Wasserstoff-light: Start-Up zur Dekarbonisierung der Industrie
Für diese Erfindung aus Ternitz interessiert sich die halbe Welt: Die niederösterreichische Key Energy hat ein Modell zur Dekarbonisierung der Industrie entwickelt, mit dem bis zu 25 Prozent des Erdgas-Verbrauchs substituiert werden können.
Die Interessenten, mit denen Günther Baumgarten in der letzten Zeit gesprochen hat, kommen von so ziemlich überall: aus Südkorea zum Beispiel, oder aus Indien, aus Deutschland natürlich auch. Ganz überraschend ist das nicht.


Denn das Wasserstoff-Verfahren, das Baumgartens im niederösterreichischen Ternitz ansässige Key Energy anbietet, könnte als Übergangstechnologie der Dekarbonisierung der Industrie den entscheidenden Impuls geben. Die neuartige und inzwischen auch patentierte – darauf wird Baumgarten noch einige Male zu sprechen kommen – Lösung ist ideal, um Erdgas zu strecken und so bis zu einem Viertel des fossilen Verbrauchs einzusparen.
„Wir haben ein Verfahren entwickelt, bei dem ein Wasserstoff-Sauerstoff-Mischgas produziert und am Firmengelände sofort mit Erdgas vermengt wird“, erklärt Baumgarten. Das hat gleich mehrere Vorteile: Die Verbrenntemperatur des Gemisches ist fast gleich wie die von Erdgas. Durch die sofortige Mischung mit Erdgas wird die Explosionsgefahr reduziert, es sind keine Anlagenumbauten nötig. Und schließlich: Das Verfahren ist auch deshalb nachhaltig, weil es bei der Elektrolyse mit normalem, nicht aufbereiteten Wasser auskommt.
Großes Potential
Die Industrie hat das Potential der Lösung sehr schnell erkannt. Als der CEO eines großen österreichischen Metallverarbeiters mit Baumgarten vor wenigen Jahren die Pilotanlage der Key Energy besichtigte, fragte er daher während der Rundtour nicht zufällig: „Haben S‘ Ihna des eh patentieren lassen?“. Worauf Baumgarten erkannte: „Wir sind wirklich auf dem richtigen Weg“, und begann, sich in die Patentmaterie einzuarbeiten.

Günther Baumgarten (53)
ist gelernter Elektriker, später sattelte er auf EDV-Technik um und arbeitete als IT-Administrator. 2001 gründete er elektrohaus.at, das sich heute auf Smart-Home-Anwendungen und Home-Automation spezialisiert. Zuvor vertrieb elektrohaus.at als Generalimporteur auch Produkte zweier großer italienischer Elektro- und Gebäudeautomationsmarken. 2017 patentierte Baumgarten ein System zur Verteilung elektrischer Energie. Seit 2021 ist Baumgarten Geschäftsführer von Key Energy, die ein, ebenfalls patentiertes, neuartiges Verfahren nützt, um ein Sauerstoff-Wasserstoff-Gemisch herzustellen, mit dem Erdgas gestreckt werden kann. Derzeit ist eine Beimischung von 20 Prozent erlaubt, technisch wären nach Unternehmensangaben bis zu 25 Prozent möglich. Key Energy sieht sein Verfahren als Brückentechnologie auf dem Weg zur Dekarbonisierung energieintensiver Industriebranchen.
Wobei: Ein ganz fremdes Feld ist das Patentwesen für den 53-Jährigen ohnehin nicht. Bereits seit 2017 hält er ein Patent auf ein Verfahren zur Verteilung von elektrischer Energie in einem Stromnetzwerk. „Ich hatte, als die Diskussion um die Smart Meter in Österreich an Fahrt aufnahm, geahnt: Mit 15 Minuten Verzögerung ist der Smart Meter zu langsam, um eine dynamische Laststeuerung zu erlauben. Das von mir angemeldete Patent spricht genau diese Schwäche an und kann zu deutlich mehr Effizienz und somit niedrigeren Stromkosten führen.“
Das ganz große Geld, sagt Baumgarten, hat er mit dem Patent noch nicht gemacht. Doch das Interesse steigt: Eine Energiegemeinschaft mit über 100 Ortschaften nützt eine auf der Basis des Patents aufgesetzte Lösung bereits, eine weitere will mit Baumgarten gemeinsam eine Gesellschaft gründen und laufend kommen Anfragen hinzu. Wenn das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz beschlossen wird und einen der Zeit angepassten Rechtsrahmen für Energiegemeinschaften liefert, rechnet Baumgarten mit noch mehr Interessenten.
Vom Patentgeber zum Eigentümer
Vor allem aber, und da wären wir wieder beim Thema Patent: Ohne das Patent zur Verteilung von elektrischer Energie, es trägt übrigens die europäische Patentnummer EP 3 490 094 B1, hätte es Key Energy in der aktuellen Form wahrscheinlich gar nicht gegeben. Denn als Baumgartens Vorgänger, vier passionierte Garagen-Tüftler, an der Entwicklung eines mit Erdgas vermengbaren Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisches arbeiteten, wurde ihnen irgendwann klar, dass das Verfahren nur dann marktfähig sein kann, wenn man dafür günstige, grüne Energie nützt. Baumgarten, der die vier mehr oder weniger zufällig kennenlernte, kam da mit seinem Patent gerade recht. „Sie hatten die Wasserstoff-Idee, ich das Patent, um Energie effizient zu verteilen, und so war das meine Eintrittskarte ins Unternehmen“, erinnert sich Baumgarten.
Doch dabei sollte es nicht bleiben. Denn als Baumgarten zu der Truppe stieß, zeigte das Unternehmen gerade leichte Auflösungserscheinungen. Von den ursprünglich vier Beteiligten haben sich zwei bald verabschiedet, weil es für sie nichts mehr zum Erfinden gab und sie an der Entwicklung eines kommerziellen Modells kein wirkliches Vergnügen fanden. Die anderen zwei blieben an Bord, aber mit überschaubarem Interesse: Einen der beiden hat Baumgarten in der Folge aus dem Unternehmen rausgekauft und war ab da mit 66,6 Prozent Mehrheitseigentümer.
Investorensuche
In der Folge ging er daran, die Firma radikal umzukrempeln. Denn außer Ingenieurs-Know-how, einer guten Idee und spontanem Tüftlergeist war nicht viel vorhanden: „Es gab keine Datenblätter, keinen Businessplan, keine Website und überhaupt kaum einen Außenauftritt. Schritt für Schritt habe ich das aufgebaut.“
So weit so gut. Doch – und hier taucht das Thema Patent wieder auf – inzwischen stand die Aufgabe an, das Verfahren rechtlich zu schützen. „Da ging mir ein wenig die Luft aus“, bekennt Baumgarten. Was angesichts der Kosten, die mit einer weltumspannenden Patentierung verbunden sind, nicht verwundert. Denn während innerhalb von Europa ein Antrag genügt, um eine Erfindung in allen EU-Ländern schützen zu lassen, muss außerhalb von Europa für jedes Land extra ein Schutz erworben werden. „Grob gerechnet“, sagt Baumgarten, „sind das zwischen 8.000 und 10.000 Euro pro Land. Wir haben unsere Technologie vorläufig in 142 Ländern auf 18 Monate schützen lassen, das war dann schon richtig teuer.“
Ohne einen Investor, sagt Baumgarten, hätte er das nicht geschafft. Einen solchen zu finden, das gibt er zu, hat er sich allerdings leichter vorgestellt: „Ich dachte, mit einem Wasserstoff-Start-up bin ich der King, da kann ich es mir aussuchen, welcher Investor bei mir einsteigt. Ganz so war es nicht. Aber nach neun Monaten habe ich mit der CONTO-Beteiligungsgesellschaft endlich einen Partner gefunden, mit dem es nicht nur geschäftlich, sondern auch menschlich perfekt passt.“
Absolut praxistauglich
Den Beweis für die Praxistauglichkeit der Technologie ist inzwischen längst geliefert. Auf dem Gelände der Andritz AG in Gloggnitz, wo Maschinen für die Papierindustrie produziert werden, betreibt Key Energy eine Pilotanlage. „Das dort mit unserer Technologie erzeugte Gas wird von der Andritz vor Ort für ihre Prozesse verwendet. Da fließen zu Spitzenzeiten bis zu 400 Kubikmeter Gas pro Stunde durch“, sagt Baumgarten.
Dass es bislang trotz 150 Interessenten noch keine fixen Abschlüsse gibt, führt Baumgarten auf ein, wie er sagt, Henne-Ei-Problem zurück: „Viele Interessenten wünschen sich Referenzen, die über den Pilotbetrieb bei der Andritz AG hinausgehen. Zugleich will aber niemand der Erste sein, weil die Technologie neu ist.“
Baumgarten ist allerdings überzeugt, dass diese Hürde nicht von langer Dauer sein wird. Vor Kurzem erst hat er mit der TU Wien, mit der es schon seit etlichen Jahren eine Kooperation gibt, den Aufbau eines Wasserstofflabors begonnen, und er ist auch für die geschäftliche Zukunft überaus optimistisch: „Die ersten Abschlüsse mit zwei sehr namhaften Kunden stehen unmittelbar bevor. Drei bis vier, darunter aus der Baubranche, wollen im Herbst loslegen.“
Dass Geduld gerade im Umgang mit Großkonzernen eine gefragte Tugend ist, hat er allerdings auch gelernt: „Es sind sehr lange Prozesse, oft heißt es dann am Ende, dass es für dieses Jahr kein Budget mehr gibt, man unsere Technologie aber unbedingt im nächsten Jahr haben möchte. Das Thema Dekarbonisierung der Industrie ist allerdings unumkehrbar da und wird in den nächsten Jahren massiv an Fahrt aufnehmen, da bin ich mir sicher.“
Das Unternehmen
Key Energy
Sitz: Ternitz, Gründung: 2016
Anvisierte Märkte: Österreich, Deutschland, Asien, USA
Geschäftsmodell: Wasserstofflösungen für die Industrie

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