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Welche Technologien schaffen Flexibilität im Elektrizitätssystem?

Der steigende Bedarf an Flexibilität lässt sich mit einer Reihe von Technologien decken. Pumpspeicher gehören zu den wichtigsten, zeigt eine Studie des Austrian Institute of Technology (AIT), der Energy Economics Group der Technischen Universität (TU) Wien und der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (EfE).

Mit Möglichkeiten zur Deckung des Flexibilitätsbedarfs befasst sich die Studie „Flexibilitätsangebot und -nachfrage im Elektrizitätssystem Österreichs“, die das Austrian Institute of Technology (AIT), die Energy Economics Group der Technischen Universität (TU) Wien und die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (EfE) im Auftrag der E-Control erstellten. Wie es darin heißt, sei „die optimale Verwendung von Flexibilität einer der Kernaspekte der künftigen Elektrizitätsversorgung, um den zukünftigen Ausbau an erneuerbaren Energien voranzutreiben. In dieser Studie soll daher untersucht werden, welches Flexibilitätspotenzial aktuell (2020) und künftig (2030) in Österreich vorhanden sein wird.

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Ebenso soll für diesen Zeitraum abgeschätzt werden, wie hoch die Nachfrage nach Flexibilität bzw. wie viel Flexibilität für die einzelnen Flexibilitätsnachfrage-Optionen erforderlich sein wird.“ Definiert werde der Begriff Flexibilität als „die Möglichkeit, an einem definierten Netzknoten des Stromsystems über die zeitnahe Veränderung – durch eine externe Vorgabe – die Einspeise- oder Bezugsleistung zu ändern. Die Vorgaben können von außen über Aggregatoren, definierte Schnittstellen oder andere Systemanforderungen erfolgen und somit die erbringenden Anlagen netz-, markt-, kunden-, systemdienlich eingesetzt werden.“ Bestimmt werde die Flexibilität durch die technischen Gegebenheiten, aber auch „durch die Nachfrage und die volatile erneuerbare Stromerzeugung bzw. deren zeitliche Veränderung“. Was den Bedarf an Flexibilität betreffe, seien auch in Österreich „kurzfristige Energiemärkte von zentraler Bedeutung, da sie aus marktwirtschaftlicher Sicht dem Abgleich von Angebot und Nachfrage nach elektrischer Energie dienen“. Die Größe des Bedarfs ergibt sich aus dem gesamten Strombedarf (Last) einerseits und jenem Teil dieses Bedarfs, der mit erneuerbaren Energien (variablen erneuerbaren Energien, vEE) abgedeckt werden kann. Somit entspricht die Größe der Flexibilität weitestgehend der Residuallast.

Keineswegs unterschätzt werden dürfe neben dem Ausbau der Pump­speicherleistung die Rolle von mit Erdgas betriebenen hoch­effizienten Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK), die vor allem im Osten des Bundesgebiets situiert seien, so der Tenor der Studie.

Der Studie zufolge werde diese mit dem zunehmenden Ausbau der erneuerbaren Energien abnehmen: „Der Vergleich der Residuallast heute (2020 – auf Basis von Strommarktstatistiken) und morgen (2030 – gemäß Modellierung) zeigt in der Jahresbilanz einen deutlichen Rückgang der Residuallast – von heute 24,4 Terawattstunden (TWh) auf künftig 12,9–14,8 TWh, je nach Szenario. Dies spiegelt den antizipierten Wandel im Stromsystem wider, also des anvisierten massiven Ausbaus erneuerbarer Energien. Der Zuwachs an Stromerzeugung aus insbesondere vEE verändert die Stromaußenhandelsbilanz (d. h. Österreich würde im Jahressaldo im Jahr 2030 einen Exportüberschuss erzielen) und bedingt generell einen Rückgang an residualer Last.“
 

Pumpspeicher entscheidend  Decken lässt sich der Flexibilitätsbedarf mit einer Reihe von Maßnahmen und Technologien. Eine Möglichkeit sind „verbraucherseitige Optionen“ wie die zeitliche Verschiebung des Stromverbrauchs (Lastverschiebung) bei den Haushalten, im Gewerbe und in der Industrie. Freilich dürfen die Potenziale nicht überschätzt werden: Industrieanlagen, die Strom verbrauchen, dienen nun einmal der Produktion von Waren und werden gemäß den ökonomischen Strategien der jeweiligen Unternehmensführung gefahren. Somit ist die Möglichkeit der Lastverschiebung begrenzt und spielt für das Stromsystem nur eine untergeordnete Rolle. Als weitere „verbraucherseitige Optionen“ nennen die Studienautoren unter anderem E-Autos sowie die Wasserstoffproduktion. All diese Möglichkeiten „tragen zum Ausgleich kurzfristiger Schwankungen in der Residuallast bei, leisten jedoch (nahezu) keinen Beitrag zum saisonalen Ausgleich in der langen Frist“.

Sollten Großbatterien um das Jahr 2030 im Strommarkt verfügbar sein, könnten auch sie „einen Beitrag zur Bedarfsdeckung in der kurzen Frist liefern. Deren Verfügbarkeit und Einsatz würde im Wesentlichen den Einsatz thermischer Kraftwerke, insbesondere von Gaskraftwerken, vermindern, hätte aber nur marginale Auswirkungen auf die Anwendung verbraucherseitiger Optionen.“

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Entscheidende Bedeutung bei der Deckung des Flexibilitätsbedarfs haben derzeit die österreichischen Pumpspeicherkraftwerke: „Und dies ist auch für morgen (2030) zu erwarten“, wird in der Studie betont. Zurzeit liegt deren Leistung bei insgesamt rund 4.200 MW. Ausdrücklich empfohlen wird in der Studie die Steigerung der Turbinenleistung um etwa 1.500 MW und der Pumpleistung um 1.300 MW, „sodass diese Flexibilitätsoption im ‚Krisenfall‘ auch in vollem Ausmaß zur Verfügung stehen würde“.

Keineswegs unterschätzt werden dürfe ferner die Rolle thermischer Kraftwerke, genauer gesagt der mit Erdgas betriebenen hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK), die vor allem im Osten des Bundesgebiets situiert seien. Notwendig seien diese Anlagen insbesondere „zum saisonalen Ausgleich der monatlichen Schwankungen im Vergleich zum Jahresmittel und bei der Bereitstellung der Jahressumme der Residuallast, während in der kurzen Frist durch diese Option nur ein geringfügiger Beitrag zur Deckung des Flexibilitätsbedarfs geleistet wird“.

Zentrale Flexibilitätssäule des heimischen Strommarkts sind die überregionalen und transnationalen Übertragungsnetze. Damit lassen sich regionale Überschüsse und Defizite bei der Stromproduktion großräumig ausgleichen.

Als weitere „zentrale Flexibilitätssäule des heimischen Strommarkts“ bezeichnen die Autoren der Studie den überregionalen und nicht zuletzt auch transnationalen „Stromaustausch“ über die Übertragungsnetze. Damit lassen sich regionale Überschüsse und Defizite bei der Stromproduktion großräumig ausgleichen. „Der Beitrag zum saisonalen Ausgleich, also zum Decken der höheren Residuallast in den Wintermonaten, fällt bei dieser Flexibilitätsoption deutlich am größten aus, auch im Vergleich zu anderen Optionen. In der kurzen Frist, also zum Ausgleich stündlicher Schwankungen am Tag, ist es umgekehrt. Österreich exportiert durch den internationalen Stromaustausch kurzfristige Flexibilität an die Nachbarländer“, heißt es in der Studie. Dringend empfohlen werde daher die Bereitstellung einer leistungsfähigen Netzinfrastruktur. Denn diese sei die „Voraussetzung für grenzüberschreitenden Stromhandel“ und damit für die Nutzung einer wesentlichen Flexibilitätsoption.

Was bedeutet „Flexibilität“?Flexibilität im Kontext der Stromversorgung ist die Möglichkeit, an einem definierten Netzknoten des Stromsystems über zeitnahe Veränderung – durch eine externe Vorgabe – die Einspeise- oder Bezugsleistung zu ändern. Der Ausbau erneuerbarer Energiequellen, die höheren Output-Schwankungen unterliegen als die Produktion aus fossilen Quellen, macht schnell zuschalt- oder abschaltbare Energiequellen bedeutsamer.