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Netzreserve: Auf dem Weg in die Zukunft

Die vertraglich abgesicherte Vorhaltung von Kraftwerken für den sicheren Netzbetrieb bleibt weiter unverzichtbar. Gespräche über das zukünftige Beschaffungsmodell sind im Gange.

Weiter essenziell: Die APG benötigt auch in den kommenden Jahren die Netzreserve mit hochflexiblen leistungsstarken Gaskraftwerken zum sicheren Management ihrer Infrastrukturen und damit zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit.

Sie ist ein wesentliches Element der Stromversorgung Österreichs, indem sie gewährleistet, dass die Übertragungsnetze jederzeit sicher betrieben werden können: die Netzreserve, die die Austrian Power Grid (APG) seit 2021 alljährlich mittels einer transparenten, diskriminierungsfreien und marktbasierten Ausschreibung auf der Grundlage des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG) beschafft. Für das Winterhalbjahr 2024/25 hat die APG Gaskraftwerke mit rund 400 Megawatt (MW) unter Vertrag, für den Sommer 2025 bis einschließlich 30. September rund 2.200 MW. 

Warum für das Sommerhalbjahr üblicherweise mehr Leistung kontrahiert werden muss als für das Winterhalbjahr, erläutert Christian Todem, der bei der APG den Bereich Systementwicklung leitet, folgendermaßen: „Die thermischen Kraftwerke, die die Netzreserve im Wesentlichen stellen, sind in Österreich nahezu ausschließlich Kraft-Wärme-Kopplungen (KWK). Diese aber müssen während der kalten Jahreszeit ohnehin in Betrieb gehalten werden, um die Versorgung der Bevölkerung mit Heizungswärme und Warmwasser zu gewährleisten. Sie stehen daher im Bedarfsfall auch für den Einsatz zur Netzstabilisierung als Teil des Markts zur Verfügung. Im Sommer dagegen vermarkten – bisweilen beträchtliche – Teile dieses Kraftwerksparks ihre Kapazitäten aus wirtschaftlichen Gründen oder aufgrund von Wartungen nicht mehr und legen manche Blöcke still. Aus diesem Grund muss die APG mit den Netzreserve-Verträgen sicherstellen, dass ausreichende Kapazitäten für den sicheren Netzbetrieb verfügbar sind.“

„Nur weil mein Haus heuer nicht abgebrannt ist, heißt das nicht, dass ich künftig keine Feuerversicherung mehr benötige.“ Christian Todem Systementwicklung APG

Keine Probleme sind laut Todem bis auf Weiteres durch die Einschränkung der russischen Gaslieferungen an die OMV für diesen Winter zu erwarten: „Die Gasspeicher sind gut gefüllt, die Verfügbarkeit der Kraftwerke ist vertraglich abgesichert. Außerdem betreffen die Liefereinschränkungen nach aktuellen Informationen nur die OMV, nicht aber andere Unternehmen, die Gas aus Russland beziehen.“ Ferner seien alternative Bezugsquellen und -routen für Erdgas verfügbar bzw. wird an Alternativen gearbeitet, etwa dem WAG-Loop 1.  


Vorbereitungen im Gang 

„Bereits im Gang sind die Vorbereitungen für die Ausschreibung der Netzreserve im Jahr 2025“, berichtet Todem. Die Interessenbekundung seitens der Kraftwerksbetreiber soll Ende Februar beginnen. Weil der Prozess zur Überarbeitung der Netzreserve noch nicht abgeschlossen ist, wird die Ausschreibung 2025/26 nochmals nach dem derzeit geltenden Rechtsrahmen durchgeführt. Die überarbeitete Netzreserve soll nach Genehmigung durch die Europäische Kommission und Verankerung im nationalen Recht erstmals in der Ausschreibung 2026/27 zur Anwendung kommen. 

Todem berichtet zum zwischen DG Competition (Europäische Kommission), E-Control, BMK und APG laufenden Prozess der Überarbeitung der Netzreserve: „Wir brauchen die Netzreserve jedenfalls bis 2030. Das bestätigen uns auch externe Gutachten.“ 
 

Flexiblere Produkte 

Vorgesehen ist, bei der Erarbeitung der neuen rechtlichen Grundlagen für die Beschaffung der Netzreserve die bisherigen Erfahrungen zu berücksichtigen. Klar ist, dass die neuen Bestimmungen weiterhin ein Ausschreibungssystem festlegen werden. Hinsichtlich möglicher Anpassungen hielt die APG in Abstimmung mit BMK und E-Control im Sommer eine Konsultation unter den Marktteilnehmer:innen ab. Laut Todem war die Beteiligung rege und erbrachte manche interessanten Vorschläge zur Produktgestaltung. Eine der wesentlichsten Forderungen seitens der EU-Behörden besteht darin, die Attraktivität der Ausschreibungen für potenzielle zusätzliche Anbieter zu erhöhen. 

Todem sieht den wichtigsten, im Zuge der Konsultation geäußerten, Wunsch darin, die Produkte zu flexibilisieren. Insbesondere für das Vorhalten von Kraftwerken über 24 Monate hinweg habe es in den bisherigen Ausschreibungen kaum Angebote gegeben. Als sinnvoll erweisen könnten sich laut Todem gerade für kleinere Anbieter daher kurzfristigere Kontrakte, etwa Monatsprodukte: „Grundsätzlich wäre alles gut, was den Kreis der Anbieter erweitert.“ Im Moment handle es sich um eine überschaubare Anzahl von Unternehmen, die sich an den Ausschreibungen beteiligt: „Faktisch sind das ausschließlich Betreiber thermischer Kraftwerke.“ Todem ergänzte, die APG habe sich nach Kräften bemüht, auch andere Interessent:innen zu gewinnen: „Wir haben Workshops und Seminare veranstaltet, haben Unternehmen eingeladen und sie besucht. Leider war das Ergebnis sehr bescheiden.“ 

Kontrakte über 72 Monate einzuführen, wie sie in Deutschland bestehen, wäre laut Todem zu diskutieren. Derartig langfristige Absicherungen von Kraftwerkskapazitäten ließen sich eventuell auch mit anderen Mitteln gewährleisten, etwa den in Diskussion befindlichen Kapazitätsmechanismen, soweit die Voraussetzungen dafür gegeben sein sollten. 

Ausdrücklich gewünscht wird seitens der EU-Kommission, auch Interessent:innen aus dem Ausland für die Beteiligung an den künftigen Ausschreibungen zu gewinnen. Ob dies der Sache dienlich wäre, ist nicht unumstritten. Unter anderem bestehen Bedenken, ob sich Stromimporte aus dem Ausland gerade bei potenziell kritischen Situationen im Netz ohne Probleme bewerkstelligen ließen. Todem kommentiert dies pragmatisch: „Wir haben die Verpflichtung, uns um verstärkte ausländische Beteiligung zu bemühen. Und dem kommen wir selbstverständlich nach.“ 
 

Weiter essenziell

Wie Todem ergänzt, ist und bleibt die Netzreserve auf absehbare Zeit ein essenzielles Mittel, um die Sicherheit des Netzbetriebs gewährleisten zu können. Er zieht den Vergleich mit einer Versicherung: „Wir hatten Jahre, in denen wir die Kraftwerke für die Netzreserve häufig und intensiv benötigt haben, wir hatten andere Jahre, in denen wir sie weniger oft benötigten. Aber klar ist: Sie sind einfach notwendig. Nur weil mein Haus heuer nicht abgebrannt ist, heißt das nicht, dass ich künftig keine Feuerversicherung mehr benötige.“ 

„Der Grund dafür liegt keineswegs nur im Ausbau der Erneuerbaren Energien, sondern auch im zunehmenden Handel mit elektrischer Energie“, erläutert Todem. Der Ausbau der Stromnetze könne unter den derzeitigen Rahmenbedingungen mit diesen Entwicklungen nicht Schritt halten. 

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