Positionspapier Maßnahmen für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität
Input von Oesterreichs Energie zum Leuchtturm 3 der #mission2030
Hintergrund und Ausgangslage
Die Verkehrswende ist einer der größten Hebel, um die Klimaziele in Österreich zu erreichen. Im Unterschied zur Energiewirtschaft leistet der Verkehrssektor bislang keinen angemessenen Beitrag zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen: Der Verkehr insgesamt ist mit einem Anteil von rund 46 Prozent der Gesamtemissionen (außerhalb des ETS) der emissionsstärkste Sektor. Rund die Hälfte davon entfällt auf den PKW-Verkehr. Seit 1990 sind die Emissionen im Verkehrsbereich um rund 72 Prozent stetig angestiegen. Für eine erfolgreiche und nachhaltige Energiewende ist demnach eine massive Dekarbonisierung und Effizienzverbesserung des Verkehrssektors erforderlich. Die Klima- und Energiestrategie sieht folglich eine CO2-Reduktion um mindestens 7,2 Millionen Tonnen bzw. 31 Prozent gegenüber 2016 bis 2030 vor.
Der Elektromobilität kommt für die Erreichung der gesetzten Klima- und Energieziele eine bedeutende Rolle zu, da sie einen entscheidenden Beitrag sowohl zur Dekarbonisierung als auch zur Verbesserung der Energieeffizienz leisten kann. Demzufolge bewertet Oesterreichs Energie das in der #mission2030 formulierte Bekenntnis, den Ausbau der Ladeinfrastruktur voranzutreiben und die rechtlichen Rahmenbedingungen verbessern zu wollen, als positiv. In der Tat liegen die größten Herausforderungen bei der Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektromotor im Aufbau einer leistungsfähigen, flächendeckenden und sicheren Ladeinfrastruktur sowie in der Aufrüstung der Stromnetze.
Zwar ist die Elektromobilität in Österreich dabei, Fahrt aufzunehmen – das Angebot an E-Fahrzeugen wird vielfältiger, die Neuzulassungen steigen kontinuierlich an und auch der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur geht voran – allerdings bedarf es aus Sicht von Österreichs E-Wirtschaft noch einer Reihe an Maßnahmen, um einerseits attraktive, wettbewerbsfähige Produkte anbieten zu können und andererseits bestehende regulatorische Hürden abzubauen, um die Potenziale der Elektromobilität für eine gelingende Mobilitätswende zu heben. Der bedarfsgerechte Ausbau einer flächendeckenden Ladeinfrastruktur benötigt zielgerichtete Rahmenbedingungen und insbesondere die rechtlichen Anpassungen von bestehenden Gesetzen und Verordnungen:
Laut einer aktuellen Hochrechnung der AustriaTech müssen im Zeitraum 2019 bis 2030 bundesweit täglich rund 330 Ladeboxen installiert werden, damit die Ausbauziele erreicht werden können. Ohne die nachstehend geforderten regulatorischen Anpassungen kann nur ein Bruchteil der notwendigen Lademöglichkeiten errichtet werden.
Modernisierung des Wohnrechts
Die derzeit bestehenden wohn- und zivilrechtlichen Rahmenbedingungen sollten nicht nur aus dem Aspekt gemeinschaftlicher Erzeugungsanlagen sondern auch für die Erleichterung der Errichtung von Ladeinfrastruktur für E-Mobilität angepasst werden.
Die Errichtung eines privaten E-Ladesystems stellt Eigentümer wie Mieter derzeit vor enorme juristische Herausforderungen, da für deren Genehmigung (z. B. in Wohnhausanlagen) praktikable gesetzliche Regelungen fehlen. Die Vielzahl dabei berührter immobilienrechtlicher Regelungen bedingt eine hohe Komplexität, weshalb es rasch klare Rahmenbedingungen für die Errichtung privater Ladestationen braucht, die sowohl Neubauten als auch Bestandsgebäude berücksichtigen.
Folglich fordert Oesterreichs Energie, dass das Wohnrecht modernisiert werden muss. Ohne die entsprechenden Gesetzesänderungen im Wohnrecht kann die Umsetzung gewünschter technologischer Entwicklungen wie Elektromobilität oder die Einführung intelligenter dezentraler Energiesysteme nicht gelingen. Konkret fordert Österreichs E-Wirtschaft folgende rechtliche Anpassungen:
- § 16 WEG: Die Errichtung und der Betrieb von Ladesystemen sollen zum Katalog privilegierter Maßnahmen hinzugefügt werden.
- § 28 WEG: Die Errichtung und der Betrieb von Ladesystemen sollen zu einer Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung nach § 28 (1) WEG werden.
- § 4 MRG: Ladesysteme sollen unter „Normale Ausstattung“ fallen.
Sowohl Mieter als auch Eigentümer müssen künftig die Möglichkeit haben, ihr Elektroauto direkt und unkompliziert in der eigenen Garage oder am Parkplatz aufzuladen. Ziel sollte insgesamt sein, den Zugang zur Ladestation so einfach wie einen Internetzugang möglich machen zu können.
Nachrangige Behandlung von Ladeinfrastruktur im Wohnbau
Um eine effiziente Nutzung der Netzinfrastruktur zu gewährleisten, ist es aus Sicht von Österreichs E-Wirtschaft erforderlich, eine nachrangige Nutzung von Netzleistung für Ladeinfrastruktur im Wohnbau zu ermöglichen. Das bedeutet, dass beispielsweise in den Abendstunden, in denen aufgrund einer hohen Auslastung zu wenig Leistung bei einem Hausanschluss vorhanden ist, die Ladeleistung der Ladestationen heruntergeregelt wird. Das hätte zur Folge, dass der Bedarf an zusätzlichem Leistungsausbau für die Versorgung der Ladeinfrastruktur abgemildert werden kann.
Generell ist darauf zu achten, dass moderne Ladeeinrichtungen die technischen Anforder-ungen erfüllen, um autonom, abhängig von der lokalen Netzspannung, die Ladeleistung regeln können. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Möglichkeit der Steuerung von Ladevorgängen durch die Netzbetreiber zu, die als einzige über die dafür notwendigen Informationen über die Netzsituation verfügen und bei Bedarf die maximal verfügbare Ladeleistung vorgeben können.
Gemäß den geltenden Regelungen ist das einphasige Laden durch die Ladestation strikt auf 3,68 kVA zu begrenzen.
Zudem ist eine lückenlose harmonisierte Meldepflicht aller Ladeeinrichtungen beim Netzbetreiber (Meldeformular) eine notwendige Voraussetzung und unverzichtbare Informationsquelle für eine forcierte Ermöglichung der Elektromobilität.
Maßnahmen zur Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie 2018/844
Grundsätzlich wird die Verpflichtung von Leerverrohrungen im Neubau und großen Sanierungen äußerst positiv gesehen. In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, dass auf Grund einer fehlenden Definition von Leerverrohrung die Wirksamkeit dieser an sich sehr sinnvollen Regelung massiv eingeschränkt wird. Ohne eine entsprechende Standardisierung kann dieser Regelung nicht sinnvoll nachgekommen werden.
Um die Zielsetzungen der EU-Gebäuderichtlinie für den Ladeinfrastrukturausbau tatsächlich umzusetzen zu können, sollten durch die Anerkennung der Mehrkosten für Vorbereitungsmaßnahmen (Zuleitungen, Leerverrohrungen, Platz für Verteiler) im Rahmen der Wohnbauförderung Anreize geschaffen werden.
Demnach fordert Österreichs E-Wirtschaft die Festlegung bundesweiter Standards sowie die Anerkennung der Mehrkosten für E-Mobilitäts-Vorbereitungsmaßnahmen im Rahmen der diversen Wohnbauförderungs-Programme. Als Grundlage für die Dimensionierung von Leerverrohrungen für Ladestellen ist von einer Ladeleistung von 11 kW dreiphasig auszugehen. Zusätzlich ist eine gesonderte Leerverrohrung für Steuerleitungen einzuplanen und auszuführen. Darüber hinaus sind Stellflächen in Technik- und Verteilerräumen vorzusehen.
Im Zuge dessen gilt es auch, regulatorische Hemmnisse und bürokratische Hürden im Genehmigungsprozess für die Errichtung von Ladeinfrastruktur zu beseitigen.
Nachdem der Genehmigungsprozess beim Ladeinfrastrukturausbau eine wesentliche Herausforderung darstellt, ist aus Sicht von Österreichs E-Wirtschaft eine bundesweite Regelung notwendig, wonach E-Lademöglichkeiten von den Vollzugsbehörden einheitlich als genehmigungsfreie Anlagen erachtet werden, sofern keine ungewöhnlichen oder gefährlichen Umstände auftreten.
Errichtung von Ladeinfrastruktur erleichtern: EU-rechtliche Regelung der umsatzsteuerlichen Behandlung von Roaming
Mit der stark wachsenden Popularität der Elektromobilität gewinnt auch der grenzüberschreitende Verkehr mit E-Fahrzeugen immer mehr an Bedeutung. Roaming in der E-Mobilität bedeutet, dass Kunden eines Service-Providers auch an Ladestationen anderer Anbieter laden können, ohne dazu einen gesonderten Vertrag abschließen zu müssen.
Durch die aktuelle gesetzliche Bestimmung (§ 3 Abs. 14 UStG – Lieferung von Strom an Abnehmer, die keine Wiederverkäufer sind), muss sich jeder Anbieter von E-Roaming in dem jeweiligen Land, in dem seine Kunden Ladungen von E-Fahrzeugen vornehmen, steuerlich registrieren und eine Umsatzsteuererklärung abgeben. Dies hat zur Konsequenz, dass Mobilitätsanbieter mit einer Vielzahl von Steuerregimen umgehen müssen und für die steuerlichen Vertretungen sehr hohe Kosten (pro Land bis zu 10.000 Euro pro Jahr) zu tragen haben, wobei die Umsätze bzw. die abzuführende Steuer in keinem Verhältnis dazu stehen.
Um den Markthochlauf der Elektromobilität nicht zu bremsen und gleichzeitig das grenzüberschreitende Laden auch steuerrechtlich zukunftsfit zu machen, bedarf es einer auf europäischer Ebene abgestimmten Regelung im Umsatzsteuergesetz analog zum Roaming für elektronisch erbrachte sonstige Leistungen (z. B. bei Telekommunikationsanbietern).
Zu diesem Zweck muss die Regelung des Mini-One-Stop-Shops (kurz MOSS) auch auf Roaming-Umsätze anwendbar gemacht werden, wodurch die umsatzsteuerliche Registrierung im jeweiligen Land, in dem der Roaming-Umsatz erfolgt, entfallen würde.
Standardisierung der fahrzeugseitigen Ladeinfrastruktur
Eine europaweite bzw. internationale Normung und Standardisierung ist unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche Marktdurchdringung und erhöht die Investitionssicherheit. Klare fahrzeugseitige EU-Standards sind unerlässlich für den Markthochlauf der E-Mobilität. Insbesondere eine einheitliche fahrzeugseitige Ladeinfrastruktur würde Kosten reduzieren. Um das Stromnetz zu entlasten und die Kundenzufriedenheit bzw. Akzeptanz zu erhöhen, sollte auf EU-Ebene eine serienmäßige Ausrüstung von E-Fahrzeugen mit einem CCS-2-Stecker für die Gleichstromladung (DC) sowie eines „Typ-2-Steckers“ für die Ladung mit Wechselstrom umgesetzt sowie die verpflichtende Verbauung eines 3-Phasen-Ladegeräts als Standard festgelegt werden.
Anpassungen im Mess- und Eichrecht
Im Sinne der Kundenorientierung und vor dem Hintergrund der rasch voranschreitenden technischen Entwicklung der Ladetechnik mit sehr hohen Ladeleistungen (bis zu 350 kW) bei gleichzeitig unterschiedlichen Lademöglichkeiten der Fahrzeuge braucht es praktikable Regelungen, die eine Energieverrechnung möglich machen.
Wünschenswert wäre ein europaweit einheitliches System für die Erfassung, Signierung und Weiterleitung der signierten Messdaten von Ladevorgängen, mit der Möglichkeit der Überprüfung der Daten für die E-Mobility Provider und die Kunden mittels einer einheitlichen Transparenzsoftware. Bis dahin soll es in Österreich möglich sein, mit signierten Messdaten von Ladevorgängen und Transparenzsoftware eichrechtskonform abzurechnen. Dabei sind auch gegenwärtige Anforderungen zu evaluieren und die Möglichkeiten und Zulässigkeit der Anzeige signierter Messdaten auf einem abgesetzten Sichtfenster wie beispielsweise Endgeräten (Smartphone, Tablet, Display im Fahrzeug, etc.) auszuloten.
Im Fall umfassender Änderungen, die mit großem technischen und administrativen Aufwand für die betroffenen Unternehmen verbunden wären, muss den Ladestellenbetreibern jedenfalls eine angemessene Frist gegeben werden, ihre Systeme umzustellen. Die bisher von Österreichs E-Wirtschaft getätigten Investitionen, welche Österreich zu einem Vorreiter in Europa bei einer flächendeckenden Versorgung mit Ladeinfrastrukturausbau gemacht hat, müssen gesichert bleiben.
Regulatorische Maßnahmen und Anreize
Hinsichtlich der in der #mission2030 angekündigten Evaluierung der steuerlichen Anreize halten wir diese grundsätzlich für zielführend und weitere steuerliche Anreize für wünschenswert. Ein verstärkter Umstieg auf Elektromobilität würde große Effizienzgewinne realisieren und CO2-Emissionen reduzieren. Bestehende Förderungen für Private und Unternehmen, wie NOVA- und Sachbezugsbefreiung, sollen weitergeführt und erweitert werden, z. B. durch Ausnahmen von Gebühren (Vignette etc.) oder Ausnahmen vom IG-L für E-Autos etc. Oesterreichs Energie begrüßt zudem den Ausbau des Modells der Kofinanzierung mit der Fahrzeugwirtschaft und Automobilindustrie.
Steuerliche Anreize müssen die Errichtung netzverträglicher Ladeeinrichtungen sowohl im privaten als auch im halböffentlichen Bereich wirkungsvoll fördern. Mit entsprechenden Anpassungen des derzeitigen Förderregimes könnten hierzu bereits auf nationaler Ebene erste Schritte gesetzt werden.
Erhöhung der Forschungsinvestitionen im Bereich E-Mobilität
Im Rahmen der Forschungs- und Innovationsprogramme sind insbesondere Schwerpunkte in den Bereichen Energiespeicherung, Netzintegration und intelligente Ladesysteme sowie Kundenverhalten zu setzen.
Insgesamt wäre eine zeitnahe Konkretisierung der „Entwicklungsziele für den Ausbau der Elektromobilität“ – wie in der #mission2030 angekündigt – wünschenswert.
Neugestaltung der Netztarife: Stärkere Verankerung der Leistungskomponente
Aufgrund des zu erwartenden hohen Leistungsbedarfes beim Laden von E-Fahrzeugen müssen Anreize geschaffen werden, um die dadurch entstehenden Lastspitzen im Netz abzumildern. Aus Sicht von Oesterreichs Energie ist eine signifikante Leistungskomponente in den Netztarifen das geeignete Mittel dazu.
Oesterreichs Energie sieht mittel- bis langfristig intelligente Stromnetze und Zähler (Smart Meters, Smart Grids) als Enabler für eine effiziente Nutzung bestehender Infrastruktur. Aus diesem Grund wird angeregt, die für den Ausbau der Elektromobilität erforderlichen Netzinvestitionen bei der Kostenermittlung der Systemnutzungstarife (§§ 51 ff ElWOG) mit zu berücksichtigen.
Insgesamt könnte auf diesem Weg eine optimale Nutzung der bestehenden Lade- und Netzinfrastruktur sichergestellt werden. Mit entsprechenden Anpassungen des derzeitigen Förderregimes könnten hierzu bereits auf nationaler Ebene erste Schritte gesetzt werden.
Um die bestehende Netz- und Erzeugungsinfrastruktur optimal nutzen zu können, schlägt Oesterreichs Energie vor, Smart-Charging zu incentivieren. Die zunehmend volatiler werdende Energieerzeugung erfordert entsprechende Speichersysteme bzw. optimal vernetzte und integrierte Systeme auch im Bereich E-Mobilität. Dies kann durch steuerbare (Lade-)Infrastruktur erreicht werden. Voraussetzung dafür sind flächendeckend intelligente Ladepunkte. Incentivierungen derartiger Smart-Charging-Systeme würden zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität beitragen.
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