Transitvertrag: Lieferung von russischem Erdgas
Mit 31. Dezember dieses Jahres läuft der Transitvertrag aus, der die Lieferung von russischem Erdgas durch die Ukraine sicherstellt. Was bedeutet das für Österreichs Stromversorgung?
Die Ausgangslage ist schnell geschildert: In Zeiten der sogenannten Dunkelflaute, wenn weder Wind noch Sonne ausreichend Energie liefern, braucht Österreich neben Wasserkraft auch kalorische Kraftwerke. Solange keine funktionierende Infrastruktur für grünen Wasserstoff existiert, ist Erdgas die beste und auch, verglichen etwa mit Kohle, umweltfreundlichste Möglichkeit, solche Kraftwerke zu betreiben.
Derzeit gehen rund zwanzig Prozent des in Österreich verbrauchten Erdgases in die Stromerzeugung. Was passiert aber, wenn die Ukraine ihre Ankündigung wahrmacht und mit Jahresende den Transitvertrag mit der russischen Gazprom aufkündigt? Immerhin werden derzeit über die ukrainischen Leitungen 13 Milliarden Kubikmeter russisches Gas pro Jahr geliefert.
Keine unmittelbare Gefahr?
Alfons Haber, technischer Vorstand der E-Control und somit von Amts wegen für die Kontrolle der Versorgungssicherheit im Land zuständig, sieht keine unmittelbare Gefahr. „Europa hat das erklärte Ziel, bis 2027 vollständig aus der Gasversorgung durch Russland auszusteigen. Dementsprechend werden schon seit Beginn des Überfalls auf die Ukraine Maßnahmen ergriffen, um russisches Gas zu substituieren und entsprechende Reserven anzulegen“, sagt er. Das Auslaufen des Vertrags werde daher aus heutiger Sicht zu keinen Versorgungsengpässen oder zu einer Mangellage im kommenden Winter führen. Eine moderate Preissteigerung wäre aber zu erwarten.
Walter Boltz, früher selbst E-Control-Chef, heute als Energieberater, unter anderem für Klimaschutzministerin Eleonore Gewessler, tätig, schränkt den möglichen Preisanstieg sogar recht eng ein: „Im Moment ist sehr viel Gas am Markt. Es ist nicht anzunehmen, dass beim Auslaufen des Transitvertrags die Preise so hoch steigen werden wie 2022. Sie werden vielleicht um 20 bis 25 Prozent in die Höhe gehen, aber niemals um das Dreifache wie 2022.“ Es werde sich auch um einen kurzfristigen Effekt von drei bis sechs Monaten handeln.
Endgültig entschieden ist es ohnehin nicht, dass mit Ende des Jahres kein russisches Gas im niederösterreichischen Baumgarten mehr ankommt und in das heimische Netz eingespeist werden kann. So hat die Ukraine zwar einerseits bekundet, den Vertrag mit der Gazprom mit 31. Dezember 2024 zu beenden, andererseits versichert, dass die entsprechenden Mengen auch nach dem Auslaufen des Vertrags buchbar bleiben werden.
Spekulationen um Transitverlängerung
Die Lösung, die das gewährleisten könnte, wäre der Einsatz eines Vermittlers, der den Transit ermöglicht, ohne dass die beiden Kriegsgegner Russland und Ukraine direkt miteinander im Geschäft bleiben müssten. „Es ist vor allem Russland, das derzeit nach einem Shipper sucht, der einerseits einen Vertrag mit der Gazprom, andererseits mit der Ukraine ab-schließt, um so das Gas weiter nach Europa zu transportieren. Dem Vernehmen nach werden da immer wieder die ungarische MOL oder auch die Trafigura ins Spiel gebracht“, sagt Boltz.
Dass Russland einen Transitstopp verhindern will, ist nachvollziehbar. Während die Ukraine laut Boltz nach Abzug der Kosten rund 200 bis 300 Millionen Dollar jährlich an dem Transitgeschäft verdient, geht es für die Russische Föderation um Einkünfte in der Größenordnung von rund sechs Milliarden: „Für Russland ist es auch deshalb so wichtig, Lieferungen nach Europa so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, weil alternative Absatzmärkte nicht so einfach zu erschließen sind. Um im großen Stil nach China liefern zu können, fehlt Russland die Infrastruktur. Und eine solche Infrastruktur aufzubauen, ist sehr teuer, dauert lange und ist ohne westliches Know-how nur schwer und langsam möglich.“
Während der kommende Winter auch ohne russisches Gas energietechnisch gut zu managen sein dürfte, sind die Meinungen darüber, was im nächstfolgenden Winter passieren könnte, nicht mehr so eindeutig. „Für den Winter 2024/25 werden wir gerüstet sein. Wenn dieser Winter aber kälter wird, dann könnte als Folge davon eine Knappheit entstehen, die den Preis noch stärker in die Höhe treibt oder sogar Energielenkungsmaßnahmen notwendig macht“, urteilt etwa Bernhard Painz, Vorstand der Austrian Gas Grid Management AGGM, die das überregionale Gasverteilnetz in Österreich betreibt.
Verzicht auf russisches Gas
Den Verzicht auf die Lieferungen aus Russland sieht er daher als nicht ganz unproblematisch. Die Zielsetzung, vom russischen Gas wegzukommen sei grundsätzlich zu unterstützen, sagt er, ergänzt dann aber: „Man sollte allerdings nur auf etwas verzichten, wofür man einen adäquaten Ersatz hat. So sehr man sich eine Abkehr von russischem Gas mit sehr guten Gründen auch wünschen mag – jede Verknappung des Angebots führt unweigerlich zu steigenden Preisen, die in höheren Kosten der Gaskunden und höheren Margen der Produzenten münden.“
Der Ausweg aus dieser Situation kann nur darin bestehen, die bestehenden alternativen Beschaffungsmöglichkeiten weiter zu optimieren, zugleich aber schon jetzt den Ausbau einer leistungsfähigen Infrastruktur für grünen Wasserstoff und biogenes Gas zu forcieren.
Hochlauf der Wasserstoffinfrastruktur
Ein entsprechendes Projekt, das politisch inzwischen klar unterstützt wird, ist die Realisierung des WAG-Loop I, eines vierzig Kilometer langen Lückenschlusses auf der West-Austria-Gasleitung. Der WAG-Loop I kann die Importkapazität aus Deutschland um rund ein Drittel erhöhen und später auch für Wasserstofftransport verwendet werden.
Allerdings erschwert Deutschland derzeit mit einer Gasspeicherumlage in der Höhe von 1,86 Euro pro Megawattstunde den Gasimport nach Österreich. „Dass diese Umlage wie ein Exportzoll auch auf Transporte über Grenzübergabepunkte angewendet wird, ist nicht nachvollziehbar und verstößt meiner Meinung nach klar gegen die EU-Binnenmarktregeln“, urteilt Painz.
Was nichts daran ändert, dass der Ausbau des Gasnetzes und in der Folge auch ein zügiger Hochlauf der Wasserstoffinfrastruktur für ein Gelingen der österreichischen Energiewende unumgänglich sind. Dazu wäre auf der Basis des Nationalen Infrastrukturplans die Umwidmung von rund 1.400 Kilometern des bestehenden Gasnetzes notwendig und der Bau von rund 300 Kilometern an neuen Wasserstoffleitungen. Das Vorhaben kommt derzeit allerdings unter anderem deshalb nicht voran, weil ungeklärt ist, wer für den Betrieb dieser Infrastruktur zuständig sein soll und auch wie sie finanziert werden soll.
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