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Spanien: Netzanschluss zuerst

Von Europa lernen. Spanien fördert den Erneuerbaren-Ausbau unter anderem über die Vergabe von Netzanschlüssen. Investoren schätzen die damit verbundene Planungssicherheit.
 

Es war eine regelrechte Goldgräberstimmung. Daran können sich noch alle, die dabei waren, erinnern. Bis 2008 zählte Spanien zu jenen Ländern Europas, die den Erneuerbaren-Ausbau mit sehr attraktiven Tarifen förderten. So sah zum Beispiel ein Dekret aus dem Jahr 2007 für PV-Anlagen mit einer Leistung bis 100 kW eine Vergütung von 44 Cent für die Kilowattstunde vor – samt einer jährlichen Anpassung an die Inflation.

Schon bald zeigte sich allerdings, dass die hohen Preise das Budget überlasteten und nicht zu halten waren. Die Regierung in Madrid entschied sich daraufhin, die Tarife bei bestehenden Verträgen drastisch zu senken. Für Anlagen, die ab 2013 errichtet wurden, gab es gar keine Einspeisevergütung mehr.

PV-Anlage in Spanien
© Ernesto Ainaud

Für Investoren war das ein sehr harter Schnitt. Der Bau von neuen Anlagen ging dementsprechend zurück“, erzählt Dietmar Reiner, Geschäftsführer bei VERBUND Green Power. Das Unternehmen ist in Spanien sowohl im PV-Ausbau als auch dem Windanlagenbau engagiert. „Die Jahre um 2013 waren in Spanien für die Energiewende tatsächlich kritisch, die Regierung war dringend gefordert, nach der Abschaffung der Einspeisetarife neue Anreize und Sicherheiten für Investoren zu schaffen.“
 

Um Anschlüsse bewerben

Die Lösung, die man dafür gefunden hat, wird heute in ganz Europa beachtet, denn sie setzte an dem für Erneuerbaren-Projekte zentralen Thema der Netzanschlüsse an. Die Netzbetreiber wurden aufgefordert, einen Plan darüber vorzulegen, wo in ihrem Versorgungsgebiet Netzanschlüsse mit welcher Leistung möglich sein würden.

Jeder Projektbetreiber muss sich nun, um ein Projekt einreichen zu können, zunächst um einen dieser Anschlüsse bewerben. Um zu verhindern, dass um Anschlüsse angesucht und dann damit spekulativer Handel betrieben wird, erhebt der Netzbetreiber für jeden reservierten Anschluss eine Kaution von 40.000 Euro pro MW. Derzeit erfolgen die Vergaben noch nach einem First-Come-First-Serve-Prinzip, sobald der Projektwerber die Vorgaben des Netzbetreibers erfüllt. In Zukunft wird bei der Bewerbung ein Konzept vorgelegt werden müssen, das den Klimanutzen des Projekts und auch seinen Nutzen für die Region darlegen soll. Gibt es für einen Anschluss mehrere Interessenten, bekommt dann das Projekt mit dem besseren Profil den Zuschlag.
 

Völlig neuer Weg

Damit geht Spanien einen völlig anderen Weg als etwa Österreich, wo Projektwerber zwar informell erfragen können, wo Netzanschlüsse geplant sind, einen konkreten Anschluss aber erst im Zuge des Genehmigungsverfahrens bekommen. „Hat ein Projektwerber Pech, bekommt er dann den Anschluss, mit dem er eigentlich gerechnet hat, doch nicht, weil ein anderes Projekt schneller bewilligt wurde und der Anschluss nun für dieses Projekt genutzt wird“, sagt Reiner. „Diese Unsicherheit haben Investoren in Spanien nicht.“

 Dietmar Reiner, Geschäftsführer Verbund Green Power
„Spanien musste nach 2013 neue Anreize und Sicherheiten für Investoren schaffen.“ Dietmar Reiner Geschäftsführer VERBUND Green Power

Um zu verhindern, dass Anschlüsse reserviert werden, dann aber doch nicht gebaut wird, hat Spanien neben dem Kautionsregime auch strenge Fristen festgesetzt: Innerhalb von zwei Jahren ab der Anschluss-Reservierung muss ein Umweltbescheid darüber, dass das geplante Projekt errichtet werden darf, vorgelegt werden. Ansonst verfällt die Kaution samt dem Nutzungsrecht am Anschluss.

„Ausnahmen von dieser Regelung sind nur dann vorgesehen, wenn der Projektwerber im Zuge des interaktiven Genehmigungsverfahrens Hinweise auf etwaige Mängel bekommt und diese in der Folge behebt“, erklärt Reiner. „Wir hatten einmal einen solchen Fall, als bei einem unserer Projekte zusätzliche Maßnahmen zum Schutz des Kaiseradlers vorgeschrieben wurden“, erzählt Reiner.
 

Druck zu raschem Handeln

Ein Druck, Projekte zügig zum Anschluss zu bringen, ergibt sich auch aus der Anforderung, dass Erneuerbaren-Anlagen innerhalb von fünf Jahren ab Anschlusszuweisung in Betrieb gehen müssen. „Bei Photovoltaik geht das gut, bei Windkraftprojekten ist eine solche Vorgabe hingegen schon recht sportlich“, sagt Reiner.

Um die Einhaltung der Fertigstellungsfristen zu ermöglichen, hat Spanien daher eine Reihe von Maßnahmen gesetzt, die die Genehmigungsverfahren beschleunigen sollen. So erfolgt die Beurteilung von Projekten dezentral, die Genehmigung bei Projekten über 50 MW aber über eine zentrale Behörde. Anders als in den meisten österreichischen Bundesländern haben die Gemeinden in Spanien auch nicht die Möglichkeit, einem Erneuerbaren-Projekt die Flächenwidmung zu versagen, wenn dafür keine gesetzliche Grundlage vorliegt. Überdies ist es im Falle eines überwiegenden öffentlichen Interesses bei Erneuerbaren-Projekten möglich, Zwangsrechte durchzusetzen. Das ist bei Erneuerbaren-Projekten insbesondere für die Netzanbindung von hoher Relevanz.

Die weitgehende Zentralisierung der Genehmigungsverfahren hat in Spanien allerdings auch zu einer Überlastung der damit befassten Stellen geführt. Vor allem im aktuellen Jahr hat das Land daher einen massiven Rückstau an nicht erledigten Fällen erlebt, der nun von den Behörden im Zuge von beschleunigten Verfahrensabläufen und mit höherem Ressourceneinsatz aufgelöst wird.

Spaniens Klimaziele bis 2023 auf einen Blick
 

32 % Ziel Senkung der Treib­hausgasemissionen im Vergleich zu 1990

48 % Mindestziel für die Senkung des Bruttoenergieverbrauchs im Vergleich zu 1990

81 % Anteil der erneuerbaren Energie an der Stromerzeugung

51 % Um diesen Anteil soll die Energieabhängigkeit vom Ausland reduziert werden.

62 GW Ausbauziel Windkraft

76,4 GW Ausbauziel Photovoltaik

4,8 GW Ausbauziel Solar­energie thermoelektrisch

5,5 Mio. Elektrofahrzeuge sollen auf Spaniens Straßen fahren. Darin sind auch Leichtfahrzeuge eingeschlossen.

11 GW Leistung an Elektro­lyseuren für die Produktion von erneuerbarem Wasserstoff soll erreicht werden. Der Einsatz von Wasserstoff ist vor allem für industrielle Prozesse vorgesehen. Im spanischen Wasserstoff-Fahrplan war der noch viel niedrigere Wert von 4 GW festgeschrieben.

20 TWh soll die Produktion von Biogas und Biomethan betragen. Das ist eine Steigerung von 100 Prozent gegenüber den bisherigen im spanischen Biogas-Fahrplan festgelegten Zielen.

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