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Optimierung für Batteriespeicher

Die Bilanz fünf Jahre nach der Gründung: enspired managt 800 MW Großbatteriespeicher und 5 GW Netzleistung. Das von Jürgen Mayerhofer  und Wolfgang Eichberger gegründete Wiener Startup hat sich mittlerweile  auf die kommerzielle Optimierung von Batteriespeichern spezialisiert –  KI-gestützt, vollautomatisch und europaweit.
 

Hätte es das Wort schon damals im deutschen Sprachgebrauch gegeben, wäre Jürgen Mayerhofer von seinen Mitschülerinnen und Mitschülern wohl als Nerd bezeichnet worden. „Damals“, erinnert er sich, „sagte man aber: computerbegeistert.“ Und das war Mayerhofer in der Tat von zarten Teenagerjahren an, weshalb er sich mit 14, ohne lang zu überlegen, für eine HTL mit der etwas skurrilen Schwerpunktkombination EDV und Organisation entschied: „Wir lernten da eine Mischung aus Software, Hardware und Netzwerk. Und dazu Buchhaltung. Mich hat, wie eh die meisten anderen auch, vor allem das Programmieren von Computerspielen interessiert. Die Buchhaltung habe ich irgendwann einmal auch kapiert.“

„Das war ein ganz eigenartiger Moment, auf einmal hat es Klick gemacht und ich habe plötzlich das große Ganze, das hinter meiner Arbeit steckt, gesehen.“

Jürgen Mayerhofer enspired

Der entscheidende Punkt, von dem aus sich eine, wenn auch nicht ganz direkte, Linie zu enspired ziehen lässt, war aber, wie Mayerhofer erzählt, sein Wehrdienst bzw. die Zeit danach: „Ich habe im Mai abgerüstet und freute mich auf einen langen Ferien-Sommer, bevor ich mir eine Arbeit suchen wollte. Meine Eltern sahen das allerdings anders und bestanden darauf, dass ich gleich mit dem Schreiben von Bewerbungen beginne.“
 

Was optimiere ich eigentlich?

Um weder den Familienfrieden noch seinen geruhsamen Sommer zu gefährden, hat sich Mayerhofer daher nur bei Unternehmen beworben, bei denen er nicht arbeiten wollte und strahlte bei Bewerbungsgesprächen dementsprechend wenig Begeisterung aus. Dann passierte allerdings eine folgenschwere Panne: Er schrieb OnTec an, ein damals neues IT-Unternehmen, das unter anderem die ÖBB und OMV als Kundinnen hatte. „Ganz gegen meine Erwartung war die Aufgabe, die ich dort übertragen bekommen sollte, so spannend, dass ich mich trotz meiner Ferienpläne voller Begeisterung hineinstürzte.“

Eineinhalb Jahre lang optimierte Mayerhofer im Zuge der Gasmarktliberalisierung das österreichische Gasfernnetz mit Hilfe von algorithmischer Mathematik und wusste zugleich gar nicht, was er da genau optimiert. „Es war für mich total interessant, zugleich aber völlig abstrakt. Wenn ich erfahren hätte, dass ich in Wirklichkeit gar nicht das Gasnetz, sondern etwas ganz anderes optimiere, hätte mich das vermutlich weder gewundert noch besonders gestört.“


Der Tag, an dem es Klick machte

Doch dann kommt die Wende: Auf dem Weg zu einem Kundentermin sieht Mayerhofer, wie schon oft davor, die bunten Metallhütchen, die den Verlauf einer Pipeline markieren. „Das war ein ganz eigenartiger Moment, auf einmal hat es Klick gemacht und ich habe plötzlich das große Ganze, das hinter meiner Arbeit steckt, gesehen.“

Jürgen Mayerhofer (42) 

besuchte die HTL in St. Pölten und kam dann mehr oder weniger zufällig mit der Energiebranche in Berührung, als er im Auftrag seines damaligen Arbeitgebers Algorithmen für die Optimierung des österreichischen Gasfernnetzes schrieb. Von da an blieb er der Energiewirtschaft verbunden, wenn auch in unter­schiedlichsten Rollen: als selbständiger Berater, als Geschäftsführer von VisoTech, einem Pionier im vollauto­matisierten Intraday-Stromhandel, und schließlich als Gründer von enspired. Im Laufe seiner Karriere verlagerte sich der Schwerpunkt von Mayerhofers Tätigkeit. 

Ab einem gewissen Moment stand für ihn nicht mehr das reine Entwickeln von Software im Mittelpunkt, sondern der Wunsch, Geschäftsmodelle zu finden, die Machine Learning und Künstliche Intelligenz nutzen, um die für die Energiewende nötigen Kapazitäten im Stromsystem bereitzustellen. Ein wesentlicher Schritt auf diesem Weg war der MBA in Energie Management, den Mayerhofer im Jahr 2016 abschloss. Mayerhofer ist verheiratet und Vater von fünf Kindern. Neben der Energiewirtschaft sind Reisen und Tauchen seine großen Leidenschaften.

Seit damals, und das ist inzwischen 22 Jahre her, ist Mayerhofer der Energiebranche treu geblieben, nach OnTec sieben Jahre als selbständiger Berater, dann bei einem Beratungsunternehmen, das auf die Energiewirtschaft spezialisiert war. In dieser Zeit macht er nebenbei auch einen MBA für Energy Management. Kurz darauf wird er Geschäftsführer von VisoTech, einem Pionier für kurzfristigen Stromhandel, und pusht dort das Thema Machine Learning und Künstliche Intelligenz. Mit den Lösungen von VisoTech bekommen die Kundinnen und Kunden erstmals die Möglichkeit, elektronische Gebote zu stellen.

Von seiner Zeit als VisoTech-Chef erzählt Mayerhofer gern und viel. Das hat einen Grund: Vieles, was er heute mit enspired macht, basiert auf Erfahrungen von damals. „Mich hat es immer interessiert, neue Lösungen möglichst schnell in den Markt zu bringen. Als wir VisoTech an die kanadische TMX-Group verkauften, hatte ich das Gefühl, dass ich meine Passion in Zukunft im Rahmen eines Startups besser ausleben kann.“
 

Start Up mit viel Erfahrung

Die Meinung teilten auch einige seiner engsten Mitstreiter:innen bei VisoTech, darunter der CTO und Miteigentümer Wolfgang Eichberger. „Damit hatten wir beim Start von enspired einen riesigen Vorteil gegenüber dem Mitbewerb, denn wir konnten auf fünf Jahre im Markt zurückblicken. Wir kannten den Markt sehr gut und wussten, welche Unternehmen wie bei diesem Thema aufgestellt sind.“

Das Geschäftsmodell, auf das sich die enspired-Crew bei der Gründung – wir schreiben das Jahr 2020 – geeinigt hat, setzt auf den zu erwartenden weiteren Ausbau von Erneuerbaren Energien und den damit verbundenen steigenden Bedarf an Flexibilitäten, insbesondere Intraday bis in den Millisekundenbereich. Die andere Prämisse lautete: Das System soll vollautomatisiert und KI-gestützt sein und als Trading-as-a-Service-Lösung mit Marktzugang angeboten werden.

„Mich hat es immer interessiert, neue Lösungen möglichst schnell in den Markt zu bringen.“ Jürgen Mayerhofer enspired

Von Anfang an investiert enspired in Machine Learning und in Künstliche Intelligenz. Das erste Projekt, das man angeht, ist ein Pumpspeicher in Deutschland. 2021 erreicht enspired den Break Even. Doch gerade, als sich die Dinge zum Guten zu wenden beginnen, bricht der Ukraine-Krieg aus und mit ihm die Energiekrise: „Da waren Optimierung und vollautomatisierter Erlöshandel im Sekundentakt so ziemlich das letzte Problem, das die Energiewirtschaft hatte“, erinnert sich Mayerhofer. Die Nachwirkungen der Pandemie machten das Geschäftsumfeld auch nicht besser.
 

Speicher im Fokus

Schon bald ist aber das Interesse der Fachwelt geweckt. „Bei der ersten E-World-Messe nach Corona im Jahr 2022 hatten wir innerhalb von zweieinhalb Tagen rund 140 Termine mit potenziellen Kunden“, erzählt Mayerhofer.

Bald folgen immer mehr und immer größere Aufträge. Seitdem gelingt es enspired, mit ihrer Optimierung die Erlöse um 40 bis 60 Prozent im Vergleich zu reiner Regelleistung zu übertreffen. Und – dieser Punkt ist Mayerhofer besonders wichtig – man kann das auch belegen. „Derzeit herrscht am Markt eine ziemliche Goldgräberstimmung. Die Optimierungen, die dabei versprochen werden, basieren aber oft rein auf Simulationen. Wir können hingegen unsere Performance anhand realer Daten belegen und haben sie daher Ende Jänner auch öffentlich gemacht.“

Das Unternehmen: enspired
 

Sitz: Wien

Gründung: 2020

Märkte: Österreich, Deutschland, Dänemark, Belgien, Niederlande, Griechenland, Spanien, Portugal, Polen

Geschäftsmodell: Vollautomatische kommerzielle Optimierung von Batteriespeichern mit Einsatz von KI und Machine Learning
 

Deutschland und Österreich sind aktuell die stärksten Märkte im Portfolio von enspired, doch inzwischen ist man auch in Dänemark, Belgien, den Niederlanden, Griechenland, Spanien, Portugal und Polen aktiv. Auch Japan und die USA sind im Visier. Einen besonderen Deal konnte enspired in Dänemark abschließen. Im Zuge einer EU-weiten Ausschreibung gewann das Startup den Auftrag für die Optimierung von Grenzkapazitäten an der dänisch-deutschen Grenze mit einer Gesamtleistung von bis zu 4 GW.
 

Infrastruktur-Fonds als wichtige Kunden  

Neben Energieversorgern zählen vor allem diverse Infrastruktur- bzw. Erneuerbaren-Fonds zu den Kundinnen und Kunden von enspired. „Das ergibt sich daraus“, erklärt Mayerhofer, „dass diese Fonds meist mehrere Assets des gleichen Typs besitzen und hier der Skalierungseffekt durch Optimierung besonders groß ausfällt. Dazu kommt, dass Fonds natürlich aus ihren Anlagen möglichst viel herausholen wollen und für innovative Ansätze sehr offen sind. Hier trifft sich unser Wunsch zur schnellen Weiterentwicklung unserer Lösungen mit den Erwartungen des Kunden.“ 

Um neue Wege gehen zu können, beschäftigt enspired rund 90 Personen, die sich vorwiegend der Forschung und Entwicklung widmen. Darüber hinaus wird bewusst nach Kundinnen und Kunden aus der, wie Mayerhofer es formuliert, „innovativen Ecke“ gesucht, um zum Beispiel Themen wie Smart Charging/V2G von E-Auto-Flotten voranzutreiben. Ein Patent zur Berücksichtigung von Batteriedegradation in der kommerziellen Optimierung, das neben Laden und Entladen eine Reihe weiterer Parameter berücksichtigt, hat enspired unlängst bereits angemeldet.

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