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Pumpspeicherkraft-Studie

Warum Pumpspeicherkraft der Schlüssel zur Energiewende ist. Pumpspeicherung ist die mit Abstand wichtigste netzgebundene Speichertechnologie, die uns zur Verfügung steht. Ihre Flexibilität wird sie zum Rückgrat für die Systemstabilisierung im Energiesystem des 21. Jahrhunderts machen, so eine Studie der Arbeitsgemeinschaft Alpine Wasserkraft e.V. (AGAW).

Wie die Wasserkraft zum Gelingen der Energiewende beitragen kann und welche Rolle ihre Flexibilität dabei spielt, untersuchten Armin Baumgartner und Christine Rienessel von VUM Verfahren Umwelt Management GmbH in einer Studie für die Arbeitsgemeinschaft Alpine Wasserkraft e.V. (AGAW). 

Ausbau gefragt: Laut AGAW könne Österreich seine Stromproduktion mit Wasserkraftwerken noch um bis zu 11 TWh steigern

Ein wesentlicher Grund für die Umsetzung der Energiewende sind die klimapolitischen Handlungserfordernisse: Die Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der UNO (UNFCCC) schlossen auf der Weltklimakonferenz COP 21 im Dezember 2015 das „Pariser Übereinkommen“. Sie verpflichteten sich darin, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf „deutlich unter 2°C“ zu begrenzen – falls möglich sogar auf weniger als 1,5 °C. Um dies zu erreichen, müssen die weltweiten Emissionen an Treibhausgasen bis 2050 gegenüber dem Wert von 2010 um mindestens 60 Prozent sinken. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hatten sich bereits im Oktober 2014 im Hinblick auf COP 21 darauf geeinigt, ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 gegenüber 1990 um 40 Prozent zu verringern. Weitgehend unumstritten ist jedoch, dass das nicht ausreichen wird, um die Vorgaben des Pariser Abkommens zu erreichen. Vor diesem Hintergrund veröffentlichte die EU-Kommission am 4. März 2020 ihren Vorschlag für eine Verordnung „zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität“, die auch als „Europäisches Klimagesetz“ bezeichnet wird. Um die „Klimaneutralität“ bis 2050 zu erreichen, sollen die Emissionen bis 2030 um 50 bis 55 Prozent verringert werden. 

Die gesicherte Leistung der gesamtdeutschen Windparks belief sich im Jahr 2016 auf lediglich 0,3 Prozent der Nennleistung.

Wie es in der AGAW-Studie heißt, seien rund 80 Prozent der EU-weiten Treibhausgasemissionen auf die Nutzung fossiler Primärenergieträger (Erdöl, Kohle und Erdgas) zurückzuführen. Es ist daher notwendig, die Stromversorgung so weit wie möglich auf erneuerbare Energien umzustellen, vor allem auf Wasser- und Windkraft sowie Photovoltaik (PV). Schrittweise soll damit genug Strom erzeugt werden, um auch den Energiebedarf im Mobilitäts- sowie im Wärmesektor weitgehend klimaneutral zu decken.


Technische und wirtschaftliche Herausforderungen 

Eine der wesentlichen Herausforderu-gen dabei ist: Die Stromerzeugung von Windparks und Photovoltaikanlagen, die bisweilen als „neue erneuerbare Energien“ bezeichnet werden, hängt von der Witterung ab und schwankt daher sehr stark. Nur ein geringer Anteil der installierten Leistung ist jederzeit gesichert verfügbar. Der AGAW-Studie zufolge hätten die deutschen Windparks zusammengenommen eine Leistung von rund 50 Gigawatt (GW), was etwa dem Doppelten der Kapazität aller österreichischen Kraftwerke entspricht. Berechnungen des Fachverbands VGB Power Tech zeigen aber, dass etwa im Sommer 2016 an manchen Stunden nur Windräder mit einer Gesamtleistung von 0,135 GW tatsächlich Strom erzeugten. Im Winter 2016 wiederum lag die höchste verfügbare Leistung bei 34 GW. „Die gesicherte Leistung der gesamtdeutschen Windparks belief sich im Jahr 2016 somit auf lediglich 0,3 Prozent der Nennleistung“, warnt die AGAW. Hinzu kommt, dass Windparks und PV-Anlagen Strom unabhängig vom Verbrauch erzeugen. Deshalb müssen zusätzlich Kraftwerke mit ebenso großer Gesamtleistung vorgehalten werden, um kurzfristig einspringen zu können, wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint. Ein Problem dabei ist, dass in zunehmendem Ausmaß in ganz Europa flexible thermische Kraftwerke wegen Überalterung, mangelnder Wirtschaftlichkeit und der Notwendigkeit, CO2-Emissionen zu reduzieren, vom Netz gehen. Laut Berechnungen des europäischen Übertragungsnetzbetreiberverbandes ENTSO-E ist bis 2025 mit einem Kapazitätsverlust von bis zu 25 Prozent zu rechnen. Ersatzinvestitionen erfolgen infolge fehlender Rentabilität bis dato nur unzureichend.

Dazu gesellt sich eine weitere Herausforderung: Die überschüssige Stromproduktion mittels der „neuen erneuerbaren“ Energien tritt vor allem während der Sommermonate auf. In den Wintermonaten hingegen können Windparks und PV-Anlagen den Bedarf an elektrischer Energie oftmals nicht decken. Somit ist ein „saisonaler Ausgleich“ zwischen überschießender und mangelnder Stromerzeugung durch die „neuen Erneuerbaren“ erforderlich. 

Zur Lösung all dieser Probleme könnten Wasserkraftwerke, darunter nicht zuletzt Pumpspeicher, maßgeblich beitragen, so die AGAW-Studie. Sie spielen damit eine Schlüsselrolle für die Energiewende.
 

Wasserkraft hilft 

Nicht zuletzt wegen der günstigen Topographie in den Alpenstaaten wurde die Wasserkraft dort sehr stark ausgebaut: Bereits 2017 stellte die AGAW fest, dass die mehr als 1.000 Wasserkraftwerke im Alpenraum (untersucht wurden nur Anlagen über einer Größe von 5 MW) etwa 27 Prozent der Leistung aller Wasserkraftwerke im Gebiet der ENTSO-E aufweisen. Sie übertreffen damit die Kapazität der Anlagen im skandinavischen Raum bei weitem. Laut der AGAW mache dies den Alpenraum „zur bedeutendsten Wasserkraftregion Europas“. Zwar überstieg die installierte Leistung der „neuen erneuerbaren“ Energien Wind und PV im Jahr 2017 jene der Wasserkraftwerke. Doch aufgrund der hohen Zahl ihrer Einsatzstunden erzeugten diese erheblich mehr Strom als die Wind- und Solaranlagen. Im gesamten Alpenraum stehen zurzeit Wasserkraftwerke mit einer gesichert vorhandenen Leistung von 50 GW zur Verfügung. Das reicht aus, um etwa zehn Prozent der Höchstlast und 20 Prozent der Mindestlast im ENTSO-E-Raum zu decken. „Damit verfügen die Alpenstaaten bereits jetzt über eine Stromerzeugungsinfrastruktur, die sowohl in der Lage ist, Leistung und Erzeugung gesichert und ohne Emissionen an Treibhausgasen zur Verfügung zu stellen, als auch höchsten und steigenden Flexibilitätserfordernissen, die unweigerlich Folge des Ausbaus der Stromerzeugung aus volatilen erneuerbaren Energiequellen (Windkraft und Photovoltaik) sind, zu begegnen“, heißt es in der Studie. 

Wasserkraftwerke, vor allem Speicher und Pumpspeicher, sind hochflexibel. Sie können die Differenzen zwischen der witterungsbedingt schwankenden Erzeugung von Windparks und Solaranlagen sowie dem jeweiligen Strombedarf (Residuallast) ausgleichen. Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dabei sind die „Gradienten“ bzw. „Rampen“ der Residuallast. Diese können sehr rasch steigen oder fallen. So traten beispielsweise im Jahr 2014 in Deutschland bin-nen 15 Minuten Gradienten von -2,6 bis +3,1 GW auf. Innerhalb einer Stunde wurden Gradienten von -9,8 bis +11,4 GW verzeichnet. Und die Verfasser der Studie warnen: „Weil Österreichs Erneuerbaren-Anteil bereits heute bei über 72 Prozent liegt, wird dies im Vergleich zu anderen Ländern bereits in den kommenden Jahren zu den oben erwähnten Effekten vor allem für die negative Residuallast in allen Zeitbereichen führen.“ Moderne Pumpspeicher sind in der Lage, binnen kürzester Zeit auf Änderungen der Residuallast zu reagieren und somit auch „steile“ Gradienten zu bewältigen. 

Wegen ihrer Flexibilität eignen sich speziell Speicher und Pumpspeicher ferner zur Bereitstellung von Regelleistung zur Stabilisierung der Netzfrequenz. Anders als die meisten thermischen Kraftwerke haben Pumpspeicher die Fähigkeit zum „Schwarzstart“, also zum (Wieder-)Anfahren ohne Unterstützung des Stromnetzes. Sie spielen daher eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau der Stromversorgung nach einem flächendeckenden Ausfall (Blackout).  

Es ist somit nicht verwunderlich, dass nicht zuletzt die Energieversorger in den Alpenstaaten bestrebt sind, die noch vorhandenen Wasserkraftpotenziale zu erschließen (siehe Kasten „Wasserkraft in den Alpenländern“). Dabei haben sie freilich strenge Umweltauflagen einzuhalten, darunter nicht zuletzt die Vorgaben der Wasserrahmrichtlinie (WRRL) der EU mit ihrem Verbesserungsgebot und Verschlechterungsver-bot für alle Wasserkörper. 


Wichtigste Speichertechnologie 

Ausdrücklich wird in der AGAW-Studie betont, dass die Pumpspeicherung „mit Abstand die wichtigste großtechnische netzgebundene Speichertechnologie ist und auf absehbare Zeit bleiben wird“. Batteriesysteme dürften zwar in den kommenden Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen. Gegenwärtig werden derartige Anlagen aber noch kaum eingesetzt. Druckluftspeicher sind von ihrer Leis-tung und ihrer Speicherdauer her grundsätzlich mit Pumpspeichern vergleichbar. Allerdings befindet sich die Technologie noch im Entwicklungsstadium. Ob und wann sie großtechnisch auf dem Markt zur Verfügung stehen wird, lässt sich nicht seriös einschätzen. 

Immer wieder wird im Zusammenhang mit der saisonalen Stromspeicherung auf Power-to-Gas-to-Power-Technologien (P-t-G-t-P) verwiesen. Dabei wird Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energien elektrolytisch in Sauerstoff und Wasserstoff gespalten. Der Wasserstoff lässt sich durch Reaktion mit CO2 in Methan (CH4) umwandeln und in Gaskraftwerken zur Wiederverstromung nutzen. Abgesehen davon, dass auch diese Technologien erst in Entwicklung sind, sei ihr Wirkungsgrad jedoch im Vergleich mit Pumpspeichern sehr gering, heißt es in der AGAW-Studie: 
„Für den kurz- und mittelfristigen Ausgleich von Last und Stromerzeugung weisen Wasserkraftspeicher die weitaus vorteilhafteren Wirkungsgrade auf.“ 

Diese liegen im Fall von Pumpspeichern in der Größenordnung von 75 Prozent und darüber. Für P-t-G-t-P gelten hierbei Werte von etwa 30 Prozent und weniger. Überdies ist fraglich, inwieweit Langzeitspeicher künftig tatsächlich benötigt werden, was den Autoren der AGAW-Studie zufolge im Wesentlichen von der Zusammensetzung des Kraftwerksparks abhängen werde. Auch ist bei Power-to-Gas-Anlagen oft keine Wiederverstromung des erzeugten Wasserstoffs geplant. Stattdessen ist vorgesehen, diesen im Sinne der Sektorkopplung ins Gasnetz einzuspeisen. Sinnvoll wäre laut der AGAW-Studie eine „Kombination von Pumpspeicherkraftwerken und Batteriespeichern, wenn in kurzen zeitlichen Abständen häufige Lastwechsel (Stromerzeugung – Stromentnahme) bei vergleichsweise geringen Leistungen erforderlich werden“. Gerade das aber ist aufgrund der Volatilität der Stromproduktion von Windparks und Solaranlagen zu erwarten. 
 

Rückgrat des Energiesystems

Insgesamt betrachtet könnten Wasserkraftwerke den Autoren der AGAW-Studie zufolge aus diesen Gründen als „Rückgrat für die Systemstabilisierung im Energiesystem des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet werden. Sie sind in der Lage, eine Reihe von Leistungen zu erbringen, die für den sicheren Betrieb des Systems zur Stromversorgung notwendig sind. Die Autoren resümieren daher: „Die Herausforderungen infolge der notwendigen weiteren Forcierung der Energiewende werden zunehmen. Diesen kann nur durch Nutzung aller verfügbaren Optionen (Flexibilisierung des thermischen Kraftwerksparks, Netzausbau, Lastmanagement, Speicherausbau und Sektorkopplung (im Speziellen durch Power-to-Gas-Lösungen)) wirkungsvoll begegnet werden. Der Wasserkraft (Lauf-, Speicher- und Pumpspeicherkraft) wird aufgrund ihrer ausgereiften Technologie, der hohen Zuverlässigkeit, der hohen Wirkungsgrade und vor allem der hohen Flexibilitätsbandbreite auch im Stromsystem des 21. Jahrhunderts eine tragende Rolle zukommen, und sie wird eine Schlüsselrolle für das Gelingen der Energiewende einnehmen.“

Wasserkraft in den Alpenländern D, F, CH, I, SLO


DEUTSCHLAND will im Zuge  seiner „Energiewende“ die Treibhausgasemissionen gegenüber jenen von 1990 bis 2030 um 55 Prozent senken, bis 2050 um 80 bis 95 Prozent. Im Verlauf des übernächsten Jahres beendet die Bundesrepublik die Stromerzeugung mittels Kernkraftwerken. Was die Wasserkraft betrifft, so stammen etwa 80 Prozent  des mit dieser Technologie erzeugten Stroms aus Bayern und Baden-Württemberg. In beiden Ländern sind die Potenziale weitgehend erschlossen. Durch technische Verbesserungen und Neubauten an großen Gewässern ließen sich noch etwa 2,7 Terawattstunden pro Jahr (TWh/a) erzielen, an den kleinen und mittelgroßen Gewässern 0,6 bis 1,2 TWh/a.

FRANKREICH sah in seinem „Energiewendegesetz“ von 2014 vor, den Anteil der Kernkraft an seinem Strommix von 75 auf 50 Prozent zu verringern. Im Gegenzug sollte der Anteil der erneuerbaren Energien inklusive der Wasserkraft auf 32 Prozent steigen. Ende 2017 wurden diese Ziele jedoch auf 2035 verschoben. 

In der SCHWEIZ werden zurzeit jährlich rund 36,3 TWh mittels Wasserkraft erzeugt. Sie hat damit bereits derzeit einen Anteil von rund 60 Prozent an der Stromerzeugung. Die noch vorhandenen Potenziale liegen bei rund 2,3 TWh/a und sollen bis etwa 2050 erschlossen werden. 

ITALIEN plant laut seiner  Energiestrategie von 2017, den Anteil der „Erneuerbaren“ an der Deckung des Stromverbrauchs bis 2030 auf 55 Prozent zu steigern. Im selben Zeitraum soll ihr Anteil an der Deckung des gesamten Energieverbrauchs von 17,5 auf 28 Prozent erhöht werden. 

SLOWENIEN möchte gemäß seiner nationalen Entwicklungsstrategie „Slovenia 2030“ bis 2030 eine „Low-carbon circular economy“ aufbauen. Eines der wesentlichsten Elemente ist  der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien. Diese sollen im Zieljahr 27 Prozent des gesamten Energiebedarfs decken. Kein eigenes Ziel gibt es für den Stromsektor. Mit einem Anteil von 27 Prozent hat die Wasserkraft eine dominierende Stellung in der Stromerzeugung.