starke Anstieg der Großhandelspreise für Strom begann bereits um die Jahresmitte 2021,
als die Nachfrage nach elektrischer Energie mit dem sich abzeichnenden Ende der COVID-19-Pandemie erheblich zunahm.

Seit dem massiven Anstieg der Großhandelspreise für Strom im Jahr 2022 stehen die Stromlieferanten in der öffentlichen Kritik. Nicht zuletzt wird ihnen – auch seitens der Politik – vorgeworfen, die Preiserhöhungen rasch an die Endkunden weitergegeben zu haben, sich bei der Weitergabe der mittlerweile wieder rückgängigen Großhandelspreise dagegen zögerlich zu verhalten. Bekanntlich hat die Bundeswettbewerbsbehörde mit Unterstützung der Regulierungsbehörde E-Control eine Branchenuntersuchung eingeleitet.

Die Elektrizitätswirtschaft weist die Vorwürfe indessen klar zurück – zu Recht, wie eine Studie des Beratungsunternehmens e.venture consulting im Auftrag von Oesterreichs Energie belegt. Geschäftsführer von e.venture ist der bekannte Energieexperte Florian Haslauer, der lange Zeit für A. T. Kearney in Österreich tätig war. Mit seiner Analyse lassen sich die höheren Endkundenpreise mit den gestiegenen Großhandelspreisen und daher mit den angewachsenen Beschaffungskosten erklären. Der Anstieg der Preise für die Endkundinnen und -kunden in Österreich war mit den Entwicklungen in anderen europäischen Ländern vergleichbar. Teilweise erhöhten sich die Endkundenpreise weniger stark als im Ausland, etwa in Deutschland, Dänemark, Italien, den Niederlanden und der Tschechischen Republik. Als alternative Anbieter auf dem Höhepunkt der Krise den österreichischen Strommarkt verließen, nahmen die etablierten Versorger die betroffenen Kundinnen und Kunden auf und gewährleisteten deren Versorgung mit elektrischer Energie. Insgesamt betrachtet, haben sich die österreichischen Stromlieferanten in der Krise somit verantwortungsbewusst verhalten und die Preise, soweit möglich, stabilisiert.

„Perfekter Sturm“Im Detail argumentiert Haslauer in seiner Studie wie folgt: Der starke Anstieg der Großhandelspreise für Strom begann bereits um die Jahresmitte 2021, als die Nachfrage nach elektrischer Energie, aber auch nach Erdgas gerade in der Industrie mit dem sich abzeichnenden Ende der COVID-19-Pandemie erheblich zunahm. Die Gaslieferungen aus Russland genügten zwar, um den aktuellen Bedarf zu decken, nicht jedoch, um – wie gewohnt – die Speicher im Sommer für die kommende kalte Jahreszeit wieder aufzufüllen. Mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine Ende Februar 2022 verschärften sich die Probleme mit den Gaslieferungen. Folglich stiegen die Großhandelspreise für Gas rapide an.

Umspannwerk
Strompreise: Auf Österreich wirkt sich auch die sogenannte „Preiszonentrennung“ erschwerend aus.

Da jedoch Gaskraftwerke für die Sicherheit der Stromversorgung unverzichtbar sind, konnte dies nicht ohne Auswirkungen auf die Großhandelspreise für elektrische Energie bleiben, die sich daher ebenfalls erhöhten. Hinzu kam die geringe Wasserführung der (mittel-)europäischen Flüsse. Damit verringerte sich die Stromerzeugung der Laufwasserkraftwerke, die in Österreich traditionell das Rückgrat der Bereitstellung elektrischer Energie bilden. Zusätzlich wurde es mit dem niedrigen Wasserstand großer Flüsse in Deutschland schwieriger, Kohlekraftwerke mit dem notwendigen Brennstoff zu versorgen.

Dies trug ebenfalls zu Unsicherheiten bezüglich des Stromangebots und zur Erhöhung der Großhandelspreise für Strom bei. Zu beachten ist dabei, dass die Energieunternehmen für den Einsatz kalorischer Kraftwerke, die mit Kohle, Erdgas und – wenn auch nur mehr in geringem Ausmaß – mit Erdöl betrieben werden, Emissionszertifikate (EU Allowances, EUAs) kaufen müssen. Es war daher nur konsequent, dass die Preise für diese Zertifikate, bekannt auch als „CO2-Preise“, ebenfalls stiegen. Damit nicht genug, verzeichnete etwa die Hälfte der französischen Kernkraftwerke technische Mängel. Um diese zu beheben, war es notwendig, die Reaktoren im Spätsommer und Frühherbst 2022 zeitweise vom Netz zu nehmen – mit unklaren Aussichten, wann sie die Stromerzeugung wieder aufnehmen können würden. 

Mit einem Wort: Es war laut Haslauer ein „perfekter Sturm“, den die Energiewirtschaft und deren Kundinnen und Kunden in ganz Europa abzuwettern hatten. Seinen Höhepunkt erreichte dieser „perfect Storm“ im August 2022, als auf den europäischen Strombörsen Preise von 600 Euro/Megawattstunde (MWh) verzeichnet wurden – mit Spitzen, die um die 1.000 Euro/MWh betrugen. 
 

Unterschiedlich betroffen

Auf Österreich wirkt sich ferner die sogenannte „Preiszonentrennung“ erschwerend aus. Seit 1. Oktober 2018 können Stromimporte aus Deutschland nicht mehr unbegrenzt erfolgen. Daher ist das durchschnittliche Preisniveau in Österreich höher als in Deutschland. In den Jahren 2018 bis 2020 belief sich der Unterschied auf etwa zwei Euro/MWh, 2021 waren es zehn Euro/MWh, 2022 dagegen nicht weniger als 26 Euro/MWh. Die Werte für heuer dürften niedriger ausfallen, stehen aber noch nicht fest. 

Die Endkunndinnen und -kunden waren von den Entwicklungen im Großhandel mit elektrischer Energie unterschiedlich betroffen, zeigt die Studie von e.venture.

Die Endkunden waren von den Entwicklungen im Großhandel mit elektrischer Energie unterschiedlich betroffen, zeigt die Studie von e.venture. Den Strom für ihre Bestandskundinnen und -kunden beschaffen die Versorger zumeist mit einer relativ langen Vorlaufzeit von etwa 24 Monaten. Somit schlagen Marktpreisänderungen bei dieser Kundengruppe vergleichsweise spät durch. Dies gilt sowohl bei einem Anstieg der Preise wie auch bei einem Rückgang. Der Strom für die Neukundinnen und -kunden muss dagegen kurzfristiger beschafft werden. Manchmal beträgt die Vorlaufzeit nur einen Tag. Deshalb ist dieses Kundensegment „stärker von aktuellen Marktentwicklungen abhängig“, heißt es in der Studie. Das ist der Grund, weshalb die Preise für die Bestandskundinnen und -kunden vom Spätherbst 2021 bis zum beginnenden Frühjahr 2023 – teils erheblich – niedriger waren als die Preise für Neukundinnen und -kunden. 
 

Handel unverzichtbar 

Warum aber handeln die Versorger überhaupt mit Strom, wenn sie doch selbst solchen erzeugen? Ist dies nicht „Spekulation“, die letztlich zulasten der Kundinnen und Kunden geht, wie der E-Wirtschaft immer wieder vorgeworfen wird? Keineswegs, stellt die Studie klar. Ihr zufolge ist die Notwendigkeit des Stromhandels durch die unterschiedlichen Strukturen des Angebots und der Nachfrage bedingt. Aufgrund technischer Gegebenheiten sowie von Schwankungen der Nachfrage ist es den Versorgern nicht möglich, zu jedem Zeitpunkt den von den Kundinnen und Kunden benötigten Strom mit eigenen Anlagen bereitzustellen. Aus diesem Grund lässt sich der Handel mit elektrischer Energie nicht vermeiden. 

Im Zuge der dramatischen Entwicklung sahen sich die Stromversorger dabei mit folgender Herausforderung konfrontiert: Die Betreiber der Börsen verlangen von ihnen Sicherheitsleistungen („Margin Calls“) zur Abwicklung der jeweils gewünschten Transaktionen. Diese sind umso höher, je höher das aktuelle Niveau der Börsenpreise ist. In Extremfällen wie im August 2022 kann es daher notwendig sein, Beträge im hohen dreistelligen Millionen-Euro-Bereich bei der Börse zu hinterlegen. Entsprechend hoch ist der Liquiditätsbedarf der Versorger. Dazu kommt: Erreichen die Preise extreme Höhen, versuchen Kunden, ihren Strombedarf zu verringern. Es kann daher geschehen, dass ein Versorger für seine Kundinnen und Kunden eingekaufte elektrische Energie nicht an diese weitergeben kann, sondern sie – wiederum im Großhandel – verkaufen muss. Gerade für Haushaltskundinnen unnd -kunden übernehmen die Versorger laut der Studie „somit Beschaffungsrisiken, insbesondere Preis- und Mengenrisiken“. Auch dies schlägt sich letztendlich in den Preisen für die Endkundinnen und -kunden nieder. 

„Durch die Übernahme von ca. 110.000 Kundinnen und Kunden haben die lokalen Lieferanten einen wesentlichen Beitrag zur Versorg­ungssicherheit dieser Verbraucherinnen und Verbraucher geleistet.“

Bei ihren Handelsaktivitäten verfolgen die einzelnen Stromlieferanten unterschiedliche Strategien. Dies erklärt die Unterschiede bei der Weitergabe der Großhandelspreise an die Endkundinnen und -kunden, stellt die Studie von e.venture klar. 

Grundsätzlich aber stiegen „die Endkundenpreise infolge der Energiekrise bei allen Stromlieferanten“. Festzustellen ist eine gewisse Abhängigkeit der Entwicklung der Preise vom Österreichischen Strompreisindex (ÖSPI), der die Bewegungen an wichtigen europäischen Strombörsen wiedergibt. Der ÖSPI dient in manchen Endkundenverträgen als Richtwert für Preisanpassungen. 
 

Wesentlicher Beitrag zur Versorgungssicherheit  

Festzuhalten ist, dass infolge der stark steigenden Großhandelspreise im Jahr 2022 sogenannte „Billigangebote“ vom Markt verschwanden. Die Anbieter sahen sich gezwungen, ihre Preise entsprechend der Entwicklungen an den Börsen zu erhöhen. „Dadurch waren Bestandskundenangebote günstiger als Neukundenangebote“, heißt es in der Studie. Dennoch wechselten im Verlauf des Jahres etwa 115.000 Haushalte ihren Stromversorger. Laut der Studie „ist davon auszugehen, dass der größte Teil dieser Versorgerwechsel unfreiwillig geschah – aufgrund der Insolvenzen und dem Versorgungsstopp von alternativen Anbietern. Die Belieferung der Haushaltskunden, die vom Versorgungsstopp ihrer alternativen Anbieter betroffen waren, wurde von den lokalen Stromlieferanten übernommen. Dabei wurden die Preise der Bestandskundinnen und -kunden angesetzt, wodurch es zu erheblichen finanziellen Einbußen bei den lokalen Stromlieferanten gekommen ist.“ 

Dies war dadurch bedingt, dass die etablierten Versorger den Strom zur Belieferung ihrer mehr oder weniger unfreiwilligen Neukundinnen und -kunden zu den damals herrschenden extrem hohen Großhandelspreisen kurzfristig nachbeschaffen mussten. Sie waren jedoch nicht in der Lage, die ihnen daraus entstehenden Kosten an die neuen Kundinnen und Kunden durchgängig weiterzuverrechnen. „Durch die Übernahme von ca. 110.000 Kundinnen und Kunden haben die lokalen Lieferanten einen wesentlichen Beitrag zur Versorgungssicherheit dieser Verbraucherinnen und Verbraucher geleistet“, hält die Studie fest.