Trendforum: 3773 Tage bis 2030 – Wie erreicht Österreich die Klima- und Energieziele?

wolke 19, Wien

Die energie- und klimapolitischen Grundsätze der wahlwerbenden Parteien standen im Zentrum des dritten Trendforums 2019 von Oesterreichs Energie. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussion waren Muna Duzdar, SPÖ, Leonore Gewessler, Grüne, Andreas Hanger, ÖVP, Axel Kassegger, FPÖ und Josef Schellhorn, NEOS.

Die Erreichung der Klimaziele bis 2030, insbesondere eine deutliche Verringerung der CO2-Emissionen, ist mit entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen noch möglich. Darüber waren sich die Energiesprecher der wichtigsten wahlwerbenden Parteien beim dritten Trendforum von Oesterreichs Energie 2019 einig. Thema der Veranstaltung waren die Klima- und Energieprogramme der Parteien im Vorfeld der Nationalratswahlen am 29. September. Einigkeit herrschte auch darüber, dass dafür umfassende Reformen der Energiegesetze und steuerliche Anreize notwendig sind.

E-Wirtschaft bietet Klimapakt

Der CO2-Ausstoß unseres Landes könnte bis 2030 allein durch Maßnahmen im Zusammenhang mit der Umstellung des Stromsystems auf 100 Prozent erneuerbaren Strom und die Nutzung von Strom in Bereichen, die bisher von fossilen Energien dominiert werden, um ein Zehntel verringert werden, erklärte Leonhard Schitter, Präsident von Oesterreichs Energie. Die E-Wirtschaft ist dazu bereit, hier aktiv zu werden und bietet Gesellschaft und Politik einen Klimapakt an.

Kern des Klimapakts ist die Steigerung der Stromerzeugung mittels Wasserkraftwerken, Windparks und Solaranlagen um 30 Terawattstunden. Sie soll durch technologiespezifische, variable Marktprämien unterstützt werden, deren Vergabe über Ausschreibungen erfolgt. Dringend notwendig dafür ist das geplante „Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz“ (EAG), dessen Beschluss sich infolge der vorgezogenen Nationalratswahl leider um etwa ein Jahr verzögern wird, so Schitter. Für die Zwischenzeit deuteten die Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer an, dass noch vor der Wahl die in Verhandlung stehende Zwischenlösung zur Erneuerbaren-Unterstützung beschlossen werden könnte.

© Christian Fürthner
© Oesterreichs Energie

Für die Energie-Systemumstellung, die im kommenden Jahrzehnt zu meistern ist, forderte Schitter namens der Elektrizitätswirtschaft eine moderne Regulierung, die Anreize für Investitionen in den Ausbau der Netze bietet, Kraftwerke und Speicher von wettbewerbsverzerrenden Netzgebühren befreit sowie die überzogene Umsetzung von EU-Vorgaben (Gold Plating) vermeidet. Das in Überarbeitung befindliche Energieeffizienzgesetz sollte künftig auf Anreize statt Verpflichtungen setzen. Statt bürokratischer Vorgaben müssten strategische Konzepte und Maßnahmen seinen Schwerpunkt bilden, so Schitter.

© Oesterreichs Energie

CO2-Bepreisung

Zusätzlich zu den Materiengesetzen im Stromsektor sprach sich der Oesterreichs Energie-Präsident für eine CO2-Bepreisung aus, die alle Wirtschaftssektoren umfasst. Dazu gehört die steuerliche Entlastung elektrischer Energie ebenso wie eine CO2-Bepreisung für jene Bereiche, die nicht in den EU-internen Emissionshandel einbezogen sind, also vor allem für Verkehr und Raumwärme. Auch in den Bereichen Wärmeversorgung und Mobilität muss Strom laut dem Klimapakt eine erheblich stärkere Rolle spielen als bisher. Unter anderem empfiehlt Oesterreichs Energie ein „100.000-Wärmepumpen-Programm“ ähnlich dem „100.000-Dächer-Programm“ der vorigen Bundesregierung für die Installation von Photovoltaikanlagen. Im Mobilitätssektor fordert Oesterreichs Energie bessere Rahmenbedingungen für die Errichtung der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im öffentlichen sowie im privaten Bereich.

ÖVP-Position

Grundsätzlich unterstützt wird der Klimapakt von nahezu allen im Nationalrat vertretenen Parteien sowie von den Grünen, versicherten deren Energiesprecher beim Trendforum. Für die ÖVP konstatierte Andreas Hanger, Österreich sei hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Energien „Europaspitze“ und habe eine ausgezeichnete Basis, um seinen Strombedarf vollständig mit Hilfe der „Erneuerbaren“ zu decken. Hinsichtlich der Details des Paktes und seiner Umsetzung werde es freilich noch Diskussionen geben müssen. Hanger legte seitens seiner Partei ein „klares Bekenntnis zu CO2-Zöllen“ und „natürlich auch zu einer Besteuerung von Kerosin“ ab, wofür man aber eine internationale Lösung brauche. Auch Schiffsdiesel müsste laut Hanger stärker besteuert werden. Einer CO2-Steuer steht Hanger skeptisch gegenüber, der ländliche Raum dürfe dadurch nicht benachteiligt werden - prinzipiell sei man aber für eine CO2-Bepreisung.

Andreas Hanger, Abg. z. NR, ÖVP
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Mag. Muna Duzdar, Abg. z. NR, SPÖ
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SPÖ-Position

Ihre prinzipielle Unterstützung bekundete auch Muna Duzdar, die Energiesprecherin der SPÖ. Sie sprach sich insbesondere für die Verlängerung des Energieeffizienzgesetzes über 2020 hinaus aus. Laut Duzdar dürfen die Kosten für die Energiewende nicht allein den sozial Schwächeren aufgebürdet werden. Und die von Oesterreichs Energie gewünschte moderne Regulierung sollte nicht auf eine „Deregulierung“ hinauslaufen. Eine CO2-Bepreisung habe nur dann einen Lenkungseffekt, wenn es auch alternative und attraktive Angebote für die Menschen gebe. Eine Pendlerin habe nicht die Möglichkeit, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, wenn es in ihrer Region keine gebe.

FPÖ-Position

Auch Axel Kassegger von der FPÖ bekannte sich grundsätzlich zu den von Oesterreichs Energie vorgeschlagenen Maßnahmen. Er wandte sich indessen dagegen, das Thema CO2-Reduktion zu stark zu betonen: „Das ist mir zu monokausal.“ Eigentlich gebe es ja schon eine solche Steuer, so Kassegger, „die heißt halt nur Mineralölsteuer“. Man könne aber über die Zweckbindung der MÖSt reden, die in den 1980er-Jahren aufgehoben worden sei, „weil mit der MÖSt stopfen wir Budgetlöcher“. Wenn man die NoVA (Normverbrauchsabgabe), die motorbezogene Versicherungssteuer und die Umsatzsteuer dazurechne, komme man auf eine Belastung von rund 13 Mrd. Euro.

MMMag. Dr. Axel Kassegger, Abg. z. NR, FPÖ
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Josef Schellhorn, Abg. z. NR, NEOS
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NEOS-Position

Josef Schellhorn von den NEOS erteilte dem Klimapakt seine vollständige Zustimmung. Dieser decke sich nahezu vollständig mit den Vorstellungen seiner Partei. Die NEOS seien für Lenkungsmaßnahmen, um den CO2-Ausstoß zu belasten und den Faktor Arbeit zu entlasten. Schellhorn wünscht sich außerdem mehr Forschung und Innovation im Bereich der Green Energy. Eine ökologische Steuerreform müsse eine Zweckbindung haben, sagte Schellhorn: „Sie muss die Zweckbindung haben, den Faktor Arbeit zu entlasten und natürlich CO2-Emissionen zu belasten." Umweltschädliche Subventionen müssten abgeschafft werden.

Grünen-Position

Für Leonore Gewessler, Bundeslistenzweite der Grünen, ist eine CO2-Steuer sogar ein „fundamentaler Bestandteil eines ökosozialen Steuerkonzepts“. Die umweltbezogenen Steuern seien in Österreich unter dem OECD-Schnitt, die Abgaben auf Arbeit darüber. Das Konzept der Grünen sehe vor, einen Teil der Einnahmen für einen Pro-Kopf-Ökobonus zu verwenden, der umverteilend wirken würde. Ein Teil sollte für die Entlastung der Unternehmen von Lohnnebenkosten verwendet werden und der Rest in einen Klimawendefonds fließen und z.B. für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs verwendet werden. Im Gegensatz dazu sei derzeit geplant, 13 Mrd. Euro "in aus meiner Sicht sinnlose Autobahnprojekte, Stichwort Waldviertel-Autobahn, zu stecken". Auch die technologiespezifischen Förderungen der erneuerbaren Energien werden von den Grünen befürwortet. Freilich ergäben sich bei Detailfragen oft Probleme. „Aber in Summe ist das ein Superpapier“, konstatierte Gewessler mit Hinweis auf den Klimapakt von Oesterreichs Energie.

Leonore Gewessler, Bundeslistenzweite, Die Grünen
© Christian Fürthner
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Verstärktes Miteinander

Im Sinne einer zielführenden Energie- und Klimapolitik im kommenden Jahrzehnt setzten die Diskutanten auf Konsens, ein verstärktes Miteinander „und eine gute Kultur“, wie Hanger formulierte. Viele Gesetze im Energiebereich müssten ja mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. „Im Grund genommen sind wir uns ja alle einig“, stellte auch NEOS-Energiesprecher Schellhorn fest. So seien sämtliche Parteien dafür, den Strombedarf Österreichs vollständig mit erneuerbaren Energien zu decken. Wirtschaft und Umwelt „müssen aber gemeinsam funktionieren“. Lenkungsmaßnahmen hätten darauf abzuzielen, den Faktor Arbeit zu entlasten und umweltschädliches Verhalten zu belasten.

Erforderlich sind laut Schellhorn deshalb unter anderem effiziente Förderungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, eine bundesweite Energieraumplanung sowie ein Investitionsplan für eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur. Die Grünen vermissen laut Gewessler „eine Politik, die die Energiewende vorantreibt. Wir dürfen diese Herausforderung nicht einfach auf die E-Wirtschaft abwälzen“. Für das Gelingen der Wende sei die kommende Legislaturperiode „fundamental wichtig“. Es gelte, aufzuhören, „das Falsche zu tun. Es muss Schluss sein mit politischer Mutlosigkeit, Maßnahmen nach Art von Klein-Klein und dem Subventionieren fossiler Energieträger“.


Oesterreichs Energie Trendforum ist eine Diskussionsreihe zur Erörterung von Zukunftsfragen bezüglich Strom und Energie. Das Trendforum wurde 2012 etabliert und findet vier Mal jährlich in Wien statt. Bisherige Themen waren unter anderem der Standortfaktor Strom, die Überregulierung des Energiesektors sowie innovative Konzepte zur Teilnahme der Kunden am Energiesystem der Zukunft.