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Photovoltaik-Ausbau in Österreich

Welchen Beitrag Photovoltaik bis 2030 zum Strommix leisten kann. Eine aktuelle Untersuchung beweist: Um bis 2030 11 TWh Strom mit Photovoltaikanlagen zu erzeugen, braucht Österreich eine wohldurchdachte Kombination aus Gebäude- und Flächenanlagen.

Bekanntlich will Österreich ab 2030 seinen jährlichen Strombedarf national bilanziell vollständig mit erneuerbaren Energien decken. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Photovoltaik (PV), deren Stromerzeugung von derzeit rund 1,5 Milliarden Kilowattstunden (Terawattstunden, TWh) pro Jahr auf 11 TWh erhöht werden soll.

Dach und Fläche: Werden Dächer und Freiflächen genutzt, hat Österreich kein Problem mit dem Ausbau der Photovoltaik.

Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung sieht zwar auch die Förderfähigkeit von Flächenanlagen vor, insbesondere von solchen auf versiegelten Arealen wie Park-and-Ride-Anlagen und Parkplätzen sowie Flächen mit Doppelnutzung. Den Schwerpunkt des PV-Ausbaus sieht die Bundesregierung jedoch offenbar im Bereich der Gebäude, also der Dächer und Fassaden. Das Problem: Bisher lagen keine verlässlichen Daten vor, was die diesbezüglichen Potenziale betrifft und wie viel davon bis 2030 realistischerweise erschlossen werden kann. Oesterreichs Energie beauftragte deshalb den bekannten Photovoltaikexperten Hubert Fechner mit einer umfassenden Studie, um diese zu erheben. Fechner zeichnete in der Vergangenheit unter anderem für die österreichische Photovoltaik-Roadmap verantwortlich. 

Auf  Wiesen und Äckern ließen sich langfristig bis zu 28 TWh Strom mit PV-Anlagen erzeugen. 

Wie er in seiner Studie mit dem Titel „Ermittlung des Flächenpotenzials für den Photovoltaik-Ausbau in Österreich“ feststellt, bedeutet der geplante Ausbau auf 11 TWh bis 2030 in etwa eine Verzehnfachung der derzeitigen Installationszahlen. Da zunehmend Strom aus erneuerbaren Energien benötigt wird, um die Treibhausgasemissionen im Verkehr sowie im Bereich Raumwärme zu verringern, hält Fechner bis 2050 eine weitere Steigerung der Elektrizitätserzeugung mit PV-Anlagen auf rund 30 TWh für notwendig. Und er stellt klar: „Wie die PV in Österreich in der Breite umgesetzt werden soll, ist schlussendlich eine politische Frage, die durch klare und zielgerichtete Anpassungen von Rahmenbedingungen zu beantworten ist.“
 

Gebäude allein reichen nicht 

Bei seinen Potenzialabschätzungen geht Fechner davon aus, dass sich diese Rahmenbedingungen „bis 2030 nicht entscheidend ändern werden“. Die rund 2,4 Millionen österreichischen Gebäude haben eine Gesamtdachfläche von 738 Quadratkilometern (km²), was fast der doppelten Fläche Wiens (415 km²) entspricht. Auf Ein- und Zweifamilienhäuser entfallen davon 280 km², auf den mehrgeschossigen Wohnbau sowie Bürohäuser 98 km² und auf die Industrie, das Gewerbe, die Landwirtschaft und sonstige Gebäude 360 km². Mithilfe der Solarkataster von Wien, Graz und Innsbruck errechne sich laut Fechner daraus ein theoretisches bzw. physikalisches PV-Erzeugungspotenzial von 18,6TWh. Aufgrund technischer Einschränkungen, etwa aufgrund mangelnder Statik, Nutzungskonkurrenz bei Dachflächen, Denkmal- und Ensembleschutz, wären davon jedoch nur rund 13,4 TWh umsetzbar. Aufgrund weiterer Einschränkungen durch wirtschaftliche, soziale und ökologische Restriktionen lassen sich indessen lediglich rund 4 TWh tatsächlich bis 2030 umsetzen, was nicht einmal einem Viertel des theoretischen Potenzials entspricht. Doch selbst das realistische Potenzial bis 2030 zu erschließen sei möglich, aber keineswegs einfach, warnt Fechner: Dazu müssten bis 2030 alljährlich Anlagen mit insgesamt rund 400 Megawatt Höchstleistung (MWpeak, MWp) installiert werden. Zum Vergleich: Der aktuell erwartete Ausbau liegt bei 250 bis 350 MWp und somit eindeutig unter dem erforderlichen Wert. 

Schlechterdings unrealistisch wäre es daher, ab 2030 die gesamten 11 TWh mit PV-Anlagen auf Dächern und an Fassaden erzeugen zu wollen – umso mehr, als für die Installation der benötigten Module nur knapp zehn Jahre zur Verfügung bleiben. Fechner zufolge stehe deshalb fest, „dass die aktuellen Potenziale für PV an oder auf Gebäuden – ohne bedeutende Änderung der Rahmenbedingungen – bei weitem nicht ausreichen, um die mittelfristigen Ziele für den PV-Ausbau zu erreichen“. 


Strom vom Acker 

Das bedeutet jedoch: Es ist notwendig, auch Freiflächen zu nutzen. Wie aber sieht es mit den diesbezüglichen Potenzialen aus? Auf den zumindest grundsätzlich für eine solche Verwendung geeigneten Deponien könnten technisch betrachtet jährlich rund 1,2 TWh Strom mit PV-Anlagen erzeugt werden. Aufgrund von Umweltbedenken und Herausforderungen bei der Wirtschaftlichkeit werden allerdings nur Anlagen mit einer Jahresproduktion von 0,3 TWh als tatsächlich bis 2030 realisierbares Potenzial gewertet. Derartige Areale können somit nur geringfügig zum geplanten Ausbau der Photovoltaik beitragen. „Die Genehmigungsverfahren für PV auf Deponien sind aber jedenfalls bundesweit zu vereinheitlichen und zu vereinfachen“, betont Fechner. 

Ein wesentlich höheres bis 2030 realisierbares Potenzial von etwa 20 TWh haben diverse Wiesen und Grünlandbrachen (extensiv genutztes oder nicht mehr genutztes Grünland). Und werden überdies etwa drei bis fünf Prozent der Ackerflächen genutzt, ließen sich auf Freiflächen sogar 28 bis 32 TWh erzeugen. Alleine das würde bei weitem ausreichen, um den bis 2030 notwendigen Zubau an PV zu bewerkstelligen: Werden die grundsätzlich möglichen 4 TWh im Gebäudesektor tatsächlich erreicht und weitere 1,3 TWh auf Verkehrsflächen und Deponien errichtet, müssen in Ergänzung dazu Freiflächenanlagen mit einer jährlichen Erzeugung von etwa 5,7 TWh geschaffen werden. Die dafür notwendige Gesamtfläche ist mit etwa 91 km² überschaubar. Zum Vergleich: Laut Umweltbundesamt beträgt der Bodenverbrauch jedes Jahr etwa 43 km². 

Von einer Bodenversiegelung, die jede andere Verwendung ausschließt, kann bei der Photovoltaik jedoch keine Rede sein: Intensiv diskutiert wird in diesem Zusammenhang die sogenannte „Agro-Photovoltaik“. Dabei werden Äcker zugleich für die Stromerzeugung und für den Anbau von Feldfrüchten genutzt. Möglich ist das durch die entsprechende Installation der PV-Module. Als einer der Pioniere in dieser Hinsicht gilt die Wien Energie, die im Herbst 2019 in Guntramsdorf südlich von Wien die erste Agro-PV-Anlage Österreichs in Betrieb nahm. Sie hat eine Höchstleistung von 22,5 Kilowatt und erzeugt pro Jahr bis zu 23.300 Kilowattstunden Strom. Rechnerisch reicht das aus, um knapp sieben durchschnittliche Haushalte zu versorgen. Die Anlage besteht aus zwei Reihen mit 60 bifazialen Glas-Glas-Modulen, die auf beiden Seiten Strom produzieren können.  

Nicht seriös einschätzen lasse sich Fechner zufolge das Potenzial sogenannter Konversionsflächen. Das sind beispielsweise ehemalige Kasernen und Bahnhofsanlagen, aber auch aufgelassene Flugfelder und größere Gewerbebrachen. Sie können jedoch wieder bebaut werden, wenn auch zumeist erst nach entsprechender Sanierung, also etwa der Entfernung von Altlasten, Abfällen und, bei militärischen Arealen, Kampfmitteln. 

Nicht mehr zu erwarten sei laut Fechner übrigens, dass die Preise für PV-Anlagen weiterhin so stark sinken würden wie in der Vergangenheit, da die nur mehr leicht sinkenden Komponentenkosten gegenüber den steigenden Personalkosten in den Hintergrund treten würden. 

PV-Ausbau in Österreich: Das fordert die Energiewirtschaft


Aus der Studie ergibt sich für Oesterreichs Energie eine Reihe von Forderungen, um die vorhandenen Potenziale für die Photovoltaik zu erschließen: 

  • Flächen-PV muss von Anfang an Teil der Lösung sein und darf nicht erst nachrangig zu Gebäude-PV erschlossen werden. Dazu ist insbesondere die umfangreiche Realisierbarkeit und Förderbarkeit von volleinspeisender Flächen-PV zu gewährleisten.
  • Gesteuerter Ausbau der Flächen-PV mit Förderkontingenten für die einzelnen Flächenkategorien sowie einer entsprechenden Umsetzungsstrategie („Nationaler PV-Masterplan“)
  • Sicherstellung der regionalen Verteilung des PV-Ausbaus durch Ausgleich lokaler Unterschiede der Globalstrahlung (kWh/m²), wenn ein bestimmter Mindestertrag gewährleistet ist
  • Anschluss von Groß-PV-Anlagen vorrangig an das Hoch- und Mittelspannungsnetz, Integration von Klein-PV-Anlagen in das Ortsnetz
  • Unterstützung der Erweiterung von PV-Anlagen ohne Verlust bestehender OeMAG-Förderungen
  • Kein Eigenverbrauchsvorrang im künftigen Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, sondern alternative Ansätze zur Netzintegration diskutieren
  • Befreiung von der Energieabgabe unabhängig von der Eigentümerstellung an der Erzeugungsanlage
  • Bei entsprechender Flächenwidmung soll die Bewilligungsfähigkeit einer PV-Anlage auch bei Beeinträchtigung des Landschaftsbildes oder des Erholungswertes der Landschaft gewährleistet sein
  • Reduktion der Detailtiefe der Einreichunterlagen für alle PV-Anlagen auf das notwendige Minimum
  • Anpassungen in den Bauordnungen, um die Installation von PV-Anlagen zu vereinfachen
  • Anpassungen im Wohnungseigentumsgesetz und Mietrechtsgesetz, um die Errichtung von PV-Anlagen auf Mehrfamilienhäusern zu erleichtern
  • Änderung des Elektrotechnikgesetzes: PV-Anlagen sollen nicht mehr als „wesentliche Änderung“ gelten, Adaptierungen des Hausanschlusses nur mehr nötig sein, wenn sie sicherheitsrelevant sind.