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Positionspapier zur Reform des Strommarktdesigns

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Rahmenbedingungen und Herausforderungen für den Strommarkt in Österreich

Österreich hat sich ehrgeizige Ziele für die Energie- und Klimapolitik gesetzt. Ein wichtiges Element ist dabei die 100% national bilanzielle Deckung des Gesamtstromverbrauchs ab dem Jahr 2030 durch erneuerbare Energiequellen. Dazu ist ein Ausbau der jährlichen Stromerzeugung bis 2030 von 27 TWh erforderlich, wovon 11 TWh auf Photovoltaik, 10 TWh auf Wind, 5 TWh auf Wasserkraft und 1 TWh auf Biomasse entfallen. Eine stabiles und vorhersehbares Investitionsklima ist für den Ausbau eine notwendige Voraussetzung.

Neben Wind und PV kommt der Wasserkraft in Österreich eine wichtige Rolle im Rahmen der Energiewende zu. Mehr als die Hälfte der Stromerzeugung entfällt auf Wasserkraft. Die grundlastfähige Laufwasserkraft leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erneuerbaren Ausbauziel und die großen Leistungen der österreichischen Pumpspeicherkraftwerke, welche noch Ausbaupotential haben, liefern als „grüne Batterien“ kurz- und mittelfristige Flexibilitäten zur optimalen Integration von Wind und PV in das Energiesystem.

Die Rolle als „grüne Batterie“ beschränkt sich nicht nur auf Österreich, sondern ist grenzüberschreitend zu sehen. Das unterstreicht die Bedeutung der Integration des österreichischen Strommarkts mit den Nachbarländern. Die Trennung der gemeinsamen Gebotszone mit Deutschland im Oktober 2018 stellte einen erheblichen Einschnitt für die Integration dar, der sich insbesondere in einem illiquiden österreichischen Terminmarkt äußert. Jede Weiterentwicklung des europäischen Strommarktdesigns muss auch die Integration nationaler Märkte adressieren und einen stabilen Rahmen für die Umsetzung der ehrgeizigen Ziele der Energie- und Klimapolitik geben.
 

Vorschlag zum Energiemarktdesign grundsätzlich begrüßt, allerdings besteht noch Nachbesserungsbedarf

Oesterreichs Energie begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine zielgerichtete Weiterentwicklung des Strommarktdesigns, um das Ziel der Klimaneutralität bei gleichzeitiger Wahrung sowohl der Versorgungssicherheit als auch der Bezahlbarkeit für Verbraucher:innen erreichen zu können. Der Verzicht auf ursprünglich angedachte tiefe Eingriffe in bewährte Preis- und Marktmechanismen ist richtig, denn bei allen Reformvorschlägen darf nicht übersehen werden: Die hohen Strompreise sind nicht auf ein Versagen des Strombinnenmarktes zurückzuführen. Ursache der zeitweisen exorbitant gestiegenen Großhandelspreise war die Verknappung des Energieangebots infolge des Gaslieferstopps durch Russland. Ansätze zur Energiepreisstabilisierung und zur Versorgungssicherheit sollten daher klar voneinander getrennt werden. Es ist deshalb richtig, dass der Kommissionsvorschlag nicht in den Preisbildungsmechanismus von Angebot und Nachfrage eingreift. Dieser sorgt erfolgreich dafür, dass die Marktteilnehmer Vertrauen in die Effizienz des Marktes behalten und kommt damit letztlich den Endkundinnen und Endkunden zugute.

Einige der Vorschläge sollten jedoch noch nachgebessert werden, um die drei von der EU Kommission erklärten Ziele von „mehr erneuerbaren Energien, mehr Verbraucherschutz und mehr Wettbewerbsfähigkeit“ vollumfänglich zu ermöglichen.
 

Marktmechanismus – Beibehaltung der „Merit Order“ und keine Eingriffe in Preisbildungsmechanismus

Die Preisbildung auf dem Day-ahead Markt auf Grundlage einer „Merit Order“ mit „Pay-ascleared“ stellt den optimalen Einsatz der verfügbaren Kraftwerkskapazitäten sicher und ist das Standardmodell für die Preisbildung eines homogenen Gutes1 (und somit auch für „Strom“). Dadurch werden die strategischen Anreize zur Gebotserhöhung limitiert und die richtigen Knappheitspreissignale an die Marktteilnehmer:innen gesendet, die entweder zu Nachfrageanpassungen bei den Endverbraucher:innen und/oder zu Investitionssignalen für neue Kapazitäten führen. Für „inframarginale“ Technologien besteht die Möglichkeit, historische und/oder künftige Investitionskosten zu decken, wodurch die Investitionsbereitschaft sichergestellt wird.

Der optimale Einsatz der verfügbaren Kraftwerkskapazitäten verhindert Marktverzerrungen und bewirkt zusätzlich, dass möglichst viele erneuerbare Anlagen tatsächlich auch Strom erzeugen und der CO2 Ausstoß minimiert wird. Das EMD belässt den Preisbildungsmechanismus in Kurzfristmärkten. Dies ist sinnvoll, da der aktuelle Day-ahead Flow-based-Market-Coupling Mechanismus durch eine mehrjährige und intensive Zusammenarbeit aller Marktteilnehmer entwickelt wurde und sich bewährt hat. Zur Erhöhung der Liquidität an den Kurzfristmärkten sollen potentielle Barrieren für die Teilhabe von Marktteilnehmern, z. B. von Demand Response, reduziert werden. Zusätzlich soll der Gate-Closure Zeitpunkt für Intraday Handel (Art. 8 BMVO) so nah wie möglich an die Echtzeit gebracht werden. Ab dem Jahr 2028 soll der zonenübergreifende Intraday-Handel frühestens 30 Minuten vor Beginn der jeweiligen Marktzeiteinheit schließen. Die Stärken der Maßnahme liegen in den erweiterten Möglichkeiten des zonenübergreifenden Ausgleichs von Stromknappheit und -überschüssen sowie in einer besseren Integration variabler erneuerbarer Erzeuger über die Gebotszonen hinweg. Oesterreichs Energie begrüßt diese Maßnahme, wobei eine Umsetzung noch vor dem 1. Jänner 2028 wünschenswert wäre. Der Vorschlag einer verpflichtenden Reduktion der Mindestgebotsgröße auf 100 kW oder weniger wird allerdings kritisch gesehen. Die Entscheidung dazu sollte bei den nominierten Strommarktbetreibern („NEMO“) liegen.

Für die Erreichung der europäischen und nationalen Energieziele ist ein stabiles Investitionsumfeld eine notwendige Voraussetzung. Oesterreichs Energie betont, dass Eingriffe in die Preisbildung für “inframarginale Technologien” und Bestandsanlagen, wie sie von einigen Mitgliedstaaten (z. B. Spanien, Frankreich) eingefordert werden, mit weitreichenden rechtlichen und ökonomischen negativen Auswirkungen verbunden sind. Die Beibehaltung der „Merit Order“ hat zur Folge, dass für inframarginale Technologien der Strompreis weiterhin über den kurzfristigen Grenzkosten liegt. Regulatorische Eingriffe in die Preisbildung von „inframarginalen Technologien“ wie sie aktuell vorgenommen werden sind aus klimapolitischen, rechtlichen und ökonomischen Gründen sehr kritisch einzustufen:

  • Preiseingriffe sind komplex und mit hohen rechtlichen und marktlichen Risiken verbunden (z. B. negativer Einfluss des optimalen Kraftwerkseinsatzes, Bestimmung der Gestehungskosten, Nachfrage-Beeinflussung);
  • „Ex post“ Eingriffe haben negative Auswirkungen auf Investitionssicherheit und -klima, wodurch die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft konterkariert wird;
  • „Politisches Risiko“ erhöht die Finanzierungskosten mit negativer Auswirkung auf die Gesamtsystemkosten, Strompreise und Dekarbonisierungsbestrebungen;
  • Unternehmen werden erforderliche finanzielle Mittel für Investitionen in EE-Kapazitäten entzogen mit negativen Auswirkungen auf den EE-Ausbau, Finanzierungskosten sowie die Energiewende insgesamt.
     

Rahmen für ungeförderte und geförderte EE-Geschäftsmodelle sicherstellen

Der EE-Ausbau stellt einen zentralen Baustein auf dem Weg zu einem dekarbonisierten Energiesystem dar. Dies spiegelt sich auch in dem österreichischen Ziel der 100% nationalen bilanziellen Deckung des Gesamtstromverbrauchs ab dem Jahr 2030 durch erneuerbare Energiequellen wider. Oesterreichs Energie bekennt sich zur Energiewende und den damit verbunden politischen Zielen für den EE-Ausbau in Österreich. Die Erreichung der EE-Ausbau Ziele wird politisch durch die Vorgabe von jährlichen Zubaumengen („Mengensteuerung“) und einem Fördermechanismus für diese Zubaumengen induziert. Auf diese Weise sollen die EE-Ziele erreicht werden. Ein „gefördertes“ Geschäftsmodell wird somit auch künftig Bestandteil des Marktdesigns sein. Neben der „Mengensteuerung“ muss allerdings auch ein „ungefördertes“ Geschäftsmodell über eine „Preissteuerung“, d.h. durch den Strompreis und/oder CO2 Preis, einen ausreichenden Raum haben.

Das EMD sieht ein Nebeneinander von „ungeförderten“ und „geförderten“ Geschäftsmodellen vor. Das „ungeförderte“ Geschäftsmodell soll durch den Abbau von Marktbarrieren für langfristige Power Purchase Agreements (PPAs) (Art. 19a) BMVO) erreicht werden. Bei langfristigen Stromabnahmeverträgen bestehen zwischen Erzeuger und Verbraucher Risiken (z. B. Kreditrisiko, Preisrisiko), die zu prohibitiv hohen Risikoaufschlägen führen können und deshalb den Vertragsabschluss unterbinden können.

Oesterreichs Energie begrüßt generell, dass PPAs nicht zwangsweise eingeführt werden und dass im EMD ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass bei unterstützenden Maßnahmen durch Mitgliedstaaten für PPAs negative Auswirkungen auf die Liquidität der Großhandelsmärkte (hier sollten Kurzfrist- und Terminmärkte betrachtet werden) vermieden werden sollen. Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen für PPAs (z. B. Übernahme von Kreditrisiko durch staatliche Garantien) müssen deshalb immer in Verbindung mit Maßnahmen zur Erhöhung der zeitlichen Produkttiefe auf Terminmärkten (Börse/OTC) beurteilt werden. Staatliche Garantien für Kreditrisiken für PPAs dürfen nicht dazu führen, dass beispielsweise ein Wettbewerbsnachteil für börsliche Futures (5+ Jahre) entsteht, wenn das Kreditrisiko für die Futures durch die Handelspartner dort selbst getragen werden muss. Auch potentielle Marktverzerrungen zwischen Mitgliedstaaten durch einseitige Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen für PPAs sollten berücksichtigt werden.

Oesterreichs Energie sieht es kritisch, dass für PPAs auch im Standardfall Vertragsauflösungsklauseln für den Fall einer vorzeitigen Auflösung gesetzlich vorgeschrieben werden. Solche Klauseln stehen grundsätzlich der Idee entgegen, mehr Investitionssicherheit über langfristige Abnahmeverträge zu gewährleisten.
Im „geförderten“ Geschäftsmodell muss die Ausgestaltung des Fördermechanismus sicherstellen, dass Preissignale für EE-Anlagen weiterhin wirken und der kurzfristige Einsatz von EE-Anlagen nicht verzerrt wird. Einseitige Marktprämien, wie sie aktuell auch im Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) vorgesehen sind, sind dabei ein etabliertes Instrument. Das EMD sieht vor, dass für neue Investitionen (inklusive Repowering, Ausbau und Lebensdauerverlängerung) in EE-Kapazitäten, Wasserkraft ohne Speicher sowie Nuklear verpflichtend zweiseitige Contracts-for-Differences (CfDs) (Art. 19b BMVO) zur Anwendung gelangen sollen. Bei der einfachsten Ausgestaltung erhält der EE-Erzeuger einen fixen “Strike Price” (z. B. 50 Euro/MWh) und die stündliche Differenz zum Day-ahead Preise wird ausgeglichen, d.h. wenn der Day-ahead Preis über (unter) dem „Strike Price“ liegt, erfolgt eine Zahlung vom (an den) EE-Erzeuger. Im Unterschied zu einer einseitigen Marktprämie wird somit das Upside Potential für den EE-Erzeuger abgeschnitten. Der „Strike Price“ soll in der Regel wettbewerblich über Ausschreibungen festgelegt werden. Oesterreichs Energie spricht sich weiterhin für die Möglichkeit von technologiespezifischen Auktionen, wie sie auch im Erneuerbaren Ausbau Gesetz vorgesehen sind, aus.

Oesterreichs Energie steht einem zweiseitigen CfD grundsätzlich neutral gegenüber. Allerdings muss bei der Ausgestaltung sichergestellt werden, dass der zweiseitige CfD nicht zu einem „Produce-and-forget“ führt und die EE-Erzeuger weiterhin auf Preissignale reagieren. Dazu sollten bei der Ausgestaltung der CfDs wesentliche Designelemente der bestehenden einseitigen Marktprämie im Erneuerbaren Ausbau Gesetz herangezogen werden, z. B. „Referenzmarktpreis für Abrechnung des „Strike Price“ ermittelt sich aus dem für jede Technologie erzeugungsgewichteten Durchschnitt der stündlichen Day-ahead Preise über eine bestimmte Zeitperiode (z. B. Monat, Quartal, Jahr)“; „Aussetzung der Auszahlungen aus dem CfD bei negativen Preisen“. Darüber hinaus wurden zuletzt auch CfDDesignoptionen vorgeschlagen, die zu einer vollständigen Entkoppelung der Förderungsauszahlung mit der Stromerzeugung führen. In der Praxis wurden diese CfD-Designoptionen allerdings noch nicht umgesetzt. Aus Sicht von Oesterreichs Energie sollte deshalb bei der Ausgestaltung der CfDs in einem ersten Schritt auf bewährte Elemente der einseitigen Marktprämie zurückgegriffen werden. Dadurch wird wertvolle Zeit für die Umsetzung der EEAusbauziele gewonnen.
Dennoch stellt sich die Frage, wie sich die verpflichtende Einführung eines neuen Förderinstruments für Neuanlagen, vor allem im Zusammenspiel mit dem bestehenden österreichischen Marktprämienmodell, auf künftige Investitionen auswirkt. Für die Erreichung der EE-Ausbauziele in Österreich sollte baldigst klargestellt werden, welche Auswirkung die Vorgabe im EMD (zweiseitige CfDs) auf das aktuelle Erneuerbaren Ausbau Gesetz (einseitige Marktprämie) hat, insbesondere die Frage, ob nach Inkrafttreten des EMD weiterhin Ausschreibungen nach dem EAG in Form einer einseitigen Marktprämie durchgeführt werden oder muss unmittelbar auf einen zweiseitigen CfD umgestellt werden dürfen. Eine frühzeitige Klärung ist erforderlich, da EE-Projekte eine entsprechende Vorlaufzeit haben und für die Wirtschaftlichkeitsrechnungen der zu erwartende Fördermechanismus eine wesentliche Rolle spielt. Eine Verunsicherung der Investor:innen durch eine erneute Umstellung des Fördersystems muss vermieden werden.

Besonders zu kritisieren ist, dass die Förderung über zweiseitige Contract-for- Differences (CfDs) auch für neue Investitionen in Nuklearenergie gilt. Es handelt sich hierbei um eine Energieform mit hohen externen Kosten und Risiken, weshalb jegliche Förderung abzulehnen ist.
 

Preissignale für Investitionen in flexible, steuerbare Erzeugungskapazitäten und Demand Response müssen zugelassen werden

Selbst bei einem sehr hohen EE-Anteil im Technologiemix werden Zeiten mit höheren Preisen auftreten, wenn beispielsweise aufgrund einer geringeren EE-Erzeugung die Strompreise durch Speicher, (künftig „grüne“) Gaskraftwerke oder andere Flexibilitäten gesetzt werden. Die Preisbildung auf den Kurzfristmärkten stellt sicher, dass diese hohen Preise auch für den Markt sichtbar werden und eine Verhaltensreaktion der Marktteilnehmer auslösen. Auf diese Weise bietet der Energy-only-Markt Preissignale für den Ausbau von flexiblen, steuerbaren Kapazitäten. Diese Preissignale wirken für Speichertechnologien durch Preisvolatilitäten, für („grüne“) Gaskraftwerke (Back-up-Kraftwerke) und Demand Response durch Knappheitspreise am Day-ahead Markt und das Risiko von hohen Ausgleichsenergiepreisen bei einer Unterdeckung mit Strom. Entscheidend ist allerdings, dass diese Preissignale auch zugelassen werden, damit Marktteilnehmer darauf reagieren können bzw. auch darauf reagieren müssen, da sie ansonsten finanzielle Verluste erleiden (z. B. durch Zahlung sehr hoher Ausgleichsenergiepreise).
Oesterreichs Energie sieht die Notwendigkeit von (kurz-, mittelfristiger, saisonaler) Flexibilität als Eckpfeiler eines auf erneuerbaren Energien basierenden Strom- bzw. Energiesystems und unterstützt deshalb die Maßnahmen im EMD zum Abbau von Marktbarrieren für Flexibilitäten. Oesterreichs Energie begrüßt, dass Mitgliedstaaten ihre zukünftigen Bedarfe für Flexibilität frühzeitig erheben und ein indikatives nationales Ziel für den Ausbau von Flexibilität definieren sollen (Art. 19d-f BMVO). Das zukünftige Energiesystem wird auf Flexibilität angewiesen sein. Dabei werden unterschiedliche Flexibilitätsoptionen (kurz-, mittelfristig, saisonal) notwendig sein, um das Energiesystem resilient auszugestalten.

Oesterreichs Energie sieht keinen erkennbaren Vorteil für das im EMD vorgeschlagene „Peak-Shaving“ Produkt (Art. 7a BMVO). Dieses Produkt soll durch Übertragungsnetzbetreiber beschafft werden können und soll nach „Closure day-ahead“ und vor dem „Start of the balancing market“ greifen. Das „Peak Shaving“ Produkt steht somit in Konkurrenz zum Intraday Markt, dem dadurch Liquidität entzogen wird. Die Funktion des Intraday Marktes, kurzfristige Änderungen bei Erzeugung und Verbrauch zu korrigieren, wird dadurch konterkariert. Der Zusatznutzen des Peak-Shaving Produkts im Vergleich zu den bereits bestehenden Möglichkeiten, Demand Response an Kurzfristmärkten zu vermarkten, ist unklar. Das kürzlich eingeführte Instrument der Austrian Power Grid aus der EU-Not-VO (5% Einsparverpflichtung in Spitzenzeiten) hat bisher wenig Resonanz gefunden – eine Verstetigung eines vom Markt nicht nachgefragten Produktes scheint daher nicht zielführend. Zudem würden Übertragungsnetzbetreiber dadurch eine Rolle als Marktakteur erhalten. Insgesamt sollte Flexibilität über bestehende Märkte und nicht über separate Produkte angereizt und bepreist werden. Oesterreichs Energie schlägt deshalb vor das „Peak- Shaving“ Produkt gänzlich zu streichen. Bei einer Fortschreibung durch die Verankerung im überarbeiteten EU-Strommarktdesign sollte die Zielsetzung sowie Ausgestaltung dieses Produkts detaillierter beschrieben und in jedem Fall einer Kosten-Nutzen-Analyse unterzogen werden.

Das EMD sieht die Möglichkeit eines Flexibilität-Fördermechanismus für Investitionen in bestimmte Flexibilitäten (Art. 19d-f BMVO), nämlich in neue Speicher und Demand Response, vor. Grundsätzlich ist eine Beschränkung auf bestimmte Flexibilitäten als kritisch anzusehen, da in einem künftigen erneuerbaren Energiesystem jede Form von Flexibilitäten (kurz-, mittelfristig, saisonal) erforderlich sein wird. Neben Speichern sind in der Diskussion zum notwendigen Ausmaß an Flexibilität auch (neue) regelbare Kraftwerke zu adressieren. In einem integrierten europäischen Strommarkt können Maßnahmen in Nachbarländern einen erheblichen Einfluss auf den Strommarkt in Österreich haben. Hier kann die gerade in Erarbeitung befindliche Kraftwerksstrategie in Deutschland, welche durch technologiespezifische Förderungen Investitionen in neue flexible (H2-ready bzw. H2) Gaskraftwerke im deutschen Strommarkt anreizen soll, angeführt werden. Falls die Ergebnisse dieser Initiativen die Preissignale für Investitionen in Flexibilitäten stark beeinträchtigen, dann können auch in Österreich flankierende Maßnahmen zur Beanreizung von allen Flexibilitäten (von Demand Response bis regelbare Kraftwerke) über Kapazitätsmärkte angedacht werden. Bei der Ausgestaltung gilt es dabei, auf nationale Gegebenheiten Rücksicht zu nehmen.

Durch den Flexibilität-Fördermechanismus im EMD sollen neue Investitionen gefördert werden. Es ist davon auszugehen, dass die Einführung des Flexibilität-Fördermechanismus einer beihilferechtlichen Genehmigung bedarf. In Österreich gibt es im ElWOG für Speicheranlagen bereits eine teilweise Befreiung von Netzentgelten (derzeit 20 Jahre Tarifbefreiung für Netznutzungs- und Netzverlustentgelt für 20 Jahre ab Inbetriebnahme). Diese Regelung sollte nicht gefährdet werden, weil sie auch für Bestandanlagen gilt und rückwirkende Eingriffe in den Regulierungsrahmen aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen sind. Außerdem würde ein Eingriff in bestehende Rechte auch die Planungsund Investitionssicherheit im Hinblick auf Neuanlagen massiv untergraben.
 

Erhöhung der Liquidität der Terminmärkte vorrangig durch Netzausbau und dadurch ermöglichte Vergrößerung von Gebotszonen

Die Auftrennung der gemeinsamen Gebotszone Deutschland/Österreich im Oktober 2018 führte zu einer starken Reduktion der Liquidität des österreichischen Terminmarktes. Oesterreichs Energie unterstützt grundsätzlich Maßnahmen zur Erhöhung der Liquidität auf den Terminmärkten und begrüßt deshalb den Vorschlag im EMD für die Möglichkeit von langfristigen Übertragungsrechten bis zu dem Kalenderjahr t+3 (Art. 9 BMVO). Dies führt zu einer besseren Übereinstimmung von Handelsgeschäften auf Terminmärkten mit den langfristigen Übertragungsrechten. Auch ein tatsächlicher Sekundärmarkt für diese Produkte sollte etabliert werden. Bei der Bestimmung der Höhe der langfristigen Übertragungsrechte darf allerdings die Physik nicht außer Acht gelassen werden. Oesterreichs Energie sieht zusätzliche Möglichkeiten zur Erhöhung der Liquidität in den Terminmärkten. Beispielsweise dürfen Sicherheitsleistungen den Handel an börslichen Terminmärkte nicht zu stark beschränken.

Oesterreichs Energie weist darauf hin, dass insbesondere für die Liquidität von Terminmärkten die Größe von Gebotszonen sowie die Vielfalt der Marktteilnehmer auf der Angebots- und Nachfrageseite eine wichtige Rolle spielen. Die Vergrößerung von Gebotszonen stellt somit ein wichtiges Instrument zur Erhöhung der Liquidität dar. Dies ist vorrangig durch einen zeitgerechten Netzausbau zur Reduktion von Netzengpässen zu erreichen. Der Netzausbau im Stromübertragungsnetz ermöglicht zusätzlich die europäische Integration von EE-Strom, optimiert den Wert von Flexibilitäten und trägt zur Versorgungssicherheit bei. Oesterreichs Energie unterstützt deshalb den Vorschlag im EMD, dass in der Regulierung für Stromnetze ein „vorausschauender Netzausbau“ berücksichtigt werden soll.
Das EMD sieht als wichtige Maßnahme zur Erhöhung der Liquidität der Terminmärkte die Einführung von „Regional virtual hubs“ (Art. 9 BMVO) vor. Dazu soll durch ENTSO-E ein Vorschlag zur geographischen Abdeckung der „Regional virtual hubs“, die mehrere Gebotszonen umfassen können, erfolgen. Für jeden „Regional virtual hub“ wird ein virtueller Referenzpreis ermittelt, der für das finanzielle Settlement von Terminprodukten dienen soll. Für jeden „Regional virtual hub“ ist eine „Single allocation platform“ einzurichten. Die „Single allocation platform“ soll langfristige Übertragungsrechte zwischen dem „Regional virtual hub“ sowie den geographisch abgedeckten Gebotszonen definieren und an die Marktteilnehmer versteigern. Die Entwicklung von Terminprodukten mit Bezug auf den Referenzpreis im „Regional virtual hub“ kann durch Börsen und/oder NEMOs erfolgen. Regulierungsbehörden können zusätzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Liquidität, z. B. Market Maker, Strombörsen und Übertragungsnetzbetreibern vorschreiben.

Aus Sicht von Oesterreichs Energie erschließt sich der Mehrwert virtueller Hubs nicht, da sie die Einschränkungen durch limitierte physische Übertragungskapazitäten nicht adressieren. Oesterreichs Energie steht den „regional virtual hubs“ aus unterschiedlichen Gründen kritisch gegenüber:

  • Das Konzept des „Regional virtual hub“ entspricht dem Großhandelsmarktdesign der Nordpool Region. Der „Regional virtual hub“ hat dabei den Zweck die Liquidität von mehreren kleinen Gebotszonen zu bündeln. Dies ist erforderlich, da sich in der Nordpool Region keine „Anker“-Gebotszone für den Terminmarkt etabliert hat. In Zentraleuropa gibt es allerdings mit Deutschland eine große „Anker“- Gebotszone mit einem hoch liquiden Terminmarkt. Marktteilnehmer außerhalb von Deutschland nutzen Terminprodukte der „Anker“-Gebotszone zur Preisabsicherung. Die Preisdifferenz (Basisrisiko) zwischen dem Preis in der „Anker“-Gebotszone und der eigenen Gebotszone wird durch Marktteilnehmer entweder durch zusätzliche Produkte (z. B. finanzielle Übertragungsrechte) abgesichert oder in Kauf genommen.
  • Ein „Regional virtual hub“, der die Gebotszone Deutschland/Luxemburg mit ihrem hoch liquiden Terminmarkt und kleinere umliegende Gebotszonen (z. B. Österreich) umfasst, wird sehr wahrscheinlich wenig Effekte haben. Marktteilnehmer in Deutschland werden sich weiterhin mit deutschen Terminprodukten absichern. Eine Absicherung durch ein Produkt des „Regional virtual hub“ bringt für Marktteilnehmer in Deutschland keinen Vorteil, sondern im Gegenteil einen entscheidenden Nachteil: ein neues Basisrisiko zwischen „Regional virtual hub“ Preis und dem Gebotszone Deutschland/Luxemburg Preis. Liquidität von deutschen Marktteilnehmern wird deshalb nicht zum „Regional virtual hub“ wandern. Marktteilnehmer aus den kleineren Gebotszonen könnten Terminprodukte mit Referenz auf den „Regional virtual hub“ nachfragen. Allerdings stehen diese Produkte in Konkurrenz mit den liquiden Terminprodukten der „Anker“-Gebotszone Deutschland/Luxemburg. Auch hier ist der Vorteil eines Produktes mit Referenz auf „Regional virtual hub“ nicht ersichtlich. Es besteht weiterhin ein Basisrisiko und die Liquidität wird gering sein, da die Liquidität aus Deutschland fehlt. Hier bietet die Aufteilung der einheitlichen Gebotszone Deutschland/Österreich ein interessantes Fallbeispiel. Auch nach der Trennung gab es weiterhin ein DE/AT Terminprodukt („Regional virtual hub“). Die Liquidität wanderte allerdings vom DE/AT Produkt zum DE Produkt, da Marktteilnehmer in Deutschland keinen Vorteil in der Absicherung mit einem DE/AT Produkt sahen (Basisrisiko zwischen Referenzpreis DE/AT und Preis DE) und die Marktteilnehmer in Österreich die Absicherung mit dem liquiden DE Produkt vornehmen mussten und müssen.

Eine Voraussetzung für das „Funktionieren“ von „Regional virtual hubs“ sind somit viele kleine Gebotszonen. Es wird dadurch der Eindruck geweckt, dass die mangelnde Liquidität in kleineren Gebotszonen künstlich durch virtuelle Hubs ausgeglichen werden könnte, was nicht bzw. nur bedingt der Fall ist. Aus Sicht von Oesterreichs Energie sollte die prioritäre Stoßrichtung sein, den Netzausbau zu forcieren und möglichst große Gebotszonen zu konfigurieren. Mit diesen beiden Maßnahmen wird die Erhöhung der Liquidität im Terminmarkt besser adressiert als über die Schaffung virtueller Hubs, die eine zusätzliche und nicht notwendige Komplexitätsebene in das bereits bestehende System einziehen.

Oesterreichs Energie sieht auch ein gewisses Risiko darin, dass „Regional virtual hubs“ in Verbindung mit kleinen Gebotszonen eine Vorstufe zu einer fundamentaleren Anpassung des Marktdesigns sein könnten: nämlich der Übergang von einem zonalen hin zu einem nodalen Marktdesign. Bei „Nodal Pricing“ spiegeln die Preise die Grenzkosten der Erzeugung an jedem Knotenpunkt unter Berücksichtigung von Engpässen/Verlusten und ergeben so viele einzelne Großhandelspreise. Der Preis enthält ein integriertes lokales Standortsignal, das die kurzfristigen Grenzkosten von Engpässen widerspiegelt. Nodal Pricing stellt einen umfassenden Eingriff in das Marktdesign mit unklaren Vorteilen dar und wird deshalb von Oesterreichs Energie abgelehnt.

Abschließend merkt Oesterreichs Energie an, dass vor dem Hintergrund des Anliegens einer Stärkung der Terminmärkte die aktuell diskutierte Überprüfung/Streichung der Ausnahmeregelungen für den Eigenhandel im Strom- und Gasmarkt unter MiFID II jedenfalls hintanzuhalten ist. Eine schlimmstenfalls erforderliche Bankenlizensierung der im Handel tätigen Elektrizitätsunternehmen würde gerade deren Marktrückzug erzwingen, anstatt die Liquidität am Terminmarkt zu erhöhen.
 

Änderungen der REMIT2-Verordnung dürfen nicht zu unverhältnismäßigen Belastungen der Marktteilnehmer führen

Die EU Kommission hat gemeinsam mit dem EMD auch Änderungen der REMIT (Regulation on Energy Wholesale Market Integrity and Transparency)-Verordnung vorgeschlagen und greift somit in die Prozesse des Großhandelsmarktes ein. Aus Sicht von Oesterreichs Energie sind hier einige Änderungen überschießend und nicht zweckgemäß:

  • Die vorgeschlagene Erweiterung der Definition von „organised market places“ lehnt Oesterreichs Energie ab. Die Erweiterung der Definition würde zu einer wesentlichen Ausweitung der Pflichten und damit erheblicher Belastung für kleinere Marktteilnehmer:innen führen, dem kein erkennbarer Nutzen entgegensteht.
  • Die vorgeschlagenen Regelungen betreffend den algorithmischen Handel würden dem Marktteilnehmer:innen eine Verantwortlichkeit auferlegen, die dieser nicht wahrnehmen können. Die Offenlegungspflichten sind weder zweckmäßig noch verhältnismäßig. Die EU Kommission schlägt vor, dass die gesamte Verantwortung für das Funktionieren der automatisierten Handelssysteme bei den Marktteilnehmer:innen liegt. Oesterreichs Energie schlägt stattdessen vor, eine verpflichtende Zulassung von automatisierten Handelssystemen durch Börsen oder Regulierungsbehörden vorzuschreiben. Aus Sicht von Oesterreichs Energie sollte daher die vorgeschlagene Regelung in Artikel 5a gänzlich gestrichen werden.
  • Die Ausweitung des Handlungsspielraumes der unionsweiten Regulierungsbehörde ACER ist weder zweckmäßig noch verhältnismäßig. In Artikel 13a bis 13d sollen die Rechte der EU-Regulierungsbehörde („ACER“) für die Umsetzung ihrer Aufgaben wesentlich erweitert werden. Dies wird von Oesterreichs Energie abgelehnt. Nach der geltenden Rechtslage haben die nationalen Aufsichtsbehörden ACER bei Untersuchungen zu unterstützen. Aus dem direkten Handeln von ACER bei Marktteilnehmer: innen ist aus Sicht von Oesterreichs Energie kein Vorteil ersichtlich. Dies gilt ebenso für die vorgeschlagene Regelung zur Delegierung der Zuständigkeiten nationaler Behörden an ACER. In Österreich ist die E-Control grundsätzlich zuständig. Eine Verteilung der Z eit auf weitere Behörden könnte zu uneinheitlicher Behördenpraxis und damit zu Rechtsunsicherheit für Marktteilnehmer:innen führen.
  • Eine Veröffentlichung personenbezogener Daten zu Entscheidungen über Verletzung der REMIT-Verordnung muss unterbleiben. Die EU Kommission schlägt in Artikel 16 Abs. 2 vor, dass ACER eine öffentliche Liste über Entscheidungen der nationalen Behörden betreffend Verletzungen der REMIT-Verordnung führt. Diese Liste soll neben Details zur Entscheidung auch den Namen der sanktionierten Person beinhalten. Aus Sicht von Oesterreichs Energie ist diese Veröffentlichungspflicht insbesondere ohne gleichzeitige Schaffung eines für Betroffene wirksamen Rechtsbehelfs problematisch und muss unterbleiben.
  • Die drastische Erhöhung der Strafrahmen (Artikel 18: Penalties), insbesondere des Strafrahmens für natürliche Personen, ist überschießend. Hier ist eine Limitierung der Strafrahmen für natürliche Personen jedenfalls erforderlich.
     

Vorgaben zu „Supplier Risk Management“ dürfen nicht zu neuen Risiken für Lieferant:innen und Endkund:innen führen

Nach EMD sollen nationale Regulierungsbehörden sicherstellen, dass Vertriebsunternehmen geeignete Hedgingstrategien implementieren müssen (Art. 18a BMRL). Oesterreichs Energie sieht konkrete Vorgaben für das Risiko-Management für Lieferant:innen durch nationale Regulierungsbehörden als kritisch an. Der Fokus sollte hier auf einem Monitoring von „Good practice“ liegen. Oesterreichs Energie lehnt die Möglichkeit für Mitgliedstaaten ab, Lieferant:innen dazu verpflichten zu können, einen Anteil ihrer Lieferverpflichtungen mit PPAs rückdecken zu müssen. Grund für diese Ablehnung ist die Tatsache, dass Endkund:innen nach wie vor das Recht haben, ihre Stromlieferant:innen kurzfristig zu wechseln. Es besteht hier somit eine Verpflichtungsasymmetrie und die Lieferant:innen haben das Risiko eine große offene Long-Position einzugehen, welches sie bei Anwendung eines „good practice“ Risiko-Managements auch bepreisen werden. Somit wäre eine solche Verpflichtung auch zum Nachteil der Endkund:innen. Die Kommission erwähnt in ihrem Vorschlag, dass die PPA-Deckung der Lieferant:innen deren Risikoexposition auf der Kundenseite entsprechen soll, allerdings würde dies bei einer richtigen Auslegung dieses Zusatzes dazu führen, dass PPAs grundsätzlich für die Rückdeckung der Lieferverpflichtungen nicht geeignet sind, da die Bindungsfristen von Lieferant:innen mit den Anbieter:innen der PPAs systematisch länger sind als die Bindungsfristen zwischen Endkund:innen und Lieferant:innen.

Das EMD sieht einen Anspruch von Endkund:innen auf einen Vertrag mit fester Laufzeit und festem Preis (zusätzlich zu einem dynamischem Strompreis) vor und eine Verpflichtung von größeren Lieferant:innen diese anzubieten. Es fehlt allerdings eine Klarstellung, was genau unter Fixpreistarifen zu verstehen ist. Die bereits bestehenden gesetzlichen Anforderungen und der nun vorliegende Legislativvorschlag enthalten in der Gesamtbetrachtung widersprüchliche Aussagen. Einerseits werden vom Großhandel langfristige Verträge, andererseits auch von den Lieferant:innen flexible Tarife gefordert. Beide Handelsstrategien müssen am Ende allerdings zusammenpassen. Oesterreichs Energie sieht deshalb den Vorschlag kritisch und hat Zweifel, inwieweit die wachsende Regulierung tatsächlich einen positiven Effekt auf Endkund:innen haben wird.
 

Endkund:innenthemen zur gemeinsamen Nutzung von Energie, zu Versorger der letzten Instanz und vulnerablen Kunden werden differenziert gesehen

Das EMD enthält verschiedene zusätzliche Vorschläge im Zusammenhang mit Endkund:innen, welche von Oesterreichs Energie differenziert gesehen werden:

  • Das Recht auf gemeinsame Nutzung von Energie (Art. 15a BMRL) muss im ausgewogenen Kosten-Nutzen Verhältnis stehen: Die EU Kommission schlägt vor, dass alle Haushalte, KMUs und öffentliche Einrichtungen das Recht haben sollen, als aktive Kund:innen an der gemeinsamen Nutzung von Energie teilzunehmen. Oesterreichs Energie begrüßt, dass aktive Kund:innen, die an Energiegemeinschaften teilnehmen, weiterhin wie Endkund:innen im Allgemeinen entsprechend ihrem Strombezug Steuern, Abgaben und Netzentgelte entrichten müssen. Allerdings ist es nicht eindeutig formuliert, ob mit dem Ausgleichszeitraum die Ausgleichsenergie von Bilanzgruppen gemeint ist. Insgesamt ist auf ein ausgewogenes Kosten-Nutzen- Verhältnis Bedacht zu nehmen, um diese Maßnahmen für Netzbetreiber administrierbar zu machen. Die damit verbundenen Kosten sind verursachergerecht zu verumlagen und nicht über die Netzentgelte zu sozialisieren. Demnach muss bei der Etablierung von neuen Möglichkeiten und Rollen darauf geachtet werden, dass keine Parallelstrukturen zum bestehenden Energiemarkt geschaffen werden, die finanz- und ressourcenstarke Kund:innen mit entsprechenden Möglichkeiten bevorzugen und die lediglich vulnerable Kund:innen im traditionellen Energiemarkt belassen werden.
  • Die Vorschläge zum Versorger der letzten Instanz (Art. 27a BMRL) werden begrüßt: Die vorgenommene Einschränkung der Versorgung letzter Instanz auf einen bestimmten Kundenkreis (Haushaltskund:innen, die keinen marktbasierten Vertrag erhalten) wird begrüßt. Die vorgenommene Einschränkung des Kundenkreises sollte auch bei der nationalen Ausgestaltung der Grundversorgung berücksichtigt werden.
  • Die Verhinderung der Stromabschaltung vulnerabler Kund:innen (Art. 28a BMRL) ist missverständlich formuliert und wird folglich kritisch gesehen, da die Entscheidung und Umsetzung einer Abschaltung nicht bei den Lieferant:innen liegen. Die Abschaltungen werden letztlich von den Netzbetreibern durchgeführt. Aus dem Entwurf der Kommission geht jedoch klar hervor, dass derzeit (alleinig) die Lieferant:innen adressiert werden. Der bisherige Ausgestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten sollte beibehalten werden.
     

Preiskrisenmechanismus wird kritisch beurteilt

Das EMD sieht vor, dass für die Implementierung von Krisenmechanismen in Form von Preisbremsen mehrere Kriterien kumulativ erfüllt werden müssen. Im Falle einer „Union-wide electricity price crisis“ können Mitgliedstaaten regulierte Endkundenpreise verordnen (Art. 66a BMRL). Die regulierten Endkundenpreise für Haushaltskund:innen können „unter den Kosten“ liegen. Die Lieferant:innen werden in der Folge für die Differenz zwischen den „Kosten“ und dem „regulierten Endkundenpreis“ kompensiert. Diese Kompensation ist im EMD Vorschlag nur für Haushaltskund:innen, nicht jedoch für Gewerbekund:innen vorgesehen.
Oesterreichs Energie lehnt insgesamt derartige öffentliche Interventionen bei der Preisfestsetzung für Haushalte und KMUs ab. Zudem geht durch derartige Eingriffe ein wichtiges Signal für die Forcierung der Energieeffizienz verloren. Stattdessen sollten vulnerable Haushalte in Zukunft gezielter und sozial differenzierter direkt durch ein staatliches Instrument unterstützt werden.

Sollte an derartigen Markteingriffen bei der Preisfestsetzung für Haushalte und KMUs festgehalten werden, so ist jedenfalls ein Kostenersatz vorzusehen. Im EMD ist allerdings nicht ausgeführt, wie die „Kosten“ definiert werden. Dabei sind unterschiedliche Aspekte zu beachten:

  • Berücksichtigung von Eigenerzeugung zu Opportunitätskosten: Aus Sicht von Oesterreichs Energie muss die Eigenerzeugung mit Opportunitätskosten, d. h. zu Marktpreisen bewertet werden. Die Kosten ergeben sich damit aus den Großhandelsmarktpreisen;
  • Berücksichtigung von „Supplier Risk Management“: Die Kosten der Strombeschaffung der Lieferant:innen sind von der konkreten Beschaffungsstrategie abhängig. Bei einem steigenden Markt führt eine längerfristige im Vergleich zu einer kurzfristigen Beschaffungsstrategie zu geringeren Beschaffungskosten. Nachdem die Voraussetzungen für eine „Union-wide electricity price crisis“ einen steigenden Markt voraussetzt3, besteht hier das Risiko, dass Lieferant:innen mit einer langfristigen Beschaffungsstrategie, die die Preisvolatilität für Endkunden reduziert, „schlechter“ gestellt werden.
     

Netzausbau benötigt geeigneten Regulierungsrahmen

Der Ausbau der Stromnetze ist eine wesentlicher Bestandteil für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Dies gilt gleichermaßen für die Übertragungs- und Verteilnetze. Oesterreichs Energie begrüßt die Berücksichtigung eines „vorausschauenden Netzausbau“ bei der Regulierung von Stromnetzen, da hierdurch der ökonomische Wert eines frühzeitig ausgebauten Stromnetzes herausgestrichen wird.

Die Verteilnetze sind die Enabler der Energiewende auf der regionalen Ebene. Die Sicherstellung des Netzanschlusses zahlreicher neuer dezentraler Erneuerbarer Erzeuger und Verbraucher sowie der forcierte Stromnetzausbau und gleichzeitige Gasnetzrückbau stellen aktuelle Herausforderungen dar. Um die Versorgungssicherheit auch in Zukunft gewährleisten zu können, bedarf es eines angemessenen regulatorischen Rahmens. Netztarife mit starkem Leistungsanteil bieten Kund:innen Anreize zur Optimierung ihres Verbrauchs und ihrer Produktion und tragen gleichzeitig zur Effizienz des gesamten Energiesystems bei. Leistungsbezogene Netztarife (Art. 18 BMVO) bieten ein faires Tarifsystem für die Endkund:innen, da sie kostenorientiert sind, die Kund:innen zur Teilnahme an Demand-Response-Aktivitäten zur Reduktion des Leistungsbedarfs ermutigen und es so ermöglichen, die Verteilungskosten durch Optimierung der benötigten Kapazität zu minimieren. Wenn Verteilnetzbetreiber die Vorgabe haben, Leistungen einzukaufen und diese nicht selbst erbringen dürfen, so muss dies als Anteil der Fixkosten von der Regulierungsbehörde anerkannt werden.
 

Dedicated Metering device – Regelungen zu Sub-Meter dürfen Strommarktdesign nicht grundlegend ändern

Das Strommarktdesign basiert momentan auf Zählpunkten. Eine Erweiterung der Regelungen um Sub-meter, also mehrere Zähler hinter einem Zählpunkt, würde das Strommarktdesign grundlegend ändern (Art. 7b BMVO und Art. 4 BMRL). Die ITtechnische Umsetzung stellt Netzbetreiber sowohl vor finanzielle als auch technische Herausforderungen. Hier bedarf es eines längerfristigen Umsetzungszeitraums, auch um die gewohnt hohe Qualität des Datenmanagements und der Verrechnung, entsprechend den derzeit geltenden gesetzlichen Vorgaben gewährleisten zu können. Allerdings muss hierbei auch darauf geachtet werden, dass alle verbauten Zähler geeicht sind und den entsprechenden Eichvorschriften entsprechen. Außerdem muss jeder Zähler den technischen Spezifikationen und Qualitätskriterien des Verteilnetzbetreibers entsprechen und die Interoperabilität muss gewährleistet sein, um die Kommunikation mit dem Stromverteilernetzbetreiber und allen anderen relevanten Marktteilnehmern zu garantieren.

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