Bild im Seitenkopf

Leistungsschalter: Auf der Suche nach Alternativen zu SF6

Ungefähre Lesezeit dieser Seite: Minute(n)

Ab 1. Jänner 2026 werden die ersten Verbote für die Verwendung von SF6 in neuen Schaltanlagen gültig. Ab dem 1. Jänner 2035 ist der Einsatz von SF6 zur Instandhaltung sowie Wartung elektrischer Schaltanlagen in der EU weitgehend untersagt. Auf der Mittelspannungsebene bewährte Vakuumschalter können aber grundsätzlich auch auf der Hochspannungsebene verwendet werden, zeigen Versuche von Oesterreichs Energie und der TU Graz. 

Umspannwerk von oben
SF6 darf in neuen Schaltanlagen nicht mehr verbaut werden: Welche Alternativen gibt es?

Mit der Verordnung (EU) 2024/573 vom 7. Februar 2024 über fluorierte Treibhausgase („F-Gase-Verordnung“) schränkt die EU-Kommission die Verwendung von Schwefelhexafluorid (SF6) in der Elektrizitätswirtschaft künftig erheblich ein. Je nach Spannungsebene treten die ersten Verbote für SF6 in Neuanlagen bereits 2026 in Kraft. Ab dem 1. Jänner 2035 ist seine Nutzung für die Instandhaltung oder Wartung elektrischer Schaltanlagen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, vollständig „verboten, sofern es nicht aufgearbeitet oder recycelt wurde“.

Bei ihrem Vorgehen im Hinblick auf SF6 kann die Kommission auf vermeintlich gute Gründe verweisen: Laut dem sechsten Sachstandbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zur Lage des Weltklimas ist SF6 das stärkste bis dato bekannte Treibhausgas. Das Freisetzen eines einzigen Kilogramms der Chemikalie hat dieselbe Auswirkung auf das Klima wie die Emission von 24 Tonnen CO2. Vergessen wird dabei jedoch, dass die E-Wirtschaft SF6 zwar in relativ großen Mengen verwendet, diese aber im geschlossenen Kreislauf hält und nur in sehr geringem Maße emittiert. Dennoch ist es nicht nur für die E-Wirtschaft aufgrund der EU-Gesetze nun dringend erforderlich, nach Alternativen zu SF6 zu suchen.

Die Mitgliedsunternehmen von Oesterreichs Energie, die in ihren Anlagen SF6 verwenden, bereiten sich schon seit Längerem auf das kommende Verbot vor. Sie untersuchen insbesondere auch, welche Möglichkeiten für den Ersatz des Gases, das in Leistungsschaltern nicht zuletzt zum Löschen bei Schaltvorgängen immer wieder auftretender Lichtbögen dient, auf der Hochspannungsebene bestehen. Dabei sind Erprobungen in der Praxis verständlicherweise unumgänglich. 

Bei Vakuum-Leistungsschaltern befinden sich die Kontakte zur sicheren Löschung der Schaltlichtbögen in einem Vakuum. Auf der Mittelspannungsebene gelten solche Geräte schon seit einiger Zeit als Stand der Technik. Es liegt daher nahe, zu testen, ob diese grundsätzlich auch auf der Hochspannungsebene Verwendung finden könnten. Am 22. und 23. Oktober vergangenen Jahres sowie am 13. März des heurigen Jahres führten Fachleute der E-Wirtschaft, der Technischen Universität Graz sowie des Mechatronik- und Elektrotechnikunternehmens Artemes im Umspannwerk Ternitz der Austrian Power Grid (APG) daher Versuche mit dem 123-Kilovolt-Vakuum-Leistungsschalter 3AV1FG der Siemens Energy durch. Wie sich dabei zeigte, sind derartige Geräte grundsätzlich durchaus geeignet, die Leistungsschalter, die SF6 enthalten, zu ersetzen. 

Auch das Ausschalten des Transformators während dem Auftreten des Inrushstroms kann durch den Vakuum-Leistungsschalter durchgeführt werden. Dabei sind die Steilheiten und Amplituden dieser Schaltüberspannungen als unkritisch zu bewerten.

Einmal mehr bewährte sich bei diesen Erprobungen die ausgezeichnete Zusammenarbeit der österreichischen Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber untereinander sowie mit den einschlägigen wissenschaftlichen Einrichtungen. Die wissenschaftliche Begleitung war bei den Versuchen ein wesentlicher Punkt. An die TU Graz wandte sich die E-Wirtschaft, weil diese in ganz Europa als Vorreiterin bei der Durchführung derartiger Projekte gilt. Wie seitens der E-Wirtschaft betont wird, haben die Ergebnisse der Versuche mit dem 3AV1FG weit über die Grenzen Österreichs hinaus Bedeutung. Nicht zuletzt aus diesem Grund werden sie dem Fachpublikum auf verschiedenen Ebenen bekannt gemacht. 
 

Erstmals im 110-kV-Netz 

Bei den Versuchen setzte die APG erstmals einen Vakuum-Leistungsschalter in ihrem 110-Kilovolt-Netz ein. Insbesondere ging es darum, zu untersuchen, wie sich ein derartiges Gerät im Hochspannungsnetz im Betriebs- sowie im Fehlerfall verhält. Eingebaut wurde der Schalter in der Querkupplung des Umspannwerks. Dies machte es möglich, eine Vielzahl unterschiedlicher Schaltzustände und Szenarien abzudecken. 

Wie es im Abschlussbericht zu dem Projekt heißt, „wurden Schalthandlungen an Freileitungen, nahen und fernen Trennern, das Zu-und Abschalten von Transformatoren sowie ein-, zwei- und dreipolige Fehler durchgeführt und aufgezeichnet. Im Hinblick auf das Schaltvermögen des Vakuum-Leistungsschalters für Kondensatorbatterien und Kompensationsdrosseln gibt es betriebliche Restriktionen, weshalb diese Betriebsmittel nicht in die Versuche integriert wurden“. Nachsatz: „Das Schalten von Induktivitäten stellt im Allgemeinen eine große Herausforderung für Schaltgeräte dar.“

Die Fachleute, die die Versuche durchführten, versahen den Leistungsschalter und die umgebenden Anlagen mit breitbandigen Systemen für Strom- und Spannungsmessungen. Darüber hinaus führten sie Messungen der Ortdosisleistung (durch AGES) sowie der Stromwandler-Remanenz durch und bestimmten wesentliche Kennwerte des Leistungsschalters. Darunter waren beispielsweise die Kontaktwiderstände und die Ein- und Ausschalt-Eigenzeit. 
 

Weitgehend unproblematisch 

Dem Bericht zufolge wurden im Verlauf der Betriebsschaltungen keine Auffälligkeiten festgestellt, die auf den Einsatz des Vakuum-Leistungsschalters zurückgeführt hätten werden können. Anders als das Schalten von Kompensationsdrosseln ist das Schalten von Transformatoren nach den bisherigen Erfahrungen nur mit geringen Anforderungen an die Leistungsschalter verbunden. Bei den Versuchen mit dem 3AV1FG ließ sich dies bestätigen. Lediglich einmal traten Wiederzündungen auf, die jedoch als unproblematisch eingestuft werden konnten. „Auch das Ausschalten des Transformators während dem Auftreten des Inrushstroms (starker Einschaltstrom, Anm.) kann durch den Vakuum-Leistungsschalter durchgeführt werden. Dabei sind die Steilheiten und Amplituden dieser Schaltüberspannungen als unkritisch zu bewerten“, heißt es in dem Bericht. 

Ein von der Arbeit mit den SF6-Schaltern bekanntes Phänomen zeigte sich auch bei den Versuchen mit dem Vakuum-Leistungsschalter: Bei der Behebung dreipoliger Klemmenkurzschlüsse kommt es beim Ausschalten ebenfalls zu Wiederzündungen. Sie treten dem Bericht zufolge während des Öffnens der Schalterpole auf, während dem der Leistungsschalter „noch nicht seine volle Isolationsfestigkeit besitzt. Dieser Effekt ist bei einem ungünstigen Schaltzeitpunkt nicht vermeidbar und ist in den einschlägigen Normen als zulässig definiert“. 

Darüber hinaus ergaben sich bei der Klärung eines dreipoligen Abstandskurzschlusses zwei sogenannte Non-Sustained Disruptive Discharges (NSDD). Bei diesem Phänomen „kollabiert die Spannung über den Leistungsschalter aufgrund von Entladungen im Inneren des Schalters vorübergehend. Die NSDDs dauerten maximal 200 Mikrosekunden an und sind als unproblematisch zu bewerten“. Insgesamt seien die Versuche weitgehend erwartungsgemäß und zur vollen Zufriedenheit verlaufen. 

Weitere spannende Berichte zum Thema Energie finden Sie in der „StromLinie“. Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins zur Energiewende finden Sie hier.
 

Kostenloses Abo – jetzt bestellen!

Wenn sie die „StromLinie“ künftig per Post erhalten möchten, können Sie unser Magazin auch kostenlos abonnieren.