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Energiestatus Österreich: Verantwortung mit Weitblick

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Mit dem ersten „Energiestatus Österreich“ (Stand: 30.3.2022) bietet Oesterreichs Energie einen Überblick über die Entwicklungen, Herausforderungen und Lösungsvorschläge der Branche in der aktuellen Situation.

Einschätzung der Gesamtsituation

Österreichs E-Wirtschaft verfolgt mit Sorge die Entwicklungen in der Ukraine. Das menschliche Leid macht betroffen. Neben der humanitären, politischen und wirtschaftlichen Dimension dieses Krieges, die derzeit noch kaum absehbar ist, stellt der Konflikt auch die Energiewirtschaft vor eine Reihe von Fragen. Obwohl wir auf eine baldige Deeskalation der Situation hoffen, müssen wir uns im Hinblick auf die kurz- und langfristige Sicherung der Versorgung in Österreich auf alle möglichen Szenarien vorbereiten. Für die Entwicklung geeigneter Maßnahmen stehen wir in regelmäßigem Austausch mit den zuständigen Ministerien und Behörden. Unsere Expertinnen und Experten analysieren die Entwicklungen laufend. Fest steht, die E-Wirtschaft wird dabei ihren Beitrag leisten. 

So unterstützte Österreich etwa die Notsynchronisation des ukrainischen Stromnetzes mit dem europäischen Verbundsystem. Ziel dieser Synchronisierung ist es, die Stabilität des ukrainischen Stromnetzes zu wahren. Eine Teilnahme am kontinentaleuropäischen Strommarkt ist jedoch nicht vorgesehen. Im Fall von Störungen ist eine umgehende Trennung der Verbindung möglich.

Die aktuellen Preissteigerungen auf den Strom- und Gasmärkten stellen Wirtschaft und Industrie sowie Haushalte vor teils große Herausforderungen. Energie muss leistbar sein. Dafür braucht es gemeinsame Lösungsansätze von Politik und Energiewirtschaft – schnell wirkende Hilfe zur sozialen Abfederung und langfristige Alternativen zu internationalen Abhängigkeiten müssen einander sinnvoll ergänzen. 
Die österreichische E-Wirtschaft begrüßt die Entlastungspakete der Bundesregierung. Der Entfall der Ökostromförderkosten, die Reduktion der Elektrizitäts- und Erdgasabgabe, sowie der Energiekosten- und der Teuerungsausgleich sind wichtige Maßnahmen zur Entlastung der Haushalte. Darüber hinaus haben die österreichischen Elektrizitäts- und Gaswirtschaft ein freiwilliges Hilfspaket zur Unterstützung von Härtefällen geschnürt.

Überlegungen, vor allem auf EU-Ebene, im Hinblick auf direkte Eingriffe in den Strommarkt lehnt Österreichs E-Wirtschaft entschieden ab. Ein funktionierender integrierter Energiemarkt ist Grundvoraussetzung für die Versorgungssicherheit und den Erneuerbaren-Ausbau. Ad-hoc Eingriffe bringen keine langfristigen Lösungen und setzen das Vertrauen in den über 20 Jahre entwickelten EU-Binnenmarkt leichtfertig aufs Spiel. 

Österreichs E-Wirtschaft hat großes Verständnis für die breite öffentliche Betroffenheit angesichts der dramatischen Situation in der Ukraine und steht für nachhaltige Wege aus der Energie-Abhängigkeit von Russland bereit. Gleichzeitig müssen wir uns jedoch auch für einen kurzfristigen Wegfall von Lieferungen bestmöglich rüsten. Rund 80 Prozent des in Österreich verbrauchten Erdgases kommen derzeit aus Russland. Der Einsatz von Gaskraftwerken und die Verfügbarkeit ausreichender Gasmengen sind nicht nur für Gewerbe und Industrie, sondern auch für die Sicherung der Stromversorgung unabdingbar. Ein schlagartiger Wegfall dieser Erdgasimporte lässt sich nicht ohne weiteres durch andere Bezugsquellen für Erdgas oder andere Energieträger substituieren.

Mehr denn je zeigt die aktuelle Situation auf den Energiemärkten die Dringlichkeit und Notwendigkeit des Ausbaus erneuerbarer Energie. Klar ist: Diesen Ausbau gibt es nicht auf Knopfdruck oder zum Nulltarif. Fest steht aber auch: Der Ausbau erneuerbarer Energie in Österreich mit seinen Milliarden-Investitionen in Kraftwerke, Netze und Speicher bringt uns nicht nur der Erreichung unserer Klimaziele näher. Er setzt darüber hinaus Impulse bei Wachstum und Beschäftigung. Die E-Wirtschaft fordert daher im Interesse der Menschen, der Wirtschaft und des Standorts Österreich ein Erneuerbaren-Beschleunigungspaket. Die Vorschläge der EU-Kommission im Rahmen der „REPowerEU“-Initiative für den Ausbau erneuerbarer Energie und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren werden von der E-Wirtschaft ausdrücklich begrüßt. 

Versorgungssicherheit hat oberste Priorität

COVID-19, ein kräftiger Konjunkturaufschwung im Vorjahr, Lieferkettenengpässe: die internationalen Energiemärkte sind seit Monaten geprägt durch Volatilität, Umbrüche und Preissteigerungen. Haupttreiber war und ist der Anstieg der Erdgaspreise. Die Folge: Höhere Preise für Rohstoffe und Energie insgesamt, die sich schließlich auch in höheren Verbraucherpreisen niederschlagen.

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine hat die bestehende Unsicherheit erhöht und so weitere Preis­steigerungen und Volatilitäten auf den Energiegroß­handelsmärkten verursacht. Die Sorge darüber, ob im kommenden Winter ausreichend Erdgas zur Verfügung stehen wird, heizt zusätzlich die Gas- und infolge die Strompreise an.

Sollte es zu einem weitgehenden Stopp der Gaslieferungen aus Russland kommen, muss sichergestellt werden, dass dies nicht zu Versorgungsengpässen bei der Stromversorgung führt. Im Fall einer Gasknappheit muss in jedem Fall die zur Aufrechterhaltung der Stromversorgungssicherheit benötigte Gasmenge den Gaskraftwerken zur Verfügung gestellt werden. Gaskraftwerke sind für die Versorgung mit Strom und Wärme unerlässlich und werden es auch in den kommenden Jahrzehnten bleiben. Im Jänner 2022 etwa haben sie 27 Prozent des gesamten Inlandsverbrauchs an Strom produziert. Selbst bei einem weit fortgeschrittenen Umstieg auf erneuerbare Energie werden wir Gaskraftwerke zur Stabilisierung der Netze benötigen. Wenn Wasser, Wind oder Sonne aufgrund von ungünstigen Wetterlagen zu wenig Energie liefern, sind wir auf diese sicheren Kapazitäten angewiesen. Darüber hinaus brauchen wir Gaskraftwerke zur Kompensation von Netzengpässen. 

Aus Sicht der österreichischen E-Wirtschaft gibt es keine kurzfristige Alternative zu russischem Erdgas. Am ehesten, jedoch nur in geringem Ausmaß, wären Gaslieferungen aus Norwegen realisierbar. Internationale LNG-Lieferungen etwa aus Katar, den USA, Norwegen oder Algerien sind aufgrund von begrenzter Verfügbarkeit und ausgebuchten Terminal- sowie Pipeline-Kapazitäten keine kurzfristige Alternative. Heimisches Biogas kann aufgrund eingeschränkt verfügbarer Mengen nur bedingt einen Beitrag leisten.

Gut ein Viertel des gesamten Erdgasverbrauchs (rund 90 TWh) entfällt auf Kraftwerke. Ein rascher Start der Befüllung der Speicher ist nicht nur für Haushalte und Industrie notwendig, sondern auch für die Versorgungssicherheit mit Strom. Die österreichische E-Wirtschaft unterstützt daher die Bundesregierung in ihrem Bemühen, den Beitrag von Gasspeichern zur Versorgungssicherheit krisenfest zu machen. Wichtigstes Ziel muss es sein, mit ausreichend gefüllten Gasspeichern in den nächsten Winter zu gehen. Dazu wurde kürzlich mit dem Beschluss zur strategischen Gasreserve ein wichtiger Schritt gesetzt. In europäischer Zusammenarbeit muss nun schnellstmöglich Zugang zu alternativen Gaslieferungen gefunden und durch Diversifizierung neue Abhängigkeiten vermieden werden.
 

Erneuerbaren-Ausbau vorantreiben

Kurzfristig kann erneuerbarer Strom die Versorgungsengpässe bei Gas nicht kompensieren – mittelfristig führt jedoch kein Weg am Ausbau erneuerbarer Energie vorbei, wenn wir unsere Abhängigkeit von internationalen Energiemärkten reduzieren wollen. Das Ziel ist klar: Bis 2030 sollen 100 Prozent des in Österreich benötigten Stroms aus erneuerbaren Energieträgern kommen. Aus Sicht der österreichischen Elektrizitätswirtschaft ist dieses Ziel nach wie vor erreichbar – vorausgesetzt alle relevanten Akteure ziehen an einem Strang. 

Die E-Wirtschaft ist bereit, dabei eine treibende Rolle einzunehmen. Die Unternehmen der E-Wirtschaft verfügen über die erforderlichen Projekte, das technische Wissen und die jahrzehntelange Erfahrung, die es für einen Totalumbau des Energiesystems braucht. Damit dieses Vorhaben gelingen kann, braucht die Branche jedoch geeignete Rahmenbedingungen. Hier sind die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger auf allen Ebenen gefordert.

Oesterreichs Energie fordert, dass der Ausbau erneuerbarer Energie und der dazugehörige Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur auf allen Ebenen der Politik oberste Priorität haben muss. Die E-Wirtschaft respektiert die Bedürfnisse von Mensch und Natur in Planung, Bau und Betrieb – unnötige organisatorische und administrative Hürden, vor allem bei Genehmigungen und der Bereitstellung von Flächen müssen dennoch schnellstmöglich der Vergangenheit angehören. Konkret heißt das: Die begleitenden Verordnungen zum Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) müssen erlassen und ein neues hochgeschwindigkeitstaugliches UVP-Gesetz muss vorgelegt werden. Zudem braucht es insbesondere auf Ebene von Ländern und Gemeinden mehr politische Unterstützung bei der Zurverfügungstellung geeigneter Flächen.

In diesem Zusammenhang begrüßt die E-Wirtschaft, dass die EU-Kommission im Rahmen von „REPowerEU“ mehr Tempo und Ambitionen beim Ausbau erneuerbarer Energien von ihren Mitgliedern einfordert: So sollen die einzelnen Staaten sicherstellen, dass Projekte für den Erneuerbaren- und Netzausbau den einfachsten Planungs- und Genehmigungsverfahren unterliegen. Die EU-Kommission hält weiters fest, dass solche Projekte von überwiegendem öffentlichem Interesse sind und fordert die Staaten auf, die dafür notwendigen Flächen bereitzustellen. 

Für 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien (national, bilanziell) bis 2030 braucht es einen Zubau von 27 Terrawattstunden aus erneuerbaren Quellen – und das in weniger als neun Jahren. Neben den adäquaten Rahmenbedingungen braucht es dafür auch enorme Investitionen – in Summe 43 Milliarden Euro. Im Bereich Erzeugung wird die E-Wirtschaft jährlich 2,5 Milliarden Euro investieren müssen, im Bereich der Netzinfrastruktur sind es 1,8 Milliarden Euro pro Jahr. 

Diese massiven Investitionen in den Erneuerbaren-Ausbau bringen Österreich nicht nur näher an seine Klimaziele, sie sind zudem ein regelrechter Beschäftigungs- und Konjunkturmotor. Unabhängige Berechnungen zeigen: Jeder Euro, der in der E-Wirtschaft erwirtschaftet wird, generiert 1,18 Euro zusätzliche Wertschöpfung. Jede investierte Million generiert 668.000 Euro Wertschöpfung und schafft oder sichert 7,3 Vollzeit-Arbeitsplätze in Österreich. 
 

Energiepreise stabilisieren

Die österreichische Energiewirtschaft ist sich ihrer Verantwortung bewusst, neben Versorgungssicherheit und dem Ausbau erneuerbarer Energieträger auch die Leistbarkeit von Strom im Blick zu behalten. Die E-Wirtschaft unterstützt daher die Maßnahmenpakete der Bundesregierung zur Entlastung von Haushalten und Wirtschaft: durch das Herabsetzen der Ökostromfinanzierung und der Elektrizitätsabgabe werden Preissteigerungen bei Strom effektiv abgefedert, hinzu kommen der Energiekosten- und der Teuerungsausgleich. Darüber hinaus hat die Branche freiwillige Maßnahmen beschlossen, die unter anderem einen Abschalteverzicht bis Ende Mai 2022 und Millionen-Hilfen für soziale Härtefälle beinhaltet. Die Energiewirtschaft setzt dabei die bewährten Kooperationen mit Sozialeinrichtungen und Hilfsorganisationen fort.

Die österreichische E-Wirtschaft unterstützt die Abmilderungen von Härten durch hohe Preissteigerungen bei Strom oder Gas, erteilt aber allen Arten von direkten Markt­eingriffen eine klare Absage. Die Branche ist der Ansicht, dass der Strommarkt auch angesichts der aktuellen Situation funktioniert – und das aktuelle Marktmodell das Beste ist, das derzeit zur Wahl steht. Zu diesem Schluss kommt auch die Europäische Kommission. In einem umfassenden Bericht hält sie fest, dass alle denkbaren Markteingriffe entweder mit erheblichen Kosten und Risiken verbunden wären, zu Problemen im Bereich der Versorgungssicherheit führen könnten oder die Abhängigkeit von fossilen Importen weiter verschärfen würden. 

Davon unabhängig spricht sich die E-Wirtschaft für die geplante Einführung einer nationalen CO2-Bepreisung per Juli 2022 aus. Aus Sicht der Branche überwiegen die stabilisierenden Effekte verlässlicher und langfristiger Marktsignale die direkt mit der CO2-Bepreisung verbundenen Kosten deutlich.
 

Energieeffizienz fördern

Neben dem Ausbau der Erneuerbaren ist Energieeffizienz der wesentliche Baustein in der Transformation des Energiesystems. Den besten Preis haben am Ende die Kilowattstunden, die gar nicht erst verbraucht werden. Besonderes Potential für Energieeffizienz liegen in den Bereichen Wärme und Verkehr: Die effiziente Nutzung von Strom durch den Einsatz von Wärmepumpen sowie durch den Umstieg auf E-Mobilität kann hier einen wesentlichen Beitrag leisten.