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Studie: Der volkswirtschaftliche Wert der Stromverteilnetze auf dem Weg zur Klimaneutralität in Österreich

Eine Studie von Frontier Economics und dem Austrian Institute of Technology im Auftrag von Oesterreichs Energie zeigt: Eine Unterdimensionierung der Stromnetze kann sich Österreich nicht leisten, wenn es seine Ökostrom- und Klimaziele erreichen will.

Die technischen und wirtschaftlichen Folgen einer Unterdimensionierung der österreichischen Stromnetze untersuchten das Beratungsunternehmen Frontier Economics sowie das Austrian Institute of Technology (AIT) im Auftrag von Oesterreichs Energie. Die diesbezügliche Studie trägt den Titel „Der volkswirtschaftliche Wert der Stromverteilnetze auf dem Weg zur Klimaneutralität in Österreich“ und ist auf der Website von Oesterreichs Energie verfügbar.

    Strommast in Groß Gerung
    © Netz NÖ

    Der Hintergrund der Untersuchung sind die ehrgeizigen klima- und energiepolitischen Ziele der Bundesregierung. Geplant ist bekanntlich, den gesamten Strombedarf ab 2030 bilanziell vollständig mit erneuerbaren Energien zu decken. Für das Jahr 2040 strebt die Regierung die „Klimaneutralität“ Österreichs an. Laut der Studie stehen die Verteilernetzbetreiber (DSOs) „in der Pflicht, einen sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb zu gewährleisten und dafür bei Bedarf auch die Stromverteilnetze wirtschaftlich auszubauen. Der Betrieb und der Ausbau der Netze erfolgt in Österreich im Rahmen der Anreizregulierung. Die aktuelle Regulierungsperiode für Stromverteilnetze endet mit 2023. Es stellt sich deshalb schon jetzt die Frage, inwieweit die Anreizregulierung in ihrer aktuellen Ausgestaltung darauf ausgerichtet ist, einen derart grundsätzlichen Umbau des Energiesystems zu begleiten und zu unterstützen. Ein klares Verständnis der Rolle von Stromverteilnetzen bei den Entwicklungen, welche Österreich bis 2040 in die Klimaneutralität führen sollen, ist Voraussetzung für die künftige Ausgestaltung der Anreizregulierung in Österreich.“

    PV-Anlage und Windräder
    © AdobeStock/Blue Planet Studio

    Wie es in der Studie heißt, sind die DSOs „bereits heute wichtige Enabler der Klimaneutralität“ und sehen sich mit deutlich wachsenden Herausforderungen konfrontiert. Sie haben einen massiven Zubau an Wind- und Photovoltaikanlagen netztechnisch zu bewältigen. Überdies ist im Zuge der Dekarbonisierung des Verkehrs- sowie des Raumwärmesektors mit einer steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen zu rechnen. Bereits für 2030 werden rund eine Million E-PKWs sowie 650.000 private Wärmepumpen erwartet. Um damit zurande zu kommen, haben die DSOs mehrere Optionen.

    Beispielsweise können sie mit digitaler Kommunikationstechnik die neuen Erzeugungseinheiten und Verbraucher gezielt ansprechen und, soweit rechtlich zulässig, steuern. Dennoch wird es notwendig sein, die Netze weiter auszubauen und zu verstärken, heißt es in der Studie: „Trotz dieser Möglichkeiten führt dauerhaft und angesichts der zu bewältigenden Aufgabe kein Weg an umfangreichen Investitionen in die Stromverteilnetze vorbei, will man die erforderlichen Erzeugungs- und Verbrauchskapazitäten für das Ziel der Klimaneutralität in die Stromverteilnetze integrieren.“
     

    Investitionen nötigIm Rahmen ihrer Untersuchung ermittelten Frontier Economics und das AIT, welche Investitionen dafür notwendig sind. Anhand realer Netzdaten führten sie eine detaillierte Modellierung der Mittel- und Niederspannungsebene (MSP und NSP) durch und definierten 25 Nieder- sowie zwölf Mittelspannungsnetze. „Diese stellen typisierte und für die Gesamtheit von Österreich repräsentative Netzabschnitte dar. Für diese Netzabschnitte wurde der Ausbaubedarf zur Erfüllung der Versorgungsaufgabe bis 2030 und 2040 berechnet und dann entsprechend auf Gesamtösterreich hochskaliert. Für die Ermittlung des Ausbaubedarfs für die Hochspannungsebene (HSP) wurde ein vereinfachter Ansatz gewählt, indem der Ausbaubedarf direkt an den Windausbau gekoppelt wurde.“ Das Ergebnis: Insgesamt müssen bis 2030 rund 7,9 Milliarden Euro in die Netzerweiterungen investiert werden, bis 2040 sind es etwa 15,7 Milliarden Euro. Hinzu kommen Ersatzinvestitionen von 7,3 Milliarden Euro bis 2030 und 14,6 Milliarden Euro bis 2040. In Summe ergibt sich für die Neubauten und die Modernisierung bestehender Infrastrukturen ein Investitionsbedarf von 15,2 Milliarden Euro bis 2030 und 30,3 Milliarden Euro bis 2040.

    Unterdimensionierung kostetMit den Risiken einer Unterdimensionierung der Netze beschäftigt sich die Studie, weil die Elektrizitätsunternehmen auch anderweitig investieren können, wenn dies finanziell attraktiver ist, etwa in den Ökostromausbau, aber auch in den Vertrieb. Speziell größere Energieunternehmen, die international tätig sind, haben auch die Möglichkeit, Investitionen in anderen Ländern zu tätigen. Global agierende Investoren wie Investmentfonds und Versicherungen wiederum achten sehr genau auf die Rentabilität der von ihnen eingesetzten Mittel, heißt es in der Studie: „Dieser Wettbewerb führt bei einer geringen Attraktivität bzw. Unwirtschaftlichkeit von Netz-Investitionen zu einem Abziehen von finanziellen Ressourcen und zum Risiko einer Unterfinanzierung von Stromverteilnetzen. Wesentlicher Treiber für die Attraktivität von Netzinvestitionen ist die Ausgestaltung des Regulierungsregimes.“ Zu beachten ist, dass bei einer Verknappung der Mittel „nicht nur der Netzausbau zum Anschluss von neuen Netznutzern, sondern auch der Ersatz von Netzanlagen heruntergefahren wird, womit eine Auswirkung auf die Versorgungszuverlässigkeit unweigerlich einhergehen wird“.

    „Im Jahr 2030 würde ein 30 Prozent zu schwaches Netz zu Systemkosten von 91 Millionen Euro pro Jahr führen.“

    Frontier Economics und das AIT untersuchten in der Studie drei Varianten einer möglichen Unterfinanzierung. In der ersten Variante beliefe sich die Unterfinanzierung auf zehn Prozent. Das hieße, dass 90 Prozent der für den Netzausbau nötigen Investitionen getätigt werden. Die zweite Variante beschreibt eine Unterfinanzierung um 20 Prozent, die dritte eine solche um 30 Prozent. Um die Auswirkungen der Unterdimensionierung der Netze zu modellieren, betrachteten die Autoren der Studie den „Nicht-Ausbau der Netze bei voller Integration der Zukunfts-Szenarien: Dabei findet die Unterdimensionierung gleichmäßig in allen Netzabschnitten statt. Der Vorteil besteht darin, dass tatsächlich die Auswirkung der Unterdimensionierung in allen modellierten typisierten MSP- und NSP-Netzabschnitten ermittelt werden kann.

    Es sind somit ländliche als auch städtische Netze von der Unterdimensionierung ähnlich stark betroffen. Der Nachteil dieser Variante besteht darin, dass nicht-lineare Effekte bei Unterdimensionierungen, d. h. ab einer bestimmten Grenzwertverletzung kippt das System, nicht abgebildet werden können. Dieser Nachteil wird in dieser Studie allerdings bewusst in Kauf genommen.“ Ausdrücklich betonen Frontier Economics und das AIT, die österreichischen Verteilernetze seien gut ausgebaut und könnten daher aufgrund bestehender Reserven den anstehenden Ökostromausbau bis auf Weiteres gut bewältigen. Allerdings werden diese Reserven „im Lauf der Zeit immer mehr aufgebraucht und das System wird immer mehr an den Betriebsgrenzen betrieben“.

    Mit den Risiken einer Unterdimensionierung der Netze beschäftigt sich die Studie, weil die Elektrizitätsunternehmen auch anderweitig investieren können. Etwa in den Ökostromausbau.

    Die Kosten der Unterdimensionierung der Netze beziffert die Studie je nach Variante mit 86 bis 257 Millionen Euro im Jahr 2030 und 637 Millionen bis 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2040. Je höher der Grad der Unterfinanzierung, desto stärker wachsen die Kosten. Als größten Treiber der Kosten der Unterfinanzierung identifiziert die Studie die Abregelung von Ökostromanlagen. Anders gesagt: Der mit geförderten Anlagen erzeugte Ökostrom kann nicht in die Netze eingespeist werden, weil diese für seine Aufnahme zu schwach sind. Auf dieses Problem entfallen laut Frontier/AIT „durchschnittlich 98 Prozent (2030) bis 99 Prozent (2040) der Kosten der Unterdimensionierung“. Wie die beiden Forschungseinrichtungen warnen, können die vermiedenen Kosten für die Investitionen in die Netze die Kosten der Unterdimensionierung der Netze nicht ausgleichen.
     

    Regulierungsparameter weiterentwickelnAus Sicht der Regulierungsbehörde gilt es laut Frontier/AIT, zwischen den Risiken einer Überdimensionierung und einer Unterdimensionierung der Investitionen in die Netze abzuwägen, also zwischen denen einer „zu milden“ und „zu strengen“ Regulierung. Das Ergebnis dieser Abwägung fällt der Studie zufolge eindeutig aus: „Im Jahr 2030 würde ein 30 Prozent zu schwaches Netz zu Systemkosten von 91 Millionen Euro pro Jahr führen. Das Risiko eines Überausbaus bei Überbezahlung fällt mit maximal knapp 67 Millionen Euro geringer aus. Im Jahr 2040 steigen die Systemkosten aus Unterdimensionierung stark an. Hier stehen Systemkosten eines Unterausbaus von (maximal) knapp über 1,5 Milliarden jenen eines Überausbaus von (maximal) unter 133 Millionen Euro gegenüber. Die Systemkosten von ‚zu strengen‘ regulatorischen Entscheidungen steigen somit stark an.“

    innvoll wäre laut Frontier/AIT daher, „vorhandene Regulierungsparameter expliziter zur Erfassung von höheren Kosten im Zusammenhang mit der Zielsetzung der Klimaneutralität umzubauen. Der Betriebskostenfaktor könnte dabei zu einem ‚Energiewende‘- bzw. ‚Klimaneutralität‘-Faktor weiterentwickelt werden.“ Wie auch immer der Regulator vorgeht, sollte er laut Frontier/AIT beachten: „Die volkswirtschaftlichen Kosten für die Endverbraucher durch unterdimensionierte Stromverteilnetze sind erheblich und sollten gerade im Interesse der Endverbraucher tunlichst vermieden werden.“