Studie: Was es für ein klimaneutrales Stromsystem 2040 braucht
Die österreichischen Klimaziele sind ambitioniert – sie sehen eine Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 vor. Oesterreichs Energie, die Interessenvertretung der E-Wirtschaft hat nun erstmals berechnen lassen, ob ein derartiges Szenario in der Elektrizitätswirtschaft bei einer weiterhin zu jeder Zeit sicheren Deckung des Strombedarfsrealisierbar ist. Die Ergebnisse dieser Studie wurden nun im Rahmen des Oesterreichs Energie Kongresses 2024 vorgestellt.
Bis 2040 soll Österreich klimaneutral sein – über dieses Ziel herrscht Einigkeit. Ob – und unter welchen Voraussetzungen – es im Bereich der Stromversorgung erreichbar ist, hat das Beratungsunternehmen Compass Lexecon nun im Auftrag von Oesterreichs Energie im Rahmen einer Studie untersucht. Wichtigstes Ergebnis: ein robustes und klimaneutrales Stromsystem in Österreich ist grundsätzlich machbar – doch es ist kein Selbstläufer. „Wenn wir es klug angehen, das System in seiner Gesamtheit betrachten und die richtige Balance zwischen den einzelnen Bereichen finden, ist eine sichere Stromversorgung auch in einem vollständig klimaneutralen Stromsystem möglich. Doch nur unter den richtigen Rahmenbedingungen“, erklärt Oesterreichs Energie Präsident Michael Strugl.
Der Erzeugungsmix macht‘s
Wichtigste Voraussetzung ist ein sehr ausgewogenes Verhältnis zwischen den verschiedenen Erzeugungstechnologien. „Damit wir Synergien nutzen und Schwankungen minimieren können, brauchen wir die richtige Relation zwischen PV-Anlagen und Windkraftwerken – die Erzeugungsmuster dieser Technologien ergänzen sich ausgezeichnet und müssen deshalb im Gleichschritt ausgebaut werden“, so Strugl.
Das Fundament der österreichischen Stromversorgung bleibt aber die Wasserkraft. Sie stellt auch ein hohes Maß an Flexibilität bereit – dieser Aspekt gewinnt in einem erneuerbaren Stromsystem weiter an Bedeutung. Wie wichtig eine resiliente Energieversorgung ist, führten auch die Ereignisse der letzten Tage vor Augen. Während die Wasserkraft in den Hochwassergebieten deutlich weniger Strom produziert, kann die aktuell hohe Windkrafterzeugung diese Lücke schließen.
Flexibilität ist Voraussetzung
Da viele erneuerbare Kraftwerke nur begrenzt gesteuert werden können, gewinnen flexible Kapazitäten – also Verbraucher, die ihren Verbrauch anpassen können oder steuerbare Kraftwerke – und Speicher an Bedeutung. „Um das System künftig in Balance zu halten, müssen wir umfassend in alle Arten von Speichern investieren - von Pumpspeichern über Batterien bis hin zu Elektrolyseuren“, so Strugl. Außerdem sind auch in Zukunft – insbesondere in den Wintermonaten – steuerbare thermische Kraftwerke, die mit grünem Gas wie Biomethan oder Wasserstoff dringend benötigten klimaneutralen Strom und Wärme erzeugen, weiterhin unerlässlich.
Bedarf an Strom und Flexibilität steigt massiv
Die E-Wirtschaft geht davon aus, dass sich die Nachfrage nach Strom gegenüber heute auf rund 150 Terawattstunden (TWh) verdoppeln wird. Vor allem die Bereiche Mobilität, Industrie und Raumwärme gewinnen dabei massiv an Bedeutung, neu hinzu kommt die Produktion von Wasserstoff. Zur Deckung dieser Stromnachfrage muss sich die in Österreich installierte Kraftwerksleistung in den kommenden Jahren fast verdreifachen – von derzeit 27 GW (Gigawatt) auf 71 GW. Der Anteil der Wasserkraft, auf die derzeit rund die Hälfte dieser Leistung entfällt, wird sich im Zuge dieser Entwicklung halbieren.
Im Rahmen der Studie wurde außerdem erstmals der konkrete Flexibilitätsbedarf für Österreich erfasst. „Um künftig den Strombedarf in jeder Stunde exakt decken zu können, müssen die verfügbaren Flexibilitätsoptionen deutlich erweitert werden“, so Strugl: „Unser saisonaler und unser wöchentlicher Flexibilitätsbedarf werden sich gegenüber heute etwa verdoppeln. Der Bedarf an täglicher Flexibilität wird sich mehr als vervierfachen. Daher müssen wir auch massiv in den Ausbau von Technologien investieren, die diese künftigen Flexibilitätsbedarfe decken können.“
Herausforderungen auf Landesebene
Die ambitionierten Zielvorgaben stellen auch Stadtwerke und Energieunternehmen auf Landesebene vor enorme Herausforderungen. „Um die gemeinsam angepeilten Ziele zu erreichen, werden wir alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen. Insbesondere im städtischen Bereich stellt der Ausbau der unter der Erde liegenden Infrastruktur in Form von Kabeln und Rohren eine zusätzliche Herausforderung dar, der wir uns engagiert und mit innovativen Lösungen stellen werden", sagt Erwin Smole, Vorstand der Stadtwerke Klagenfurt.
„Die Sicherstellung der Versorgungssicherheit bei gleichzeitig leistbarem Energiemix ist ein entscheidender Faktor für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Kärnten. Die Integration von Photovoltaik und Windkraft erfordert einen intelligenten und optimierten Ausbau der Infrastruktur, der auch eine effiziente Auslastung gewährleistet. Es gilt im Sinne der Energiezukunft, erneuerbare Energien so zu koordinieren, dass sie zuverlässig und kosteneffizient zur Stabilität des Netzes beitragen. Langfristig ist eine gut durchdachte Energiewende nur möglich, wenn der Ausbau mit Weitblick geplant wird“, sagt Kelag-Vorstand Danny Güthlein.
Branche fordert Schulterschluss
Eine sichere und leistbare Energieversorgung ist keine Selbstverständlichkeit – das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Die E-Wirtschaft, arbeitet bereits mit Hochdruck am Umbau des Stromsystems. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen und der Netzinfrastruktur errichtet sie Speicher und treibt die Digitalisierung voran. „Für eine zuverlässige, erneuerbare und wettbewerbsfähige Energiezukunft in Österreich brauchen wir klare Rahmenbedingungen und ein gemeinschaftliches Vorgehen von Politik, Energiewirtschaft und Bevölkerung“, so Strugl. „Unser Appell: Ziehen wir beim Thema Energie an einem Strang. Wir errichten das Energiesystem der Zukunft – wenn jetzt die notwendigen Voraussetzungen dafür geschaffen werden.“
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Studie: Modellierung der Stromstrategie 2040 | 4 MB |
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