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Positionspapier Energiegemeinschaften, die neuen Marktteilnehmer

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Was notwendig ist, um sie erfolgreich in den Energiemarkt zu integrieren

Ausgangslage

Der dezentrale Ausbau erneuerbarer Energien ist ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zu einem klimaneutralen Energiesystem. Um auch betroffene Bürger zu Beteiligten der Energiewende zu machen, Investitionen in Erneuerbare Erzeugungsanlagen zu unterstützen und die lokale Akzeptanz von Projekten zur Energiegewinnung zu erhöhen, sieht das Clean Energy Package neue Rollen für Verbraucher vor. Diese sollen Stromkunden Möglichkeiten und Anreize bieten, Strom selbst zu erzeugen und unter Nutzung des öffentlichen Netzes gemeinsam zu teilen und zu verbrauchen. Die lokale Nutzung der Energie steht dabei im Vordergrund. Für Zeiten, in denen selbst nicht ausreichend Energie erzeugt werden kann, stehen weiterhin die etablierten Energieunternehmen als Partner zur Verfügung. Dabei müssen weiterhin das Recht der freien Lieferantenwahl als auch Konsumentenrechte und Transparenzerfordernisse für die neuen Marktteilnehmer gelten.

Oesterreichs Energie begrüßt die neuen Marktrollen der Erneuerbaren-Energie- und der Strombinnenmarkt-Richtlinie, wie sie mit dem Eigenversorger und dem Aktiven Kunden sowie dem gemeinsam handelnden Kunden in Form von der Erneuerbaren Energiegemeinschaft, der Bürgerenergiegemeinschaft und dem gemeinsam handelnden Eigenversorger vorgesehen sind.
 

Österreichs E-Wirtschaft als Partner

Die österreichische E-Wirtschaft versteht sich bei der Umsetzung der neuen Rollen als Enabler und Koordinator der Energiewende. Um allen Beteiligten eine faire und unbürokratische Teilhabe zu ermöglichen und gleichzeitig einen sicheren Umbau des Energie-systems zu gewährleisten, setzt sich die Branche für eindeutige Rollendefinitionen mit Rechten und Möglichkeiten, aber auch Pflichten, ein, die klare Impulse für einen raschen, kosteneffizienten und systemverträglichen Ausbau erneuerbarer Energiequellen und deren Marktintegration setzen.  
 

Regionalität und Nähe zum Projekt

Mit diesen neuen Marktrollen besteht die große Chance, Energiekunden, die bisher nur ein-geschränkt an der Umgestaltung des Energiesystems in Richtung Erneuerbare Energieträger teilnehmen konnten, zu erreichen und ihnen eine aktive Rolle zu bieten. Damit besteht gleichzeitig die Möglichkeit, die Akzeptanz der betroffenen Bürger und Kunden für den Aus-bau von Ökostromanlagen zu erhöhen. Die Möglichkeiten der Partizipation an erneuerbaren Erzeugungsanlagen rücken näher zu den Kunden als bisher und die Regionalität und Nähe zum Projekt wird ein zusätzlicher Motivationsfaktor für die Teilnahme sein.

Kundenzentrierte Lösungen

Wesentliches Erfolgskriterium für die Verbreitung von Energiegemeinschaften wird sein, aktiv die unterschiedlichen Stakeholder einzubinden (beispielsweise Haushaltskunden, Betriebe, Wohnungswirtschaft, Gemeinden). Die einfache Information über den Ablauf und die Verbindung zum bestehenden funktionierenden Energiesystem sowie die Aufklärung über die Möglichkeiten und Vorteile der Energiegemeinschaften können das Interesse wecken und so können im Dialog mit den Kunden Lösungen erstellt werden. Transparenz und Nachvollziehbarkeit in den Abläufen aus Kundensicht spielen dabei eine wichtige Rolle. Die Energieunternehmen stehen mit ihrer direkten bewährten Schnittstelle zum Kunden als kompetenter Ansprechpartner und Lösungsanbieter insbesondere für Energiedienstleistungen, aber auch Anlagencontracting und Unterstützung bei der Abwicklung sowie der Erfüllung der gesetzlichen Erfordernisse, bereit.

Blick auf Wien
© Regina Hügli

Voraussetzung für den Erfolg  

Um die Versorgungssicherheit und Systemstabilität aufrechtzuerhalten und eine verursacher-gerechte Kostenverteilung sowie einfache Umsetzung zu garantieren, müssen bei der Ausgestaltung der neuen Rollen jedenfalls folgende Prämissen eingehalten werden:

  • Erforderlich sind gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen unter einheitlichenund standardisierten Voraussetzungen für bestehende und neue Marktakteure im gesamten Strommarktsystem.
  • Zur Reduktion der Komplexität sind die neuen Rollen in das bestehende Energiesystem (Marktkommunikation, Bilanzgruppe, Clearing, Verrechnung etc.) mit gleichen Rechten und Pflichten zu integrieren bzw. darauf aufzubauen. Für das Zusammenspiel der Marktteilnehmer sind standardisierte Marktprozesse und Marktrollen zu entwickeln.
  • Unbundling und freie Lieferantenwahl sind wesentliche Eckpfeiler des Wettbewerbsmarktes.
  • Erforderlich ist, dass die Energiegemeinschaft in Form einer eigenen Rechtspersönlichkeit ausgestaltet ist. Die Organisations- bzw. Rechtsform für die Errichtung und Verwaltung einer Energiegemeinschaft soll frei wählbar sein.
  • Die Vorgaben der EU-Richtlinien hinsichtlich Gemeinnützigkeit sind in der nationalen Umsetzung klar zu definieren. Dienstleistungen und Geschäftsmodelle für Energieunternehmen und Dritte sind zu ermöglichen (Contracting oder Leasingmodelle, Abwicklungsdienstleistungen etc.).
  • Voraussetzung für das gemeinsame Handeln der Energiegemeinschaft ist das Eigentum an den Produktionsanlagen, wobei zivilrechtliches Eigentum der Gemeinschaft nicht notwendig ist. Dadurch muss es ermöglicht werden, dass Contractinglösungen realisierbar sind. Dies sollte national klar geregelt werden.
  • Administration und Abrechnung durch Netzbetreiber zur Sicherstellung diskri-minierungsfreier, kosteneffizienter Abwicklung sind zu gewährleisten; für netzbetreiberübergreifende Bürgerenergiegemeinschaften müssen die Instrumente von den Netzbetreibern erst geschaffen werden.
  • Der Netzbetreiber teilt gemessenen Verbrauch in zugeordnete Anteile aus neuen Marktrollen und Restnetzbezug auf.
  • Räumliche Abgrenzung, Regionalität und Nähe zum Projekt wird durch Leistungsgrenzen für die Erzeugungsanlagen der neuen Marktteilnehmer sowie eine eindeutige elektrotechnische Definition eines Nahebereichs maximal bis zum Teilabschnitt eines Mittelspannungsabzweiges gewährleistet; die Leistungsbegrenzung unterstützt die soziale Ausgewogenheit, führt zu einem geringeren Komplexitätsgrad und dient zur Aufrechterhaltung der Versorgungsstabilität und -sicherheit.
  • Erforderlich ist die unbedingte Definition eines Nahbereichs (entsprechend der oben genannten technischen Abgrenzung) für einen reduzierten Netztarif für zugeordnete Anteile aus neuen Marktrollen. Die ortsnahe Nutzung von Energie rechtfertigt auf Grund der Netzdienlichkeit einen reduzierten Tarif. Der reduzierte Tarif gilt einheitlich für alle Teilnehmer einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft:
    • „Netz-Ortstarif“ in Form eines reduzierten Netzentgelts kommt zur Anwendung, wenn das öffentliche Netz nur im unmittelbaren Nahbereich entsprechend der oben genannten technischen Abgrenzung benutzt wird.
    • „Netz-Nulltarif“, also Entfall des Netzentgelts, kommt zur Anwendung, wenn das öffentliche Netz gar nicht genutzt wird (gemeinsame Erzeugungsanlage gem. § 16a ElWOG).
  • Wir empfehlen die Bedachtnahme auf folgenden Umverteilungseffekt: Durch die Begünstigung des Netz-Ortstarifs sowie anderer Förderbeiträge werden Systemkosten auf übrige Endverbraucher überproportional umgelegt. Weiters ist die Beachtung der Ausgewogenheit erforderlich, sodass keine Möglichkeiten der Optimierung des Einzelnen auf Kosten der Allgemeinheit hinsichtlich der Tragung der Kosten für das Gesamtenergiesystem eingeräumt werden
  • Der normale Netztarif kommt außerhalb des Nahbereichs und für den Restnetzbezug zur Anwendung.
  • Klare Prozesse sind durch die Teilnahme eines Kunden ausschließlich an einer Marktrolle bzw. einer Energiegemeinschaft zu gewährleisten.
  • Strom, der von der Erneuerbaren Energiegemeinschaft produziert aber nicht von den Mitgliedern verbraucht oder gespeichert wird, ist nach den geltenden Marktregeln an einen Stromhändler/Lieferanten zu verkaufen, der die Rechte und Pflichten (u.a. ElWOG, Marktregeln etc.) einzuhalten hat.
  • Festzuhalten ist am Prinzip des aktuellen Energiesystems, dass jeder Endverbraucherzählpunkt im öffentlichen Netz nur einem Lieferanten und einer Bilanzgruppe zugeordnet wird.
  • Erforderlich ist die gemeinsame und transparente Abrechnung aller Erzeugungsanlagen innerhalb einer Energiegemeinschaft.
  • Schaffung von klaren Verantwortungen für systemdienliches Verhalten zur Minimierung von Kosten für Ausgleichsenergie: Der bestehende und etablierte Prozess der Marktkommunikation ist um den Informationsaustausch über Verbrauch, Erzeugung, Anteilsverhältnis etc. zwischen Energiegemeinschaften und den anderen Marktteilnehmern zur Minimierung von Ausgleichsenergie zu erweitern. Die neuen Marktrollen werden fair und ausgewogen in das Ausgleichsenergieregime eingebunden (z. B. Pauschalierung, verursachungsgerechte Verrechnung).
  • Kein Aufbau von Parallelnetzen: Netzbetreiber sollen weiterhin als zentrale Stromverteil- und Datendrehscheibe fungieren.
  • Voraussetzung für die neuen Rollen ist ein Smart Meter in der Vollausprägung inkl. Clearing auf ¼-Stunden-Basis; bei Opt.-out bzw. IMS ist keine Teilnahme möglich.
  • Die Mitglieder einer Energiegemeinschaft benötigen einerseits eine transparente Information über das Energiezuteilungsverfahren innerhalb der Gemeinschaft und andererseits eine transparente Information, wie viel an Energie ihnen aus einer Gemeinschaft zugeteilt wurde beziehungsweise wie groß der Restbezug vom individuell gewählten Reststrom-lieferanten ist.
  • Die Implementierung der neuen Marktteilnehmer ist entsprechend aller oben genannten Rahmenbedingungen mit ausreichenden Umsetzungsfristen für die Anpassung der Marktkommunikation und -prozesses sowie einem regelmäßigen Monitoring innerhalb eines Stakeholderdialogs durchzuführen, damit einerseits aus den laufenden Praxiserfahrungen gelernt und andererseits die Einführung für alle Beteiligten ein Erfolg wird.

Ansprechpartner

Alexandra Herrmann-Weihs
Leitung Handel & Vertrieb
+43 1 501 98 212
+43 676 845 019 212
a.herrmann@oesterreichsenergie.at
Ursula Tauschek
Leitung Netze
+43 1 501 98 223
+43 650 940 60 40
u.tauschek@oesterreichsenergie.at