Potenzial-Analyse für den Photovoltaik-Ausbau
Theoretisch könnten auf Österreichs Gebäuden PV-Anlagen mit fast 60 TWh Jahreserzeugung installiert werden. Realisierbar ist aber kaum ein Fünftel davon. Freiflächenanlagen sind deshalb unverzichtbar, zeigt eine Studie im Auftrag von Oesterreichs Energie.
Bereits 2020 hatte Hubert Fechner, der Obmann der Technologieplattform Photovoltaik (TPPV), im Auftrag von Oesterreichs Energie die Flächenpotenziale für die Installation von Photovoltaikanlagen erhoben. Mittlerweile verankerte Österreich im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) das Ziel, seinen Strombedarf ab 2030 bilanziell vollständig mit Erneuerbaren Energien zu decken. Dazu wäre es notwendig, die Produktion elektrischer Energie mit PV-Anlagen um elf Terawattstunden (TWh) zu steigern, dem Integrierten Netzinfrastrukturplan (ÖNIP) zufolge sogar um 21 TWh.
Ferner sind die Kosten für die Module deutlich gesunken. Oesterreichs Energie beauftragte Fechner daher, die Potenziale neuerlich zu erheben und besonders die Möglichkeiten zur Anbringung von PV-Anlagen an Gebäuden bis 2040 in den Blick zu nehmen. Seit kurzem liegt das Ergebnis in Form der Studie „Photovoltaik-Potentiale im Gebäudesektor in Österreich bis 2040 und Abschätzung der Photovoltaik-Potentiale auf weiteren Infrastrukturen“ vor. Wie Fechner darin feststellt, würde die gemäß NIP langfristig für 2040 geplante Steigerung der Stromerzeugung durch PV-Anlagen „einer PV-Modulleistung von zumindest 45 bis 50 GW entsprechen“.
Wegen der gesunkenen Modulpreise ist es mittlerweile wirtschaftlich sinnvoll, PV-Anlagen auch auf Flächen zu installieren, die vor einigen Jahren noch nicht genutzt werden konnten.
Oesterreichs Energie erwartet im Vergleich einen PV-Ausbau bis 2040 auf rund 30 Gigawatt (GW). Angesichts des PV-Ausbaus in den vergangenen beiden Jahren – 2022 belief sich dieser auf mehr als ein GW, 2023 sogar auf 2,6 GW – hält Fechner einen jährlichen Zubau von ein bis zwei GW denkbar. Dies ließe „die oben angeführten Ziele durchaus realistisch erscheinen, sofern auftretende Barrieren in der weiteren Entwicklung frühzeitig erkannt und entfernt werden. Es ist daher unumgänglich, klare Strategien zu entwickeln, wie die Photovoltaikzukunft in Österreich zu gestalten ist“.
In der Studie werden folgende Arten von Flächen erfasst:
- Wohn- und Bürogebäude, Gebäude für Gewerbe, Industrie, Kultur, Freizeit, Gesundheit, Infrastrukturbetreiber, … sowie Hallen (Landwirtschaft, Gewerbe, Industrie, …)
- Deponien
- Verkehrsflächen (Parkflächen, Schallschutz, …)
- Schwimmende PV („Floating PV“)
- Militärflächen
- Konversionsflächen
Nicht berücksichtigt wird, was umsetzbar wäre, wenn sich die rechtlichen, regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen signifikant ändern würden. „Ziel ist eine Analyse, welche PV-Potentiale im Bereich der gebauten Infrastrukturen aktuell in Österreich tatsächlich vorliegen und welcher Anteil der bis 2040 erforderlichen 30 GW bzw. 41 TWh bei aktuellen Rahmenbedingungen innerhalb der oben aufgezählten Flächenkategorien realistisch erreicht werden kann“, heißt es in der Studie. Rund 30 GW sind jener Wert, mit dem Oesterreichs Energie für 2040 rechnet. Auf etwa 41 GW lauten demgegenüber die Schätzungen im Österreichischen Integrierten Netzinfrastrukturplan (ÖNIP).
Physik und Soziales
Fechner schätzt in der Studie mehrere Potenziale ab. Als „physikalisch-theoretisches PV-Gebäudepotenzial“ bezeichnet er sämtliche einschlägigen Flächen mit einer solaren Einstrahlung von mehr als 800 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m² und Jahr). Als „technisches Potenzial“ wiederum gilt jener Teil des physikalisch-theoretischen Potenzials, „der unter Berücksichtigung der vor Ort gegebenen technischen Restriktionen nutzbar ist“. Im „wirtschaftlichen Potenzial“ sind die Areale erfasst, auf denen die Gesamtkosten für die Erzeugung von Strom mit PV-Anlagen „in der gleichen Bandbreite liegen wie die Kosten konkurrierender Systeme. Die Bestimmung des wirtschaftlichen Potenzials ist von Annahmen und schwankenden Einflussparametern abhängig (z. B. Investitionskosten, Strommarktpreis, Zinssatz, Abschreibungsdauer, Förderungen, Preisentwicklungen etc.)“. Unter dem Begriff „erwartetes/bis 2040 realisierbares Potenzial“ erfasst Fechner schließlich den Teil des wirtschaftlichen Potenzials, dessen Realisierung gesellschaftlich akzeptiert bzw. möglich wird. Berücksichtigt wird dabei „die positive oder negative Haltung von Individuen oder Gruppen gegenüber einem Energieträger, die nicht technisch, ökologisch oder wirtschaftlich begründet ist (z. B. die generelle Einstellung gegenüber Erneuerbaren Energien/Photovoltaik, und die Zahlungsbereitschaft bzw. Investitionsfähigkeit im diskutierten Zeitraum bis 2040)“. Fechner spricht in der Studie diesbezüglich von „sozialer Realisierbarkeit“.
Ausdrücklich betont Fechner, dass all diese Potenziale Veränderungen unterliegen. So könnte sich das physikalisch-theoretische Potenzial erheblich erhöhen, wenn beispielsweise die Wirkungsgrade der Module deutlich zunehmen. Bei den technischen Potenzialen sind unter anderem die „Lockerung des Denkmal- bzw. Ensembleschutzes“ sowie „Modul-Neuentwicklungen wie spezielle Leichtbaumodule oder marktfähige photovoltaische Fensterverglasungen“ zu berücksichtigen. Die wirtschaftlichen Potenziale können anwachsen, wenn sich die Strompreise, die Einspeisetarife sowie die Investitionskosten entsprechend ändern.
Dagegen sind „weitere Rückgänge bei Modulkosten gegenwärtig nicht zu erwarten und würden voraussichtlich durch tendenziell steigende andere Kostenfaktoren (Planungs- und Errichtungskosten, Netzkosten etc.) kompensiert“. Das „erwartete/bis 2040 realisierbare Potenzial“ schließlich unterliegt Veränderungen im Einklang mit der sozialen Akzeptanz, die Fechner in der Studie für den Zeitraum bis 2040 als „konstant“ annimmt.
Etliche Anreize
Wie es in der Studie heißt, ergaben sich in den vergangenen Jahren für die Stromkundinnen und -kunden verstärkte Anreize, die benötigte elektrische Energie selbst herzustellen. Dazu gehören unter anderem der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel sowie „vereinfachte Förder- und Genehmigungsprozesse“, darunter das Aussetzen der Mehrwertsteuer auf Anlagen mit bis zu 35 kWp bis Ende 2025. Wegen der gesunkenen Modulpreise ist es mittlerweile wirtschaftlich sinnvoll, PV-Anlagen auch auf Flächen zu installieren, die vor einigen Jahren noch nicht genutzt werden konnten. Dazu zählen sogenannte „Vertikalanwendungen“ etwa auf Schall- und Sichtschutzwänden. Auch gibt es „für objekt- oder denkmalgeschützte Bereiche PV-Lösungen, die durch Form- und Farbgebung als akzeptabel eingestuft werden“. Positiv wirken sich ferner neue Nutzungs- und Vermarktungsmöglichkeiten für Strom aus, der zum Zeitpunkt seiner Erzeugung vom Produzenten nicht benötigt wird („Überschussenergie“ bzw. „Überschussstrom“). Technisch gesehen betrifft dies etwa Batteriespeicher („Heimspeicher“), E-Ladestationen und den Betrieb von Wärmepumpen, organisatorisch unter anderem Energiegemeinschaften sowie den Direktverkauf.
Dazu kommt, dass sich die Wirkungsgrade der PV-Module in den vergangenen Jahren erheblich verbessert haben. Laut der Studie kommen auf dem Markt erhältliche Standardmodule nunmehr auf 20 bis 22 Prozent, Hochleistungsmodule erreichen noch höhere Werte. Damit aber geht der Flächenbedarf pro Leistungseinheit zurück. Grundsätzlich stehen in Österreich drei Gebäudekategorien zur Verfügung: Ein- und Zweifamilienhäuser mit 321 Quadratkilometern (km²) Gesamtdachfläche, Mehrfamilienhäuser und sonstige Gebäude (darunter Büros, Geschäfte, Kultur-, Freizeit- und Gesundheitseinrichtungen sowie Verkehrsbauten) mit 308 km² und schließlich Industriehallen, landwirtschaftliche Hallen sowie Nutzgebäude mit 142 km².
Begrenzte Potenziale
Daraus errechnen sich folgende physikalisch-theoretischen Potenziale: Auf Ein- und Zweifamilienhäusern ließen sich bei einem Systemwirkungsgrad von 17 Prozent rund 30 TWh/Jahr (TWh/a) erzeugen, auf Mehrfamilienhäusern und sonstigen Gebäuden etwa 31,5 TWh/a, auf industriellen sowie landwirtschaftlichen Dächern und Hallen 20,3 TWh/a, an Fassaden schließlich 14,7 TWh. Somit würde das physikalisch-theoretische Gesamtpotenzial rund 96,5 TWh/a betragen. Allerdings ist dabei der Studie zufolge ein dimensionsloser „PV-Technologie-Nutzungsfaktor“ von 0,6 zu berücksichtigen, der sich aus Faktoren wie den Standard-Modulgrößen, den Modulrahmen, den erforderlichen Randabständen, den Begehbarkeiten sowie sicherheitstechnischen Fragen ergibt. Somit beträgt das physikalisch-theoretische Gesamtpotenzial etwa 57,9 TWh/a.
Ferner sind statische und elektro- sowie sicherheitstechnische Vorgaben ebenso zu beachten wie die Flächenkonkurrenz (Dachbegrünung, Solarthermie etc.) sowie der Denkmal-, Ortsbild- und Ensembleschutz. Daraus errechnet sich ein technisches Potenzial von 36,2 TWh/a. Die Einbeziehung ökonomischer Faktoren wie der Möglichkeiten zur Verwertung des Überschussstroms führt zum wirtschaftlichen Potenzial, das in der Studie mit 26,8 TWh/a beziffert wird. Eine weitere Verminderung dieses Potenzials erwächst aus sozialen Kategorien. Somit dürfte sich das realisierbare Potenzial auf 14,4 bis 17,8 TWh/a belaufen. Der Studie zufolge ist davon auszugehen, dass auf Dächern und Fassaden aller Art bisher PV-Anlagen mit einer kumulierten Leistung von 5,5 TWh installiert wurden, was rund 87 Prozent der Gesamtleistung aller PV-Anlagen in Österreich entspricht. Damit verbleibt auf den Gebäuden ein noch vorhandenes Potenzial von 9,0 bis 12,4 TWh/a, das arithmetische Mittel liegt bei 10,7 TWh/a. In engen Grenzen halten sich die Potenziale auf Deponien (0,85 TWh/a) sowie im Verkehr (1,4 bis 2,0 TWh/a). Die Potenziale auf Militär- und Konversionsflächen lassen sich nicht realistisch abschätzen.
Ausblick
Damit aber ist klar, dass die aktuellen Potenziale im Gebäudebereich nicht genügen, um die Ausbauziele zu erreichen. Für die Freiflächen-PV bzw. die Kombination mit agrarischer Nutzung (Agri-PV) verbleiben daher umfassend zu nutzende Potenziale, die etwa 50 Prozent der für die Erreichung der nationalen Klimaneutralität notwendigen PV-Leistung erreichen müssen. Speziell Agri-PV wird viele positive Synergien bringen und kann bei Erhalt der grundsätzlich hohen Akzeptanz der PV-Technologie die heimische Wertschöpfung deutlich steigern. Also „wird es in allen Flächenkategorien eine Vervielfachung der installierten Leistung benötigen und die Rahmenbedingungen sollten so gesetzt werden, dass in allen Segmenten ein beständiger und planbarer Hochlauf erfolgen kann“.
Abschließend gibt Fechner in der Studie einen Ausblick auf die Herausforderungen bis 2040 und stellt fest, dass es in den kommenden Jahren gelte „möglichst alle mobilisierbaren Flächenkategorien parallel zu erschließen, damit einzelne Konzentrationseffekte vermieden werden und den Errichtungsfirmen eine kontinuierliche Entwicklung ihrer Geschäftsmodelle ermöglicht wird. Kurzfristige Boomphasen, etwa im Bereich der Aufdachanlagen, die anschließend in längere Stagnationsphasen münden, reduzieren die Potenziale für heimische Wertschöpfung sowie die Möglichkeit, heimische Fachkräfte an den wachsenden Markt heranzuführen und auszubilden. In Hinblick auf die Zielsetzungen für 2040 wird es in allen Flächenkategorien eine Vervielfachung der installierten Leistung brauchen und die Rahmenbedingungen sollten so gesetzt werden, dass in allen Segmenten ein beständiger und planbarer Hochlauf erfolgen kann.“
Zur Studie
Photovoltaik-Potentiale im Gebäudesektor in Österreich bis 2040 | 3 MB |