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Versorgungssicherheit in der Krise

Belvedere 21

„Versorgungsicherheit: Nach dem Winter ist vor dem Winter!“ Unter diesem Titel fand am 8. März 2023 das erste Trendforum des Jahres von Oesterreichs Energie in Wien statt. Angesichts zahlreicher und sich überlagernder Risiken sei es beim Thema Versorgung noch nie so knapp gewesen wie diesen Winter, waren sich die Teilnehmer:innen auf dem Podium einig. Natürlich hätte auch der milde Winter geholfen, aber Politik und E-Wirtschaft hätten auch gemeinsam eine ganze Reihe von Maßnahmen zu Krisenbewältigung gesetzt. Die wichtigste Erkenntnis aus dem Winter: „Versorgungssicherheit hat einen hohen Stellenwert und sie muss auch etwas Wert sein!“ Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie forderte vor diesem Hintergrund auch einen beschleunigten und integrierten Plan für den Ausbau von Kapazitäten, Netzen und Speichern: „Wir brauchen dafür auch gesamteuropäische Lösungen. Die Unternehmen der E-Wirtschaft sind bereit zu investieren, wir brauchen aber auch Investitionssicherheit.“
 

Christoph Maurer, Geschäftsführer von Consentec betonte in seiner Key Note es hätte eigentlich nicht eine einzige Energiekrise, sondern eine Überlagerung unterschiedlicher Krisen gegeben: den Ausfall der russischen Gaslieferungen, die verringerte Verfügbarkeit der Atomkraftwerke vor allem in Frankreich und die zunehmende Trockenheit in Europa. Am größten sei das daraus resultierende Risiko für die Versorgungssicherheit in Frankreich und Irland gewesen. Maurer: „Aber auch in Österreich und Deutschland gab es doch ein Risiko für die Versorgungssicherheit.“ Und natürlich solle sich so eine Situation nicht wiederholen.

Christoph Maurer, Geschäftsführer Consentec GmbH
© Martin Hörmandinger

Maurer: „Auch wenn der Winter vorbei ist, die Energiekrise ist nicht vorbei und wir müssen uns jetzt schon auf den kommenden Winter vorbereiten.“ Als wichtigen Punkt regt Maurer an, in der Frage der Versorgungssicherheit gesamteuropäischer und aktiver zu denken und zusammenzuarbeiten, etwa in Bezug auf den Ausbau grenzüberschreitender Kapazitäten. Maurer regt zudem an sich verstärkt mit dem Thema Risikovermeidung zu beschäftigen: Die einzelnen Modelle für die Risikobewertung müssten überarbeitet werden, die Szenarien würden Serien-Probleme und sich überlagernde Klumpenrisiken nicht zur Gänze abdecken. 

© Martin Hörmandinger

Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher führt den „ganz gut bewältigten Winter“ auf eine Reihe von technischen und gesetzlichen Maßnahmen zurück: „Entscheidend war aber, dass wir rasch einen sehr hohen Gasspeicherstand hatten und auch jetzt bereits wieder rund 68 Prozent haben und das gibt Sicherheit.“ Kocher betonte den klaren und strikten Fokus der Bundesregierung auf das Thema Versorgungssicherheit: „Das hatte und hat für uns oberste Priorität“. In der Rückschau sei man natürlich immer klüger, räumte Kocher ein: „Die strategische Gasreserve haben wir doch zu einem sehr hohen Preis eingekauft.“

Als wichtiges Learning aus dem ersten Krisenwinter betonte Kocher den Ausbau von Infrastruktur, Netzen und Leitungen: „Wir müssen uns einfach unabhängiger machen. Wir brauchen Schritte auch auf europäischer Ebene – etwa einen stärkeren gemeinsamen Gaseinkauf.“  Die längere Notwendigkeit von Versorgung mit Gas dürfe aber den raschen Ausbau Erneuerbarer Energie nicht bremsen: „Wir wollen einen raschen Ausstieg aus fossiler Energie.“

Christine Materazzi-Wagner, Leiterin Abteilung Strom, E-Control
© Martin Hörmandinger

Christine Materazzi-Wagner, Leiterin Abteilung Strom in der E-Control betonte, es sei diesen Winter „knapper gewesen als je zuvor“. Sie lobte das hohe Tempo einzelner Maßnahmen: „In dieser Krise waren wir aus der Branche überrascht, wie schnell bestimmte Dinge plötzlich gehen.“ Kritischer sieht Materazzi-Wagner, dass rasche Beschlüsse auf EU-Ebene in den jeweiligen nationalen Umsetzungen länger gedauert hätten. Sie fordert „mehr Ehrlichkeit in der Diskussion“: „24/7 Versorgungssicherheit zum Nulltarif gibt es nicht. Wir müssen uns daher fragen, wieviel uns Versorgungssicherheit wert ist.“ Durch die zentrale Lage Österreichs sei ein europäischer Weg besonders notwendig um für künftige Krisenszenarien besser vorbereitet zu sein.

Jozef Vasak, Leiter des Wirtschaftsteams der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, meinte in seinem Statement: „REPowerEU weist den Weg: Die Erschließung neuer Gas-Lieferanten, Energieeinsparungen, der zügige Ausbau erneuerbarer Energie und europäische Solidarität.“ Er verwies auf die Bestrebungen der EU-Kommission alternative Gasquellen für Europa zu erschließen, die Verkürzung von Genehmigungsfristen für Projekte des Erneuerbaren Ausbaus und temporäre Mechanismen zur Marktregulierung. Vasak: „Wir haben gemeinsam dem russischen Erpressungsversuch standgehalten und den Erneuerbaren Ausbau vorangetrieben.“ Als aktuelle Maßnahme verwies Vasak auf 20 Milliarden Euro Investitionszuschüsse im Rahmen der Aufbau-und Resillienz-Fazilität zur Stärkung der grenzüberschreitenden kritischen Netzinfrastruktur.

Josef Vasak, Leiter Wirtschaft und Soziales, Ständige Vertretung Österreichs bei der EU
© Martin Hörmandinger
Michael Strugl, Präsident Oesterreichs Energie
© Martin Hörmandinger

Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie, verwies auf die ungewisse und kritische Situation vor dem Winter 2022/23. Er meinte daher in Bezug auf den Wirtschaftsminister, dass die strategische Gasreserve vielleicht teuer eingekauft worden sei, „aber ich will mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn wir das nicht gemacht hätten. Denken Sie an Frankreich, dort wurde die Bevölkerung konkret auf Stromabschaltungen vorbereitet.“ Er betonte, dass Versorgungssicherheit einen hohen Wert hätte und „auch etwas Wert sein muss“. 

Strugl fordert ein Umdenken: „Wir können das System nicht nur ständig auf Kosteneffizienz trimmen, wir müssen auch die Versorgungssicherheit und die Systemstabilität im Auge haben und das kostet. Es sind aber gerade die Reserven in der Erzeugung, den Netzen und Speichern, die Sicherheit geben.“