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Ybbs-Persenbeug: ein Donaukraftwerk in neuem Glanz

Die Revitalisierung des ältesten Donaukraftwerks Österreichs zeigt die erheblichen Potenziale der bewährten Laufwasserkraft für die Energieversorgung der Zukunft.

Ybbs-Persenbeug: Die Revitalisierung des ältesten Donaukraftwerks Österreichs
© Johannes Wiedl

Um etwa 27 Terawattstunden (TWh) oder 50 Prozent muss die jährliche Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 erhöht werden, um die Ziele des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) zu erreichen. Fünf bis sechs TWh oder rund 20 Prozent dieser Menge sollen den Bestimmungen des Gesetzes zufolge auf die Wasserkraft entfallen, das traditionelle „Rückgrat“ der Stromproduktion in Österreich. Das Problem: Für die Realisierung weiterer Neubauten insbesondere im Bereich der Laufwasserkraft bestehen nur mehr vergleichsweise begrenzte Potenziale. Aus diesem Grund gewinnt die Revitalisierung bestehender Anlagen zunehmend an Bedeutung. Eines der ambitioniertesten diesbezüglichen Vorhaben konnte der Verbund vor kurzem abschließen: die Modernisierung des ältesten Donaukraftwerks Österreichs, Ybbs-Persenbeug, um rund 100 Millionen Euro.

Das Projekt in Zahlen
Projektbeginn: 2014
Projektabschluss: Oktober 2022
Investitionskosten: 100 Millionen Euro
Effekt: Effizienzsteigerung um rund sechs Prozent, jährliche Mehrerzeugung an Ökostrom für rund 22.000 Haushalte

Errichtet wurde die Anlage mit 236,5 Megawatt (MW) Leistung, das viertstärkste Kraftwerk an der Donau, Ende der 1950er-Jahre. Sie liegt im Gebiet der niederösterreichischen Gemeinden Ybbs, Persenbeug-Gottsdorf und Hofamt Priel etwa 40 Kilometer westlich von St. Pölten und galt als eines der bedeutendsten Vorhaben der Elektrizitätswirtschaft im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Ausgerüstet ist sie mit sechs Hauptturbinen, von denen sich je drei im Kraftwerksteil am Nordufer und im Kraftwerksteil am Südufer der Donau befinden. Anlässlich einer bevorstehenden umfassenden Revision des Kraftwerks erkannte der Verbund die Möglichkeit, die Effizienz der Erzeugungsanlagen erheblich zu steigern ohne baulich in die Umgebung einzugreifen. Nach detaillierten Planungen begann vor mittlerweile acht Jahren die Umsetzung des Vorhabens, berichtet der Leiter des Projekts, Richard Kellner. Erfolgen konnten die Arbeiten stets nur im Winterhalbjahr, da dort die Stromerzeugung von Wasserkraftwerken aufgrund der saisonal bedingt geringeren Wasserführung entsprechend gering ist. Wegen der zeitweilig sehr niedrigen Preise im Stromgroßhandel wurde die Erneuerung der mächtigen Maschinensätze zwei Jahre lang unterbrochen. In dieser Zeit modernisierte der Verbund die elektrotechnische Ausrüstung des Kraftwerks.

Eine zusätzliche Herausforderung bot laut Kellner die COVID-19-Pandemie, die nicht zuletzt in der Schlussphase des Projekts noch für Verzögerungen sorgte. Der Grund: An Fertigungsstandorten für wichtige Kraftwerkskomponenten traten Covid-Erkrankungen auf. In der Folge wurden die betreffenden Gerätschaften verspätet geliefert, sodass gewisse Termine bei der Montage im Kraftwerk nicht eingehalten werden konnten. Dies musste durch zusätzliche Schichten so weit wie machbar wieder aufgeholt werden, was dank der Einsatzfreude des Teams mit einem Altersdurchschnitt von etwa 24 Jahren gelang. Insgesamt hatten Kellner und seine Mitarbeiter während der Revitalisierung von Ybbs-Persenbeug nicht weniger als vier durch COVID-19 bedingte „Lockdowns“ zu bewältigen. „Wir haben eigentlich alles erlebt, was man bei einem solchen Projekt nicht haben möchte“, schmunzelt Kellner.

„Unsere jungen Mitarbeiter haben das hervorragend bewältigt. Da kann man wirklich nur Hochachtung haben.“ Richard Kellner Projektleiter

Immerhin: Weitgehend als „Routinevorgang“ erwies sich laut Kellner das behördliche Genehmigungsverfahren, das im Wesentlichen binnen zehn Monaten durchlaufen werden konnte. Einzuholen war unter anderem die Zustimmung der Behörden zu den wasserrechtlich und schifffahrtsrechtlich relevanten Maßnahmen.
 

„Gewichtige“ MaßnahmenInsgesamt installierte der Verbund sechs neue senkrecht eingebaute Kaplanturbinen sowie Generatoren. Die Turbinen erhielten neue Laufräder, die Generatoren wurden mit modernen Statoren und Rotoren ausgestattet. Im wahrsten Sinne des Wortes handelte es sich dabei um „gewichtige“ Maßnahmen: Jedes der Laufräder wiegt 113 Tonnen und kommt auf einen Durchmesser von 7,4 Metern. Jeder der Rotoren wiederum ist 236 Tonnen schwer, sein Durchmesser beläuft sich auf nicht weniger als zehn Meter. Auch für bestens ausgebildete und eingespielte Kraftwerksmannschaften ist es alles andere als leicht, derartige „Schwergewichte“ auf den Millimeter genau am Platz ihrer Bestimmung einzupassen. „Unsere jungen Mitarbeiter haben das hervorragend bewältigt. Da kann man wirklich nur Hochachtung haben“, konstatiert Kellner.

Vollständig erneuert wurden weiters die Schaltanlagen der Generatoren. Ferner installierte der Verbund fünf neue Transformatoren für die Umspannung des erzeugten Stroms von 10 auf 220 Kilovolt (kV). Überdies waren neue Hochleistungs-Stromkabel mit einer Gesamtlänge von mehreren Kilometern zu verlegen, um die elektrische Energie in das Netz der Austrian Power Grid (APG) einzuspeisen. „Die Baustatik haben wir uns natürlich auch angesehen. Aber das war kein großes Thema“, berichtet Kellner.

Ihm zufolge gelang es dem Verbund mit der Revitalisierung, die Effizienz von Ybbs-Persenbeug um rund sechs Prozent zu erhöhen und die durchschnittliche jährliche Stromerzeugung um 77 Millionen Kilowattstunden (kWh) auf 1,4 TWh zu erhöhen. Entscheidend dafür ist laut Kellner der Wirkungsgrad der Maschinen; gegenüber den ursprünglichen Anlagen kann die Effizienz bei entsprechenden Voraussetzungen um bis zu sechs Prozent erhöht werden. Allein die damit erzielbare Mehrerzeugung entspricht dem jährlichen Strombedarf von etwa 22.000 Haushalten und einer Einsparung von jährlich 62.000 Tonnen CO2-Emissionen. Insgesamt kann Ybbs-Persenbeug rechnerisch rund 306.000 Haushalte versorgen.
 

Wertvolle ErfahrungenDer Verbund untersucht laufend seinen Kraftwerksbestand auf Effizienzpotenziale und führt Revitalisierungen durch, wo immer dies technisch möglich und ökonomisch vertretbar ist. Zurzeit im Gange befindlich ist die Modernisierung der oberösterreichischen Donaukraftwerke Ottensheim-Wilhering mit 179 MW und Wallsee-Mitterkirchen mit 210 MW. Weitere Projekte sind in der Pipeline. Im Zuge dieser Vorhaben können die Erfahrungen aus der Revitalisierung von Ybbs-Persenbeug wertvolle Dienste leisten.

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