Trockenrasen stoppt Leitungsbau: Klimaprojekt auf der Kippe
Zwei Tage, nachdem die voestalpine in Linz den Spatenstich für ihren ersten Elektrohochofen gefeiert hatte, wurde das dafür notwendige Netzausbau-Projekt per Gericht gestoppt. Damit ist Österreichs größtes singuläres CO2-Einsparprojekt in Gefahr. Wie konnte das passieren?
Es ist ein Vorhaben von gigantischer Tragweite: Wenn die beiden von der voestalpine in Linz und Donawitz geplanten Elektrolichtbogenöfen in Betrieb gehen, wird Österreich seine CO2-Emissionen auf einen Schlag um fünf Prozent reduzieren. Und das ist nur der Beginn eines Transformationsplans, mit dessen Hilfe die voestalpine ihre gesamte Produktion dekarbonisieren will. Auf die Elektrolichtbogenöfen soll auch die Umstellung klassischer Hochöfen folgen, die man mit vor Ort produziertem grünen Wasserstoff betreiben will.
Um all das zu schaffen, braucht die voest freilich Strom, sehr viel Strom. In ihrem aktuellen Corporate Responsibility Report beziffert das Unternehmen den Bedarf für einen völligen Ausstieg aus fossilen Energieträgern auf rund 33 TWh pro Jahr – das ist ungefähr die Hälfte des aktuellen gesamtösterreichischen Stromverbrauchs.
Um die dafür nötige Netzinfrastruktur rechtzeitig zu schaffen, wurde daher das Projekt „Stromversorgung Zentralraum Oberösterreich“ gestartet, in dessen Rahmen das Netz im Großraum Linz modernisiert werden soll. Im Wesentlichen geht es bei dem Projekt darum, bestehende 110 kV-Leitungen durch 220 kV-Leitungen zu ersetzen und fünf Umspannwerke neu zu errichten bzw. zu ertüchtigen. Zwei davon sollen direkt auf dem Gelände der voest stehen.
Projektstopp wegen Trockenrasen
Der geplante Standort eines einzigen Mastes führte allerdings am 11. Oktober zu einem Stopp des Projekts. Trotz positiver strategischer Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung beeinspruchte eine kleine Bürgerinitiative die Trassenführung, mit dem Hinweis, dass ein Mast auf einem schützenswerten Trockenrasengebiet zu stehen kommen würde.
Obwohl Einsprüche aufschiebende Wirkung haben, hob das Land Oberösterreich die aufschiebende Wirkung in diesem Fall wegen der Dringlichkeit des Projekts für die Klimawende auf. Das daraufhin mit der Angelegenheit befasste Bundesverwaltungsgericht setzte den aufschiebenden Effekt allerdings wieder in Kraft: „Wollte der Gesetzgeber derartige Effekte für Vorhaben wie das gegenständliche ausschließen, hätte er bei Projekten der Energiewende einen generellen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vorgesehen, was er jedoch bisher nicht getan hat“, heißt es in der Begründung.
Für Gerhard Christiner, den technischen Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers APG, ist das Urteil symptomatisch für ein grundsätzliches Problem, mit dem die Klima- und Energiewende in Österreich zu kämpfen hat: „Ich verstehe Richter, denen es schwerfällt, Entscheidungen treffen zu müssen, für die die Politik noch keine eindeutigen Rahmenbedingungen vorgegeben hat. Doch mit der aktuellen Gesetzeslage, die Einsprüchen in aller Regel, auch nach abgeschlossenen Genehmigungsverfahren, aufschiebende Wirkung zuspricht, werden wir die Energiewende nicht schaffen.“
Für das Projekt „Stromversorgung Zentralraum Oberösterreich“ sagt Christiner, gehe man derzeit trotzdem in Vorleistung und bestelle die für den Bau nötigen Komponenten, auch wenn der Ausgang des Verfahrens offen sei. „Sonst ist ein Baubeginn im ersten Quartal 2024 nicht mehr möglich. Den brauchen wir aber, wenn der Elektrolichtbogenofen bei der voest in Linz wie geplant 2027 in Betrieb gehen soll.“
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