Leuchttürme der Energiewende: „smartCOMMUNITY“
Wie Interessierte die Vorteile von Energiegemeinschaften nutzen können, ohne deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, zeigt ein innovatives Projekt der Energie Steiermark.
Nach den Vorstellungen der österreichischen Politik sollen Energiegemeinschaften in ihren unterschiedlichen Formen der Bevölkerung ermöglichen, aktiv an der Energiewende teilzunehmen und damit verbundene Vorteile zu nutzen – von einer umwelt- und klimaverträglicheren Versorgung bis zu wirtschaftlichen Gratifikationen. Und die Entwicklung verläuft durchaus dynamisch, zeigen die Zahlen der E-Control, die für das Monitoring zuständig ist: Per 30. Juni des heurigen Jahres waren österreichweit 1.650 Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) sowie 234 Bürgerenergiegemeinschaften (BEG) registriert.
Zum Vergleich: Mit 31. Dezember 2023 waren im Bundesgebiet insgesamt 1.180 Energiegemeinschaften tätig, davon 1.050 EEGs und 130 BEGs. Somit nahm die Anzahl der EEGs binnen eines halben Jahres um rund 57 Prozent zu, jene der BEGs sogar um 80 Prozent.
Nicht zu unterschätzen sind allerdings die Herausforderungen, beginnend mit der Wahl der passenden Organisationsform über das Festlegen der Methode zur Verteilung der erzeugten Energie bis zu technischen und haftungsrechtlichen Fragen. Wie sich immer wieder zeigt, ist die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft mit beträchtlichem Aufwand verbunden, bringt den Kundinnen und Kunden aber nur vergleichsweise geringe Reduktionen ihrer Energiekosten. Das gilt nicht zuletzt auch hinsichtlich der EEGs, für die je nach ihrer Art Verringerungen der Netzgebühren in unterschiedlicher Höhe in Anspruch genommen werden können. Wohl entwickelte die Energiewirtschaft eine Reihe von Hilfsmitteln, um mit dergleichen Herausforderungen zurande zu kommen. Auch bietet sie eine Reihe von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Energiegemeinschaften an. Dennoch folgt der anfänglichen Euphorie über die Teilnahme an einer Energiegemeinschaft nicht selten Enttäuschung über die vielfältigen Mühen des Alltags, mit denen sich die Mitglieder der EEGs und BEGs konfrontiert sehen.
Abhilfe bieten innovative Konzepte und Modelle, die es den Bürgerinnen und Bürgern möglich machen, die Vorteile von Energiegemeinschaften zu nutzen, ohne im Gegenzug deren Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Als besonders gelungenes Beispiel gilt die „smartCOMMUNITY“ der Energie Steiermark, eine Handelsplattform, über die private Energieerzeuger, -konsumentinnen und -konsumenten österreichweit Strom aus erneuerbaren Quellen zu individuellen Konditionen anbieten und beziehen können. Wer an der Community teilnehmen will, muss über einen funktionierenden digitalen Stromzähler (Smart Meter) verfügen und mit der smartENERGY, einer Tochter der Energie Steiermark, einen Strombezugsvertrag abschließen. Für die Teilnahme an der „smartCOMMUNITY“ ist eine eigene Stromerzeugungsanlage nicht zwingend nötig. Prosumer, die sich an der Community dank eigener Stromerzeugungsanlage (z. B. einer Photovoltaikanlage) beteiligen, können den übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für jedes 15-Minuten-Intervall selbst erzeugten Strom anbieten, den sie zum jeweiligen Zeitpunkt nicht benötigen. Der Handel erfolgt über ein leistungsstarkes Programm, das in der Lage ist, von den Nutzerinnen und Nutzern festgelegte Bedingungen für die Abwicklung ihrer Transaktionen zu berücksichtigen.
Laut Urs Harnik-Lauris, dem Kommunkationschef der Energie Steiermark, besteht das ihm zufolge Einzigartige der „smartCOMMUNITY“ darin, „dass die Teilnehmer individuell an andere Mitglieder Energie verkaufen oder verschenken können. Und das nur mit wenigen Klicks. So kann man zum Beispiel Energiefreunde auswählen - wie seine Tochter, die in einem anderen Bundesland wohnt - und ihr den eigenen Überschuss um null Cent pro Kilowattstunde schenken. Alles, was sie nicht braucht, kann man anderen Energiefreunden zu einem selbst gewählten Preis weiterverkaufen, zum Beispiel um fünf Cent pro Kilowattstunde“.
Das Projekt in Zahlen
Projektbeginn: kommerzieller Start Anfang 2024
Projektabschluss: laufendes, kontinuierlich in Weiterentwicklung befindliches Vorhaben
Investitionen: keine Angaben
Effekt: Etablierung einer Plattform zum Stromhandel zwischen privaten Erzeugern und Nutzer:innen als partizipatives Modell der Stromversorgung
Haben die individuell ausgewählten „Energiefreunde“ zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen Bedarf an dem angebotenen Strom, ist das in der „smartCOMMUNITY“ indessen auch kein Problem. In Fällen wie diesem ist es möglich, die elektrische Energie über das sogenannte Energiedepot zu verkaufen. Der Anbieter gibt dafür den von ihm gewünschten Mindestpreis ein. Wer aus dem Depot Strom beziehen möchte, legt dafür im Gegenzug seinerseits einen Höchstpreis fest. „Die Plattform sorgt dann im Hintergrund für die optimale Verteilung der Energie auf die Teilnehmer, sodass die Produzenten den für sie höchsten und die Konsumenten den für sie niedrigsten Preis bekommen“, konstatiert Harnik-Lauris. Überschüsse, für die gerade niemand in der Community Verwendung hat, übernimmt die smartENERGY respektive die Energie Steiermark „zu einem herkömmlichen Einspeisetarif“.
Im Prinzip bieten „smartCOMMUNITY“ und „smartCOMMUNITY Plus“ den Beteiligten somit sämtliche Möglichkeiten einer Bürgerenergiegemeinschaft, allerdings ohne den keineswegs zu unterschätzenden organisatorischen Aufwand einer solchen. Im Gegenzug für den Abschluss des Bezugsvertrags mit der smartENERGY „wickeln wir alles ab – von der Anmeldung bis zur Abrechnung, die direkt auf der Stromrechnung ersichtlich ist. Das alles passiert direkt beim Bestellabschluss von ‚smartCOMMUNITY‘. Man profitiert zwar nicht von einer Ersparnis bei den Netzgebühren, aber die hätte man bei einer normalen Bürgerenergiegemeinschaft auch nicht“, erläutert Harnik-Lauris. Für die Teilnahme verrechnet die smartENERGY eine monatliche Gebühr von 4,99 Euro. Versteckte Kosten fallen nicht an, ebensowenig wie Aufwendungen pro gehandelter Kilowattstunde. Mittels der smartENERGY-App haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stets vollen Überblick über ihre Handelsaktivitäten und können die Konditionen für den Abschluss der Transaktionen jederzeit ändern. Kündbar ist die Beteiligung an der „smartCOMMUNITY“ monatlich.
Vor der kommerziellen Einführung der „smartCOMMUNITY“ vor etwa einem Jahr führte die smartENERGY gründliche Erprobungen durch, um deren reibungsloses Funktionieren sicherzustellen. Dazu gehörten ein Test mit 50 Kundinnen und Kunden sowie ein nachfolgendes Pilotprojekt in Kumberg, etwa zwölf Kilometer nordöstlich von Graz. Als partizipatives Modell der Stromversorgung stellt die „smartCOMMUNITY“ einen weiteren „Leuchtturm der Energiewende“ dar.
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