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Start-Up: Wie Warmwasser die Stromnetze entlastet

Der Photovoltaik-Pionier Gerhard Rimpler hat seit den neunziger Jahren alle Entwicklungen in der Branche aus nächster Nähe miterlebt. Heute erleichtern die Produkte seines Unternehmens my-PV, Photovoltaikstrom lokal zu nutzen, und entlasten so Netze und Haushaltsbudgets. 
 

Oberösterreich und Photovoltaik – diese zwei Konstanten ziehen sich durch das Leben von Gerhard Rimpler. Der Unternehmenssitz von my-PV, seinem jüngsten, 2011 gegründeten Unternehmen, liegt gerade einmal fünf Kilometer Luftlinie von Steyr entfernt. 

Nach Wels, zum Headquarter des Photovoltaik- und Batteriespezialisten Fronius, sind es wiederum knappe dreißig Kilometer Luftlinie. Dort begann vor fast dreißig Jahren Rimplers bis heute andauernde Liebe zu PV. 1995 hatte er dort die Aufgabe übertragen bekommen, die Photovoltaik-Sparte des Unternehmens aufzubauen.

Photovoltaik war damals ein absolutes Minderheitenprogramm. Diejenigen, die damit überhaupt etwas anfangen konnten, assoziierten es am ehesten noch mit der Energieversorgung von Satelliten, aber sicher nicht mit einer grünen Revolution. „Als ich von der Uni Linz in die Branche wechselte, haben mich manche Freunde tatsächlich gefragt: ‚Gerhard, gehst du jetzt in die Raumfahrt?‘“, erinnert sich Rimpler.
 

Hotspot Oberösterreich

Ungeachtet aller Missverständnisse ist Oberösterreich Mitte der neunziger Jahre ein wichtiger Hotspot der jungen PV-Szene. Zur gleichen Zeit wird in Wien auch der Bundesverband Photovoltaik Österreich gegründet, aus dem später die Branchenvertretung Photovoltaic Austria hervorgehen wird. Rimpler ist eines der sechs Gründungsmitglieder.

„Dass mein Berufsleben so tief mit Photovoltaik verbunden sein wird, war nicht von Anfang an vorgezeichnet. Ich habe nach der HTL zwar Elektrotechnik studiert, bin dann aber auf Betriebswirtschaft umgestiegen und habe zunächst einmal in diesem Fach eine wissenschaftliche Karriere verfolgt“, erzählt Rimpler. Dann sei er aber, wie er formuliert, vom PV-Virus infiziert worden. „Als ich in den neunziger Jahren begonnen habe, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist mir sehr schnell klar geworden, was für ein Potenzial diese Technologie hat – ökonomisch und ökologisch.“

Gerhard Rimpler, my-PV
© my-PV

Gerhard Rimpler (59) 

besuchte als Sohn eines Bauunternehmers zunächst eine Hochbau-HTL, studierte dann Elektrotechnik, wechselte zur Betriebswirtschaft und schlug dann eine Wissenschaftskarriere als Assistent an der Universität Linz ein, wo er auch promovierte. Nach einer Zwischenstation bei Fronius machte sich Rimpler im PV-Bereich selbstständig und war als Unternehmer in der netzfernen Stromversorgungstechnik tätig. Wieder zurück in Österreich gründete er 2011 mit Partnern my-PV, einen Gerätehersteller, dessen Lösungen die Aufbereitung von Warmwasser und das Heizen mithilfe von PV-Strom ermöglichen. Rimpler hat zwei Söhne, einer davon ist wie seine Ehefrau auch Teil des stetig wachsenden Teams von my-PV.

Um die Jahrtausendwende nimmt Photovoltaiknutzung dann allmählich an Fahrt auf, der Fokus liegt aber zunächst auf netzfernen Inselsystemen: Stromversorgung von Berghütten und Elektrifizierung in Schwellenländern sind das häufigste Einsatzgebiet der Technologie. 
 

Erfahrung mit Inselsystemen

Auch Rimpler setzt zu dieser Zeit auf Inselsysteme. 2001 geht er nach Ulm, um dort sein erstes eigenes Unternehmen aufzuziehen. Das Geschäftsmodell: PV-Strom für Gebiete, in denen es sonst gar keinen Strom geben würde. Neben abgelegenen alpinen Regionen Europas nimmt das Unternehmen vor allem Schwellenländer ins Visier. Von Solar-Home-Systemen bis zu großen industriellen Anlagen führt man in Afrika und Asien eine ganze Reihe von Projekten durch. „Für die Menschen dort waren das regelrechte Game-Changer. Wenn ein Mini-Shop irgendwo in Somalia auf einmal Lebensmittel kühlen kann, weil er die dafür nötige Energie hat, dann bedeutet das natürlich einen immensen Wandel“, erklärt Rimpler.

Ökonomisch ist das Geschäft mit den Ländern des globalen Südens allerdings nicht immer einfach. Der sehr preissensitive Markt erfordert es, dass ein Großteil der Produktion vor Ort stattfindet. Das wiederum bringt eine ganze Reihe an logistischen Herausforderungen und Unwägbarkeiten mit sich. 2006 steigt Rimpler daher aus, verkauft seine Anteile und kehrt nach Österreich zurück. „Das war, glaub ich, der einzige Moment in meinem Leben, in dem ich darüber nachgedacht habe, vielleicht doch noch etwas anderes als PV zu machen.“
 

Gründung mit Weitblick

Am Ende lässt ihn die Sonnenenergie aber doch nicht los. Rimpler entscheidet sich dafür, einen Freund zu unterstützen, der solarthermische Kollektoren zu seinem Geschäftsmodell gemacht hat und dabei große Visionen entwickelt. Der Haken dabei: Die sehr ambitionierten Pläne scheitern unter anderem daran, dass die Nachfrage bei Kollektoren extrem von Förderungen abhängig ist. Als sich das Förderregime ändert, knickt das Interesse der Kunden in einem Ausmaß ein, das die Firma letztlich in die Insolvenz treibt. „Ich habe damals zwei ganz wichtige Dinge gelernt“, sagt Rimpler. „Zum einen, dass man Geschäftsideen auch zu groß denken kann, zum anderen, dass man sich als Unternehmer niemals von Förderungen abhängig machen sollte, auch nicht indirekt.“

my-PV-Belegschaft vor dem neuen Firmengebäude in Sierning: Motiviertes Team mit grüner Agenda

Als Rimpler 2011 mit zwei Geschäftspartnern my-PV gründet, hält er sich eisern an diese beiden Erkenntnisse. Doch er macht auch noch etwas anderes richtig: Er lässt sich nicht zu dem Fehler hinreißen, in einen Markt einzusteigen, der seinen Zenit bereits überschritten hat. Stattdessen entwickelt er eine Idee, die der Zeit um ein gutes Stück voraus ist.

„Die Solarthermie“, erinnert sich Rimpler, „hat um 2008 ihren absoluten Höhepunkt erreicht, dann begannen die Neuinstallationen zurückzugehen.“ Statt auf Sonnenkollektoren zu setzen, entscheiden sich in der Folge immer mehr Menschen für Photovoltaik und dafür, den überschüssigen Strom ins Netz einzuspeisen. Das Szenario, dass es eines Tages PV-Stromüberschüsse geben wird, die nicht mehr so einfach ins Netz integriert werden können, ist damals aber noch bei kaum jemandem am Schirm.
 

Warmwasseraufbereitung mit PV-Strom

Genau da setzt aber schon 2011 die Geschäftsidee von my-PV an. Die Geräte von my-PV nützen Strom aus Photovoltaik, um Warmwasser aufzubereiten. Die Vorteile des Verfahrens gegenüber klassischer Solarthermie bestehen in einem höheren Wirkungs- und Abdeckungsgrad sowie in der Tatsache, dass PV-Module einfacher und schneller zu installieren sind als solarthermische Kollektoren. Vor allem aber: Das System ermöglicht es, den produzierten Strom im großen Stil gleich vor Ort zu nutzen.

„Im Schnitt verbraucht ein Haushalt nur dreißig Prozent des von ihm erzeugten PV-Stroms selbst, der Rest wird ins Netz gespeist. Wird der Strom aber auch zur Warmwasseraufbereitung genutzt, lassen sich siebzig Prozent oder sogar hundert Prozent lokal nutzen“, erläutert Rimpler den Pluspunkt der Lösung, der in Zeiten von überlasteten Netzen immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Als my-PV die Idee, Solarstrom für Warmwasseraufbereitung zu nutzen, vor über zehn Jahren erstmals auf der Energiesparmesse in Wels vorstellt, erntet man allerdings zunächst einmal nur verständnisloses Kopfschütteln. PV-Strom zum Wasseraufheizen zu verwenden, erscheint den meisten Messebesuchern absurd. Noch absurder findet die Fachwelt das etwas später von my-PV entwickelte System, das dazu dient, Gebäude mittels Solarstrom zu beheizen.

Dementsprechend schleppend läuft anfangs auch das Geschäft mit der ELWA, wie my-PV seine Lösung nennt: ein stufenlos geregeltes Warmwasserbereitungsgerät. In den ersten Jahren des Bestehens generiert my-PV seine Umsätze daher aus anderen Geschäftsfeldern, etwa dem Vertrieb von PV-Modulen und Wechselrichtern. An der Vision, eines Tages Warmwasser aus Solarstrom zum Hauptprodukt des Unternehmens zu machen, hält man aber fest.
 

Intelligente Lösung für die grüne Wende

„Ich war über all die Jahre ganz fest davon überzeugt, dass der Markt irgendwann für diese Idee reif sein wird. Und ich hatte recht“, blickt Rimpler heute zurück. Inzwischen reüssiert my-PV nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern ist auch in Spanien, Italien und den Benelux-Ländern vertreten. Denn je stärker die Netze an ihre Grenzen kommen, je öfter Spitzenkappung betrieben werden muss, desto mehr zahlt es sich für die Verbraucher aus, ihren selbsterzeugten Strom so weit wie möglich selbst zu verbrauchen.

Neben der Wasseraufbereitung mit PV-Strom bietet my-PV daher auch ein Heizungssystem an, das mit PV-Strom betrieben wird. Bei gut gedämmten Häusern funktioniert die Lösung, die Sonnenstrom zu Peakzeiten speichert und ihn zum Heizen nutzt, inzwischen sehr gut. 

Wie gut, das zeigt my-PV unter anderem am eigenen Firmengebäude in Sierning. Rund 65 Personen arbeiten hier auf 850 Quadratmetern sowie im Produktionsgebäude nebenan. Der PV-Strom, den man über die Dach- und Fassadenflächen erzeugt, wird zur Warmwasseraufbereitung, zum Laden von mehreren E-Autos und für Raumwärme genutzt. Die Betriebskosten betragen dabei schlanke 400 Euro – für das gesamte Jahr wohlgemerkt. Das Beispiel, sagt Rimpler, illustriere sehr gut, wie groß inzwischen das ökonomische Potenzial der von my-PV angebotenen Lösungen sei.

Dementsprechend stark befindet sich das Unternehmen derzeit auf Expansionskurs: Im Schnitt kommen pro Monat zwei neue Mitarbeiter hinzu, neben Europa nimmt my-PV nun Australien als Markt ins Visier, auch ein neues Produkt befindet sich in Entwicklung.

Dieses Wachstum gut zu managen, das sei die große Aufgabe, die er in der nächsten Zeit für sich sehe, sagt Rimpler und holt dabei ein Stück aus: „Ich bin in den siebziger und achtziger Jahren aufgewachsen. Auch damals war die Gesellschaft gespalten, wenn auch anders als heute. Damals gab es eine sehr starke Trennung zwischen Arbeitgeber einerseits und Arbeitnehmer andererseits.“ Das möchte er, betont Rimpler, in seinem Unternehmen so nicht haben. Weshalb es ihm sehr wichtig ist, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wertgeschätzt fühlen und in den Zielen und Produkten des Unternehmens wiederfinden. „Die grüne Agenda, die wir verfolgen, erleichtert das natürlich“, findet er.

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