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Factsheet Sektorkopplung

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Ausgangslage und Klimaziele

Österreich hat sich ambitionierte klimapolitische Ziele gesetzt, die eine umfassende Transformation des Energiesystems hin zu einer langfristig vollständigen Dekarbonisierung erfordern. Mit der sogenannten Klima- und Energiestrategie #mission2030 hat die vergangene Bundesregierung die Ziele weiter konkretisiert. Bis Ende 2019 muss ein entsprechender Nationaler Energie- und Klimaplan ausgearbeitet werden.

Die Erreichung dieser Ziele soll auf zwei Säulen basieren: Zum einen soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch von derzeit 33,5 Prozent auf 45­–50 Prozent bis 2030 angehoben werden. Zum anderen soll eine Erhöhung der Energieeffizienz die Senkung der Treibhausgasemissionen unterstützen.
 

Im Bereich der Stromerzeugung soll der (bilanzielle)

Anteil der Ökostromerzeugung am Stromverbrauch auf 100 Prozent erhöht werden. Neben dem Stromsektor sind aber insbesondere auch in den weiteren Verbrauchssektoren Mobilität, Gebäude und Industrie wesentliche Fortschritte bei der Dekarbonisierung zu erzielen, damit die für das Jahr 2030 gesetzten Ziele und die noch zu erstellende Langfriststrategie für 2050 erreicht werden können.
 

Was ist Sektorkopplung?

In der Diskussion um Möglichkeiten zur konkreten Umsetzung der klimapolitischen Ziele wird in Österreich der sogenannten „Sektorkopplung“ eine besondere Rolle zugemessen. Bei der Sektorkopplung geht es darum, dass die bislang eher getrennt betrachteten Systeme („Sektoren“) der Strom-, Gas- und Wärmeinfrastruktur zukünftig stärker miteinander verknüpft werden. Zudem soll Strom, wo sinnvoll, in zunehmendem Maße in anderen Sektoren (Mobilität, Industrie, Wärme etc.) eingesetzt werden. Durch erneuerbaren Strom (Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik und Biomasse), aber auch durch die Einspeisung von erneuerbarem Gas (z. B. Wasserstoff, Biomethan) in das Erdgasnetz, wird die Dekarbonisierung anderer Sektoren ermöglicht. Letzteres wird in manchen Quellen mit dem Begriff „Sektorintegration“ von der „Sektorkopplung“ differenziert.

Erneuerbare Energien können als klimaneutraler Energieträger in diesen Sektoren teilweise auch direkt eingesetzt werden (bspw. in Form von Solarthermie oder Biomasse), das Potenzial ist aus heutiger Sicht aber begrenzt – sowohl was den Umfang verfügbarer Rohstoffe als auch was die Prozesse und Anwendungen anbelangt, in denen solch eine Form der Substitution möglich ist.

Anwendungsbeispiele für Sektorkopplung finden sich neben verschiedenen Varianten von Power-2-Heat (Wärmepumpe, Elektrodenkessel, etc.), Power-2-Gas (Wasserstoff­herstellung mittels Elektrolyse), der Elektromobilität und diversen industriellen Prozessen auch im Bereich der KraftWärme-Kopplung (KWK). Sektorkopplung findet bei der KWK nicht durch die Umwandlung von Strom in Wärme statt, sondern indem mittels einer besonders hohen energetischen Ausnutzung der eingesetzten Brennstoffe in einem Kraftwerk neben Strom auch Wärme in einem gemeinsamen Prozess gewonnen wird.

Welche der vielfältigen Techniken zur Sektorkopplung sich in welchem Ausmaß durchsetzen werden – oder sich im Hinblick auf energiepolitische Ziele wie Kosteneffizienz, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit durchsetzen sollten – ist heute noch nicht klar absehbar und wird durch technologische und insbesondere regulatorische Entwicklungen beeinflusst.
 

Chancen durch Sektorkopplung

Sektorkopplungstechniken werden ein wesentlicher Baustein zum kosteneffizienten Erreichen der Energie- und Klimaziele sein, indem Potenziale aus einem Sektor in einem anderen nutzbar gemacht werden. Hierbei ergeben sich insbesondere in vier Bereichen positive Effekte:

 

Strom wird in Österreich bereits jetzt zu fast drei Viertel aus Erneuerbaren produziert und dieser Anteil wird weiterhin steigen. Durch Sektorkopplung lässt sich diese CO2-Reduktion auch in Wärmenetzen und im Verkehr voranbringen, wo dies anders nur mit deutlich höherem Aufwand möglich wäre. Damit kann die Sektorkopplung einen wichtigen Beitrag zur notwendigen Wärme- und Verkehrswende leisten und auch bei der Dekarbonisierung der Industrie kommt ihr eine entscheidende Rolle zu.

 

Die Sektorkopplung hat auch einen direkten positiven Effekt auf den Stromsektor. Der zunehmende Anteil an volatil einspeisender Stromerzeugung stellt die Stromnetze vor wachsende Herausforderungen, welche durch die oftmals flexiblen Lasten aus Sektorkopplungs-Anwendungen (etwa Power-2-Heat oder Pufferbatterien bei der E-Ladeinfrastruktur) abgefedert werden können. Zudem wird der Sektorkopplung auch eine wichtige Rolle bei der Verlagerung von Überschüssen der erneuerbaren Strom­erzeugung aus dem Sommer in den Winter (z. B. in Form von methanisiertem Wasserstoff) zukommen.

Dieser Verlagerungseffekt hat auch weitere positive Ef­fekte, denn durch die Bereitstellung CO2-freier Energie für Gas- und Wärmenetze können bestehende Infrastrukturen, von Netzen über Speicher bis hin zu Endnutzeranwendungen, erhalten und weiter genutzt werden. Dadurch können Kosten gespart und Mittel effizienter eingesetzt werden.

Eine größere Vielfalt an Energieträgern und Erzeugungs-, Speicher- bzw. Umwandlungsanlagen erhöht die Resilienz des Energiesystems und damit die Versorgungssicherheit. Auch zur Versorgungssicherheit trägt bei, dass die Importabhängigkeit durch die gesteigerte Nutzung von lokal erzeugter, erneuerbarer Energie reduziert wird. 

Einflüsse auf Sektorkopplung

Sektorkopplungstechniken sollten sich überall dort und in dem Umfang durchsetzen, wo sie die günstigste Alternative zur Deckung einer Nutzenergienachfrage (etwa nach Wärme oder Mobilität) darstellen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die sogenannten „staatlich induzierten Preisbestandteile“, also jene Teile des Preises für Endverbraucher, welche durch Steuern, Abgaben, Gebühren, Marktregeln, usw. auferlegt werden und verursachungsgerecht verteilt werden sollten.

Ist das nicht der Fall, können einzelne Energieträger, gewisse Verbrauchsmuster, die Umwandlung von einem in einen anderen Energieträger, etc. bevorzugt oder be­nachteiligt werden. In Österreich sind solche Abgaben meist historisch gewachsen, orientieren sich nicht an den Emissionen oder berücksichtigen nur unzureichend die Anforderungen eines zukünftigen Energiesystems (siehe Abbildung unten). Dadurch wird die sektorübergreifende Integration der Energieträger und Dekarbonisierungs­strategien erschwert.

Soweit staatlich induzierte Preisbestandteile die Relevanz der Sektorkopplung als zentraler Baustein zum Erreichen der Energie- und Klimaziele sowie zur Aufrechterhaltung der hohen Versorgungssicherheit in Österreich noch nicht abbilden und die Verbreitung derartiger Ansätze und Technologien erschweren, ist eine grundlegende Evaluierung dringend erforderlich.

Soweit staatlich induzierte Preisbestandteile die Relevanz der Sektorkopplung als zentraler Baustein zum Erreichen der Energie- und Klimaziele sowie zur Aufrechterhaltung der hohen Versorgungssicherheit in Österreich noch nicht abbilden und die Verbreitung derartiger Ansätze und Technologien erschweren, ist eine grundlegende Evaluierung dringend erforderlich.

Staatlich induzierte Preisbestandteile