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Green Finance: Europäische Initiativen aus Sicht der E-Wirtschaft

Oesterreichs Energie begrüßt, dass die Europäische Kommission der Finanzierung nachhaltiger Projekte wachsende Bedeutung widmet und dem Finanzsystem eine Schüsselrolle beimisst. Viele der für den Umbau des Energiesystems notwendigen Maßnahmen (wie massiver Ausbau Erneuerbarer, Sektorkopplung, Speicher) sind derzeit wirtschaftlich noch nicht darstellbar und benötigen finanzielle Unterstützung. Neben öffentlichen Geldern muss auch privates Kapital mobilisiert werden.

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Kapitalströme werden in Richtung Nachhaltigkeit gelenkt

Angesichts der Auswirkungen des Klimawandels und der zunehmenden Ressourcenknappheit, sieht die Europäische Kommission es dringend erforderlich, einen Weg hin zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft einzuschlagen.

Mit dem Pariser Klimaabkommen hat sich die globale Staatengemeinschaft das Ziel gesetzt, die globale Erhitzung auf deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss weltweit eine strukturelle Veränderung des aktuellen globalen Wirtschaftssystems hin zu Treibhausgasneutralität gelingen. Dies geht mit einer tiefgreifenden Transformation fast aller Sektoren der Wirtschaft einher. Neben realwirtschaftlichen Wirtschaftszweigen wie Energie, Industrie, Landwirtschaft, Verkehr und Gebäuden, gilt dies auch für den öffentlichen und privaten Finanzbereich. Das Finanzwesen hat bei der Transformation der Realwirtschaft eine zentrale Hebelfunktion, so haben sich die Vertragsstaaten des Pariser Abkommens in Artikel 2.1c verpflichtet, alle Finanzflüsse mit den langfristigen Emissionsminderungs- und Resilienzzielen in Einklang zu bringen.

Auf europäischer Ebene einigten sich die Staats- und Regierungschef im Dezember 2019 auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2050, und infolge wurde auch die Anhebung des 2030 Reduktionszieles auf minus 55 Prozent beschlossen.

China will bis 2060 klimaneutral werden, auch die USA nehmen Klimaneutralität bis 2050 wieder ins Visier. Österreich möchte hier noch einmal zehn Jahre vorangehen und die Klimaneutralität bis 2040 erreichen.

Die Entwicklungen der letzten Zeit zeigen eindeutig, dass die Europäische Kommission den Weg zu einer grünen Finanzwirtschaft eingeschlagen hat. In dem Aktionsplan aus dem Jahr 2018 hat die Europäische Kommission ihre drei großen Ziele postuliert:

  • die Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen umzulenken, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erreichen;
  • finanzielle Risiken, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben, zu bewältigen; 
  • Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit zu fördern.

Seit dieser Vorstellung geht die Europäische Kommission diesen Weg konsequent und hat u.a. bereits die Taxonomie-VO verabschiedet. Im Zuge der Taxonomie-VO wurden jüngst auch die delegierten Rechtsakte zu Klimaschutz und Klimawandelanpassung verabschiedet sowie die delegierten Rechtsakt gemäß Art. 8 zur nicht-finanziellen Berichterstattung. Weiters hat sie den Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie für die nichtfinanzielle Berichterstattung vorgeschlagen, die sogenannte Coorporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), weitere Vorschläge wie die erneuerte Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen und der Vorschlag für einen EU Green Bond Standard sind auf Juli verschoben worden.
 

Kernpunkte der Taxonomie-VO

Die EU-Taxonomieverordnung, die am 12. Juli 2020 in Kraft getreten ist, dient zur Schaffung eines Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Das Ziel ist, dass Anleger, wenn sie in Projekte und Wirtschaftstätigkeiten mit erheblichen positiven Klima- und Umweltauswirkungen investieren, künftig von der gleichen Grundlage ausgehen können. Man könnte auch sagen, die Taxonomie übersetzt die Ziele des Green Deal in die Finanzsprache.

 

Europa Flagge
© Audiovisual Library European Commission/Christian Lambiotte

Das Prinzip geht von 6 Umweltzielen, nämlich Klimaschutz, Klimawandelanpassung, Nachhaltige Nutzung von Wasser und Meeresressourcen, Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung und Biodiversität aus. Damit eine Wirtschaftstätigkeit ökologisch nachhaltig ist, muss sie die folgenden zwei Grundkriterien erfüllen:

  • Wirtschaftstätigkeit trägt wesentlich zur Verwirklichung eines oder mehrerer Umweltziele bei
  • Wirtschaftstätigkeit führt zu keiner erheblichen Beeinträchtigung der Umweltziele

Hierzu wurden technische Evaulierungskriterien entwickelt und diese werden durch die delegierten Rechtsakte legislativ. Dieser Prozess war langwierig und mühsam. Zu Beginn stand die technische Expertengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen, diese hatte in mehreren Runden den Stand der Arbeiten vorgestellt und zu Stakeholderkonsultationen eingeladen, die Mitgliedstaaten wurden über die Expertengruppe der MS einbezogen.

Die vorliegenden technischen Kriterien decken die Wirtschaftstätigkeiten von ca. 40 % der in der EU niedergelassenen börsennotierten Unternehmen in Sektoren ab, auf die fast 80 % der direkten Treibhausgasemissionen in Europa entfallen. Neben dem Strombereich sind dies die Sektoren Verkehr, Forstwirtschaft, Gebäude, IKT und Hersteller.
 

Spezifika für die E-Wirtschaft

Im Vergleich zu vorherigen Entwürfen und Leak-Versionen stellen die überarbeiteten Entwürfe in manchen Bereichen Verbesserungen dar.

Allen voran ist Wasserkraft nicht mehr als Übergangstechnologie eingeordnet.

Damit nachgewiesen wird, dass Wasserkraft wesentlich zum Klimaschutz beiträgt, muss eins der drei angeführten Kriterien erfüllt sein:

1. Laufwasserkraftwerk ohne künstliches Reservoir
2. Die Energiedichte liegt über 5 W/m2
3. Die CO2 Emission liegen unter 100g CO2/kWh

Somit müssen Laufkraftwerke (ohne künstliches Reservoir) kein Life-Cycle Assessment (LCA) und Energiedichte-Erfordernis liefern.

Die Do-Not-Significant-Harm (DNSH) Kriterien bei der Wasserkraft verweisen jetzt zwar auf bestehende Rechtsvorschriften (Wasserrahmen-Richtlinie), allerdings sind weiterhin viele zusätzliche Anforderungen normiert, insbesondere beim Bau neuer Wasserkraftwerke. Dies ist bei anderen erneuerbaren Energieträger nicht der Fall.

Pumpspeicher – geschlossene und jene, die einen natürlichen Zufluss haben und pumpen können (mixed hydropower) – fallen jetzt rein unter den Bereich Stromspeicher. Für den wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz müssen Pumpspeicherkraftwerke (keine Unterscheidung zwischen geschlossenen und welchen mit natürlichem Zufluss) weder LCA noch Dichtekriterium erfüllen.

Hingegen ist bei Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen (DNSH) sehr wohl die Unterscheidung geblieben und hier müssen Pumpspeicherkraftwerke mit natürlichem Zufluss die DNSH-Kriterien der Wasserkraft erfüllen.

Im Bereich Wasserstoff wurde der CO2-Reduktionswert für Wasserstoff an die Vorgaben der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie angepasst.

Das Thema Gas wurde aus den delegierten Rechtsakten komplett herausgelöst und soll in einem separaten delegierten Rechtsakt zusammen mit der Atomkraft und anderen Übergangstechnologien behandelt werden. Außerdem wird ein gesonderter Legislativvorschlag für die Finanzierung dieser Übergangstechnologien Ende des Jahres vorgelegt.
 

Delegierter Rechtsakt gemäß Art 8 der Taxonomie-Verordnung

Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung regelt die „Transparenz in nichtfinanziellen Erklärungen bei Unternehmen“. Die Vorschrift betrifft Unternehmen, die derzeit von der Richtlinie für nichtfinanzielle Berichterstattung betroffen sind: Unternehmen von öffentlichem Interesse und (als Mutterunternehmen einer großen Gruppe) im Durchschnitt des Geschäftsjahres mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Künftighin sind auch Unternehmen betroffen, die in den Geltungsbereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) fallen.

Die zu berichtenden finanziellen Kennzahlen wurden nunmehr in einem am 07.05.2021 veröffentlichten Verordnungsentwurf der EU-Kommision konkretisiert.

Im Zentrum der Berichtspflichten nach Artikel 8 der Taxonomie stehen für Unternehmen der Realwirtschaft die drei Kennzahlen zum Anteil ökologisch nachhaltiger

  1. Umsatzerlöse,
  2. Investitionsausgaben (CapEx) und
  3. Betriebsausgaben (OpEx).

Für das erste Berichtsjahr, d.h. die Berichterstattung über das Geschäftsjahr 2021, sieht der Entwurf des delegierten Rechtsakts Erleichterungen vor.

So ist im Erstjahr zwar der Anteil der Wirtschaftstätigkeiten anzugeben, die Taxonomiefähig, d.h. vom delegierten Rechtsakt zu den Klimazielen abgedeckt, sind (sog. „eligible activities“) bzw. nicht Taxonomie-fähig sind (sog. „non-eligible activities“). Dazu sollte es genügen, jeweils den Anteil an den Umsatzerlösen, CapEx und OpEx anzugeben, der Taxonomie-fähigen Wirtschaftstätigkeiten zuzuordnen ist. Die Kennzahlen selbst, verbunden mit der komplexen und aufwendigen Zuteiligung, inwieweit die drei Größen Taxonomiekonform („Taxonomy-aligned”) und damit ökologisch nachhaltig i.S.d. Taxonomieanforderungen sind, sind erst in 2023 für das Geschäftsjahr 2022 zu veröffentlichen.

Diese Übergangsregeln sollen den Unternehmen die Möglichkeit zur Analyse ihrer Tätigkeiten geben.
 

Nachhaltigkeitsberichterstattung

In der EU sind große kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungen seit 2017 zur nichtfinanziellen Berichterstattung (NFRD) verpflichtet. Im Vorfeld zu Überarbeitung hat die Europäische Kommission zur Konsultation. Die Europäische Kommission hat als großes Manko festgestellt, dass fehlende Standardisierung und Qualität verhindern, den Impact von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft adäquat zu beurteilen und die Nachhaltigkeitsleistungen vergleichen zu können. Um zur Zielerreichung des europäischen Grünen Deals, Kapitalströme in nachhaltige Geschäftsmodelle und Aktivitäten zu lenken, stellte die Europäische Kommission diesen Revisionsvorschlag vor. Dabei lässt sich als Hauptmotiv erkennen, dass die finanzielle und nichtfinanzielle Berichterstattung weitgehend auf Augenhöhe in puncto Anforderungen verankert werden sollen. Dass die EU-Kommission im Richtlinienentwurf eine Umbenennung von „nichtfinanzieller“ zu „Nachhaltigkeitsberichterstattung“ vorsieht, ist auch von hoher symbolischer Bedeutung: Einerseits soll der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und Nachhaltigkeitsleistung von Unternehmen betont werden, andererseits soll der erweiterte Umfang der Sachverhalte, über die zu berichten ist, zum Ausdruck gebracht werden.

Die Berichtspflicht wird auf alle großen Unternehmen sowie alle Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel in einem geregelten Markt in einem der Mitgliedstaaten zugelassen sind (kapitalmarktorientierte Unternehmen), ausgeweitet.

Große Unternehmen müssen zwei der drei Kriterien erfüllen: mindestens 250 Mitarbeiter, Umsatz von mind. 40 Mio. Euro, Bilanz von mind. 20 Mio Euro

Für kleine und mittlere, kapitalmarktorientierte Unternehmen (listed SMEs) wurde eine Phasing-In period von drei Jahren geschaffen. Ausgenommen von den Berichtspflichten sind kapitalmarktorientierte Kleinstgesellschaften.

Um die Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsberichten zu erhöhen, wird eine Prüfungspflicht für alle berichtspflichtigen Unternehmen eingeführt. Mittelfristig soll von einer Prüfung mit begrenzter Sicherheit (limited assurance) auf eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit (reasonable assurance) übergangen werden.

Zur Schaffung von vergleichbaren Informationen soll ein EU-Berichtsstandard für Nachhaltigkeitsberichterstattung erstellt werden. Internationale Rahmenwerke, wie GRI, SASB, IASB, TCFD, sowie Global Compact und SDGs sollen im EU-Berichtsstandard Berücksichtigung finden.

Die EU-Berichtsstandards werden in einem delegierten Rechtsakt der EU-Kommission veröffentlicht. Der Berichtsstandard soll bis 31. Oktober 2022 verabschiedet werden. Ergänzende Richtlinien sollen bis 31.10.2023 folgen.

Um Informationen für Maschinen lesbar und damit eine große Anzahl von Nachhaltigkeitsinformationen auswertbar zu machen, sind Nachhaltigkeitsinformationen in ESEF (European Single Electronic Format) innerhalb eines Jahres nach dem Bilanzstichtag gemeinsam mit Finanzinformation zu veröffentlichen. Ein digitales Tagging wird voraussichtlich eingeführt.

Mit dem Begriff der doppelten Materialität bzw. doppelten Wesentlichkeit wird auf zwei unterschiedliche Typen von Nachhaltigkeitsrisiken aufmerksam gemacht. Zum einen geht es um gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen, die dem Unternehmenserfolg schaden können (finanzielle Materialität, „outside-in“). Zum anderen geht es um jene Risiken und Wirkungen, die von Unternehmen verursacht werden und sowohl gesellschaftliche Wohlfahrt als auch biosphärische Zukunftsfähigkeit beeinträchtigen können (gesellschaftliche oder ökologische Materialität, „insideout“).

Die Auseinandersetzung mit neuen Anforderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung stellt eine große Herausforderung für Unternehmen dar, kann gleichzeitig auch als Chance wahrgenommen werden.

  • Ordentliches Gesetzgebungsverfahren; Vorschlag wird von Rat und EP verhandelt
  • EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) entwirft erste Standards für Nachhaltigkeitsberichterstattung
  • Die EU-Richtlinie ist per 1. Dezember 2022 von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen,
  • das nationale Gesetz wird für Unternehmen für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Jänner 2023 beginnen, anzuwenden sein. Erste Berichterstattung im Jahr 2024 für Geschäftsjahr 2023

Was plant die Europäisches Kommission als nächstes?

Zwischen dem eingangs erwähnten Aktionsplan und Klimagesetz hat die Ambition zugelegt und somit möchte auch die Europäische Kommission bei der nachhaltigen Finanzstrategie ambitionierter werden und wird eine entsprechende Überarbeitung vorlegen.

Nach der jüngst abgeschlossenen Konsultation zum delegierten Rechtsakt gemäß Artikel 8 Taxonomie-VO erfolgt im Rahmen dieses Pakets die finale Vorlage.

Die Europäische Kommission wird eine Gesetzgebungsinitiative zu nachhaltiger Unternehmensführung vorlegen. Unternehmen sollen bei ihren Geschäftsentscheidungen ökologische Aspekte (einschließlich Klima und biologische Vielfalt) sowie soziale, menschliche und wirtschaftliche Auswirkungen berücksichtigen.

In der ersten Jahreshälfte 2022 plant die Europäische Kommission die Arbeiten zu den noch vier verbleibenden delegierten Rechtsakten im Rahmen der Taxonomie-VO abzuschließen: Nachhaltige Nutzung von Wasser und Meeresressourcen, Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung und Biodiversität Die Plattform für nachhaltiges Finanzwesen arbeitet gerade an ihrem Bericht zu den vier Umweltzielen, der der EK als Vorlage dienen soll, mit Konsultationen ist ehebaldigst zu rechnen. Außerdem sind noch Berichte der Plattform zu einer etwaigen „brown taxonomy“ und sozialen Kriterien zu erwarten.

Ansprechpartner

Susanne Püls-Schlesinger
Europäische Angelegenheiten
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