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Neuer Regulierungsrahmen bestimmt den Erfolg der Dekarbonisierung im Stromsystem

Franz Strempfl, Spartensprecher Netze, blickt in seinem Kommentar auf das Jahr 2022 zurück und beschreibt die Herausforderungen und Chancen der Branche.

Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen, insbesondere aus der Photovoltaik, nimmt deutlich an Fahrt auf. Nach Beschluss der endgültigen Version des Energieausbaugesetzes am 20.01.2022 im Nationalrat startete das BMK am 07.02.2022 den Begutachtungsprozess zum Entwurf der EAG-Investitions­zuschüsse­verordnung-Strom (EAG IZV). Die EAG-IZV-Strom wurde am 06.04.2022 veröffentlicht und wird von den Kundinnen und Kunden stark angenommen. Auch der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat auf Grund seiner Auswirkungen auf die Energiepreise die Anzahl der Anfragen zum Netzanschluss dezentraler Photovoltaikanlagen dramatisch erhöht.

Die Zahl der Anträge für den Netzanschluss hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als vervierfacht. Dieser Ansturm auf die Errichtung dezentraler Stromerzeugungs­anlagen, allen voran PV-Anlagen, ist höchst erfreulich. Das enorme Interesse bestätigt, dass die Österreicherinnen und Österreicher gewillt sind, die Energiewende aktiv mitzugestalten.

 

DI Dr. Franz Strempfl
„Wer ja sagt zu Ökostrom, muss auch ja sagen zum Netzausbau!“ Franz Strempfl Spartensprecher Netze von Oesterreichs Energie und Geschäftsführer der Energienetze Steiermark GmbH

Gleichzeitig stellt der enorme Ansturm die Netzbetreiber aber auch vor große Herausforderungen. Jede neue Einspeiseanlage ist einer Netzanschlussprüfung zu unterziehen. Diese sind notwendig, um auch weiterhin einen reibungslosen Betrieb und somit die Versorgungssicherheit des Stromnetzes sicherstellen zu können.

Die bestehende Netzinfrastruktur ist vor dem Hintergrund dieser neuen Herausforderungen beinahe aus-gereizt. Unsere Netze müssen verstärkt, modernisiert, aber vor allem auch massiv digitalisiert werden, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden. Zudem waren die Netzbetreiber im Jahr 2022 massiv mit den Lieferkettenstörungen und Preissteigerungen am Weltmarkt konfrontiert, was durch die aktuelle Ukrainekrise noch weiter verschärft wurde.

Strommast in Tirol
© AdobeStock/elfgradost

Frontier Economics und das AIT berechneten im Auftrag von Oesterreichs Energie den erforderlichen Investitionsbedarf in die Verteilernetze mit rd. 15 Mrd. Euro berechnet. Weitere 4 Mrd. müssen darüber hinaus in das Übertragungsnetz investiert werden. Dieser Bedarf resultiert aus den unumgänglichen Erneuerungsinvestitionen in bestehende Netze, den Ausbau der Netze zum Anschluss der erneuerbaren Stromerzeugung und in die zunehmende Elektrifizierung im Mobilitäts- und Wärmebereich.

Die Ertüchtigung und der Ausbau der Stromnetze bilden das Rückgrat zur kosteneffizienten Umsetzung der ambitionierten klimapolitischen Zielsetzungen. Die volkswirtschaftlichen Kosten für die Kundinnen und Kunden (Redispatch, Ersatz für nichteingespeiste erneuerbare Energie, beschränkte Ladeinfrastruktur und Wärmebereitstellung etc.) durch unterdimensionierte Stromnetze aufgrund einer zu strengen Regulierung sind erheblich und liegen deutlich über den Kosten eines allfälligen Überausbaus. Unterdimensionierte Stromnetze sind daher möglichst durch eine intelligente Regulierung zu vermeiden. Mit Beginn der fünften Regulierungsperiode ist der Übergang von einer rein effizienzorientierten und kostensenkenden Regulierung hin zu einer weiterentwickelten Systematik zu schaffen, die den Systemumbau ermöglicht und sicherstellt.

Dies umfasst u. a.

  • die Sicherstellung wirksamer Investitionsanreize,
  • die Abbildung erhöhter Betriebskosten, verursacht durch die Integration der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen oder durch massiv steigende Kosten zur Sicherstellung der Cyber-Sicherheit,
  • die Aufrollung der außergewöhnlich hohen Inflationsraten,
  • die Weiterentwicklung der Benchmarkingsystematik mit reduzierten Effizienzvorgaben sowie
  • die Förderung von Forschung und Innovation.

Oesterreichs Energie schuf mit ebUtilities.at eine Informationsplattform der österreichischen Energiewirtschaft zur Veröffentlichung branchenspezifischer Marktprozesse und Datenaustauschformate. Hier wurden im abgelaufenen Jahr u. a. die im EAG implementierten Energiegemeinschaften in das Marktdesign integriert. Österreich ist damit im europäischen Umfeld klarer Vorreiter in der Umsetzung von Energiegemeinschaften.

Die Weiterentwicklung der Netzbetriebsführung (Systemführung 2.0) verfolgt das Ziel Kundinnen und Kunden aktiv zur Bereitstellung von Flexibilität für den permanenten Ausgleich von Einspeisung und Verbrauch in das Gesamtsystem einzubinden. Dadurch erhöhen sich die Anforderungen an den zunehmend komplexer werdenden Netz- und Systembetrieb, sowohl für Übertragungs- als auch Verteilernetzbetreiber. Die enge Abstimmung ist für die  Gewährleistung der in Österreich gewohnten hohen Versorgungssicherheit unverzichtbar.

Die voranschreitende Digitalisierung in klassischen IT-Bereichen, insbesondere jedoch im Bereich der Steuerung und Überwachung von Netzen und Anlagen (OT Security), schreitet rasant voran. Sie bringt neben Effizienzmöglichkeiten leider auch eine zunehmende Exponiertheit gegenüber Cyberrisken. Das Netz- und Informations­systemsicherheits­gesetz, die NIS-Verordnung sowie die Branchenmindeststandards, die für Betreiber wesentlicher Dienste umsetzungsrelevant sind, beinhalten die Anforderungen der hierfür erforderlichen OT-Security. Für die nächsten Jahre ist keine Abschwächung der Cyberbedrohungen zu erwarten. Entsprechend sind auch in den nächsten Jahren erhöhte Aufwendungen für die Cyberresilienz zu berücksichtigen.

Netzdienliches Verhalten muss sich auszahlen. Die Anpassung der Netztarifstruktur wird seit  Jahren diskutiert und von den Netzbetreibern gefordert. Der Faktor Leistung und damit das Aus­-maß der individuellen Netzinanspruchnahme muss dabei mehr Gewicht bekommen. Sind Kundinnen und Kunden bereit, ihren Leistungsbedarf entsprechend anzupassen, muss das auch durch geringere Netz­kosten honoriert werden.  Auch die mit Ende des Jahres erfolgte Festsetzung der System­nutzungs­entgelte für 2003 ignoriert diese Erfordernisse und führt leider in die entgegengesetzte Richtung.

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Oesterreichs Energie-Tätigkeitsbericht 2022