Positionspapier zur Reform des Strommarktdesigns
Rahmenbedingungen und Herausforderungen für den Strommarkt in Österreich
Österreich hat sich ehrgeizige Ziele für die Energie- und Klimapolitik gesetzt. Die 100%ige national bilanzielle Deckung des Gesamtstromverbrauchs ab dem Jahr 2030 durch erneuerbare Energiequellen spielt dabei eine wichtige Rolle. Dazu ist ein Ausbau der jährlichen Stromerzeugung bis 2030 von 27 TWh nötig. Davon entfallen 11 TWh auf Photovoltaik, 10 TWh auf Wind, 5 TWh auf Wasserkraft und 1 TWh auf Biomasse. Eine notwendige Voraussetzung für den Ausbau ist ein stabiles, vorhersehbares Investitionsklima.
Neben Wind und PV spielt auch Wasserkraft in Österreich eine wichtige Rolle bei der Energiewende. Mehr als die Hälfte der Stromerzeugung entfällt auf Wasserkraft – sie leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erneuerbaren Ausbauziel. Die österreichischen Pumpspeicherkraftwerke haben als „grüne Batterien“ kurz- und mittelfristige Flexibilitäten, um Wind und PV ins Energiesystem optimal zu integrieren.
Die Rolle als „grüne Batterien“ beschränkt sich nicht nur auf Österreich, sie ist grenzüberschreitend. Deswegen ist Zusammenarbeit des österreichischen Strommarkts mit den Nachbarländern von großer Bedeutung. Die Trennung der gemeinsamen Gebotszone mit Deutschland im Oktober 2018 stellte einen Einschnitt für die Integration dar, der sich vor allem in einem illiquiden österreichischen Terminmarkt äußert. Jede Weiterentwicklung des europäischen Strommarktdesigns muss auch die Integration nationaler Märkte adressieren und einen stabilen Rahmen für die Umsetzung der ehrgeizigen Ziele der Energie- und Klimapolitik geben.
Der Vorschlag zum Energiemarktdesign wird grundsätzlich begrüßt, allerdings besteht noch Nachbesserungsbedarf.
Oesterreichs Energie begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine zielgerichtete Weiterentwicklung des Strommarktdesigns, um einerseits die Klimaneutralität zu erreichen und andererseits die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit für Verbraucher:innen zu garantieren. Der Verzicht auf tiefe Eingriffe in bewährte Preis- und Marktmechanismen ist richtig, denn bei allen Reformvorschlägen darf man Eines nicht übersehen: Die hohen Strompreise sind nicht auf ein Versagen des Strombinnenmarktes zurückzuführen. Die Ursache der zum Teil enorm gestiegenen Großhandelspreise war die Verknappung des Energieangebots infolge des Gaslieferstopps durch Russland. Die Energiepreisstabilisierung und die Versorgungssicherheit sollten daher klar voneinander getrennt werden. Deshalb ist es auch richtig, dass der Kommissionsvorschlag nicht in den Preisbildungsmechanismus von Angebot und Nachfrage eingreift. Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass die Marktteilnehmer:innen das Vertrauen in die Effizienz des Marktes behalten. Und das kommt letztlich den Endkund:innen zugute.
Damit aber die drei von der EU-Kommission erklärten Ziele von „mehr erneuerbaren Energien, mehr Verbraucherschutz und mehr Wettbewerbsfähigkeit“ erreicht werden können, müsste man einige Vorschläge noch verbessern.
Marktmechanismus – Beibehaltung der Merit Order und keine Eingriffe in den Preisbildungsmechanismus
Merit Order mit Pay-as-Cleared dient als eine Grundlage für die Preisbildung auf dem Day-ahead-Markt, und das sichert den optimalen Einsatz der verfügbaren Kraftwerkskapazitäten. Es ist zugleich auch das Standardmodell für die Preisbildung eines homogenen Gutes (z. B. solchen wie „Strom“). Durch dieses Modell werden strategischen Anreize zur Gebotserhöhung limitiert und die richtigen Knappheitspreissignale an die Marktteilnehmer:innen gesendet. So führt es entweder zu Nachfrageanpassungen bei den Endverbraucher:innen und/oder zu Investitionssignalen für neue Kapazitäten. Der optimale Einsatz der verfügbaren Kraftwerkskapazitäten verhindert Marktverzerrungen und bewirkt zusätzlich, dass möglichst viele erneuerbare Anlagen tatsächlich auch Strom erzeugen und der CO2-Ausstoß minimiert wird.
Das EMD belässt den Preisbildungsmechanismus in Kurzfristmärkten. Das ist sinnvoll, weil der aktuelle „Day-ahead flow-based market coupling“-Mechanismus durch eine mehrjährige und intensive Zusammenarbeit aller Marktteilnehmer:innen entwickelt wurde und sich bewährte. Zur Erhöhung der Liquidität an den Kurzfristmärkten sollen potenzielle Barrieren für die Teilhabe von Marktteilnehmer:innen reduziert werden. Zusätzlich soll der Gate-Closure-Zeitpunkt für Intraday-Handel (Art. 8 BMVO) so nah wie möglich an die Echtzeit gebracht werden. Ab dem Jahr 2028 soll der zonenübergreifende Intraday-Handel frühestens 30 Minuten vor Beginn der jeweiligen Marktzeiteinheit schließen. Diese Maßnahme bietet zusätzlichen zonenübergreifenden Ausgleich von Stromknappheit und Stromüberschüssen sowie eine bessere Integration variabler erneuerbarer Erzeuger über die Gebotszonen hinweg. Eine Umsetzung dieser Maßnahme noch vor dem 1. Jänner 2028 ist aus Sicht von Oesterreichs Energie wünschenswert . Der Vorschlag einer verpflichtenden Reduktion der Mindestgebotsgröße auf 100 kW oder weniger wird allerdings kritisch gesehen. Die Entscheidung dazu sollte bei den nominierten Strommarktbetreibern („NEMO“) liegen.
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