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Nationalratswahlen 2024: So gelingt Zukunft

Wie auch immer die politische Kräfteverteilung nach den Nationalratswahlen aussehen wird: Auf die neue österreichische Bundesregierung warten im Energiebereich viele dringende Aufgaben. Welche Maßnahmen die Branche jetzt braucht, um durchstarten zu können.

Ein Aquarellgemälde einer Landschaft mit Windkraftanlagen, das saubere Energie, ökologische Nachhaltigkeit, erneuerbare Ressourcen, technologischen Fortschritt und eine nachhaltige Zukunft symbolisiert.

1. Ein Pakt für das Klima

Warum die Energiewende außer Streit gestellt werden sollte

Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Denn solange es sich um abstrakte Bekenntnisse handelt, sind sich alle im österreichischen Parlament vertretenen Parteien einig, dass Dekarbonisierung wichtig ist und Österreich in seiner Energieversorgung unabhängig sein sollte. Auch die Rahmenbedingungen, die die Europäische Union in den letzten Jahren vorgegeben hat, sorgen dafür, dass sämtlichen maßgeblichen politischen Akteurinnen und Akteuren bewusst ist: Von der Transformation der europäischen Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität gibt es keine Abkehr.

Michael Böheim, Senior Economist WIFO
„Man muss sich die Frage stellen, ob das aktuelle Umlagesystem, das die Kosten für den Ausbau der Netzinfrastruktur über die Netztarife finanziert, noch sinnvoll ist.“ Michael Böheim Senior Economist WIFO

Doch das ist nur die erste Schicht, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler und Senior Economist am WIFO, Michael Böheim: „Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Energiewende sind zwar festgelegt und der Zug fährt in diese Richtung. Aber, bildlich gesprochen, die Weichen für einen fahrenden Zug können immer noch unterschiedlich gestellt werden, einmal so, dass er möglichst schnell sein Ziel erreicht und einmal so, dass er verlangsamt wird.“ Genau das, sagt der Forscher, wäre aber fatal: „Klimapolitik ideologiegetrieben zu betreiben, ist gefährlich, denn Klimawandel ist keine Meinung, sondern eine Tatsache.“   

Leopold Schitter, CEO Energie AG
„Ein Zukunftspakt wäre zwar rechtlich nicht verbindlich, er würde aber ein starkes Commitment signalisieren und allein dadurch Projekte beschleunigen.“ Leonhard Schitter CEO Energie AG

In der Energiewirtschaft wird daher ein Punkt besonders stark betont: Unabhängig davon, wie die zukünftige Regierungskonstellation aussehen wird, wäre es wichtig, die Energiewende schon jetzt außer Streit zu stellen und einen Klimapakt zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu besiegeln. „Ein Bestandteil dieses Pakts sollte meiner Meinung nach darin bestehen, die zehn bis zwanzig wichtigsten Projekte in der Energie-Infrastruktur, Erzeugung und Speicherung zu definieren und ihnen eine absolute Priorität in der Umsetzung zuzuordnen. So ein Pakt wäre rechtlich zwar nicht verbindlich, er würde aber ein starkes Commitment signalisieren und allein dadurch Projekte beschleunigen“, konkretisiert die Idee Leonhard Schitter, CEO der oberösterreichischen Energie AG.

Seitenansicht Nationalratssaal mit Glaskuppel

2. Verbindlichkeit 

Beschlossene Gesetze müssen auch umgesetzt werden

Beschleunigung ist ohnehin das Wort, das am häufigsten fällt, wenn Energie-Insider nach ihren Wünschen an die künftige Bundesregierung befragt werden.

Damit man den geplanten Erneuerbaren-Ausbau, die bilanzielle Klimaneutralität bei Strom bis 2030 und die weitgehende Dekarbonisierung bis 2040 schafft, sollte das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz so rasch wie möglich beschlossen werden, sagen die handelnden Akteurinnen und Akteure. Ähnliches gilt für das Elektrizitätswirtschaftsgesetz.

Karl Heinz Gruber, Geschäftsführer der VERBUND
„Wir sollten weniger darüber sprechen, warum etwas nicht geht, sondern viel mehr darüber, was nötig ist, damit es geht.“ Karl Heinz Gruber Geschäftsführer der VERBUND

Genauso wichtig wie die Beschlussfassung selbst, ist allerdings auch, dass die beschlossenen Gesetze zügig umgesetzt werden. „Wir wollen nicht wieder bei jedem einzelnen Projekt darüber diskutieren müssen, was denn eigentlich ‚überragendes öffentliches Interesse‘ konkret heißt und wie es sich zu etwaigen anderen Interessen verhält. Wie wir ganz generell weniger darüber sprechen sollten, warum etwas nicht geht, sondern viel mehr darüber, was nötig ist, damit es geht“, fasst Karl Heinz Gruber, Geschäftsführer der VERBUND Wasserkraft und Spartensprecher Erzeugung bei Oesterreichs Energie, die Position der Branche zusammen.

Josef Plank, Obmann IG Wind
„Verfahrensbeschleunigung wäre ja durchaus im Sinne der Behörden.“ Josef Plank Obmann IG Wind

Wichtig wäre in dem Kontext auch eine entsprechende Ausstattung der Behörden und anderer mit der Gesetzesumsetzung befassten Stellen mit Personal, um so eine raschere Abwicklung der Projekte zu ermöglichen. „Verfahrensbeschleunigung ist ja durchaus im Sinne der Behörden, die einerseits personell unterbesetzt sind, andererseits aber auch wegen der vielen Einsprüche Anträge nicht so schnell bearbeiten können, wie das zu wünschen wäre“, sagt Josef Plank, Obmann der IG Wind.

Servicearbeiten Umspannwerk Timelkam

3. Realismus

Wieso Wunschdenken niemandem weiterhilft

Neben ambitioniertem Vorgehen erwarten sich Vertreter der Energiewirtschaft von der künftigen Regierung aber auch einen Blick für die Realitäten.

Gerade bei der Formulierung von gesetzlichen Vorgaben sei das in der Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen, moniert Karl Heinz Gruber: „Gut gemeinte gesetzliche Regelungen zu formulieren ist das eine, die Regelungen so zu gestalten, dass sie auch umsetzbar sind, ist dann doch etwas schwieriger. Auf europäischer und auch auf nationaler Ebene wurde dieser Punkt in den vergangenen Jahren leider meist vernachlässigt.“

Das habe auch zu so manchem Missverständnis geführt, ergänzt Thomas Rieder, Geschäftsführer der TINETZ Tiroler Netze. Die Energiebranche, sagt er, wird von der Politik oft als Verhinderin dargestellt. Netzbetreibern richte man häufig aus, sie mögen endlich in die Gänge kommen: „Dieses Fingerpointing ist ärgerlich, denn wären unsere Vorschläge, wie etwa die Spitzenkappung, früher umgesetzt worden und hätte die Politik rechtzeitig auf unsere Bedenken hinsichtlich eines drohenden Ungleichgewichts zwischen der Installation von volatiler Energie und dem Netzausbau gehört, wäre so manches Bottleneck, mit dem wir nun kämpfen, zu verhindern gewesen.“

Thomas Rieder, Geschäftsführer TINETZ Tiroler Netze
„Hätte die Politik auf unsere Bedenken hinsichtlich eines drohenden Ungleichgewichts zwischen der Installation von volatiler Energie und dem Netzausbau gehört, wäre so manches Bottleneck zu verhindern gewesen.“ Thomas Rieder Geschäftsführer TINETZ Tiroler Netze

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch Florian Pilz, Geschäftsführer von Netz Burgenland, wenn er die Netzausbaufristen kritisiert, die ohne Rücksicht auf die aktuellen Lieferengpässe bei Komponenten beschlossen wurden. Niederspannungsnetze sollen bei Bedarf innerhalb eines Jahres ausgebaut werden, Mittelspannungsnetze innerhalb von zwei: „Das ist allein aufgrund der Lieferzeiten in der Regel nicht einzuhalten. Diese Fristen sollen gänzlich gestrichen werden. Die Netzbetreiber bemühen sich auch ohne gesetzliche Verpflichtung um schnellstmöglichen Ausbau.“ 

Florian Pilz, Geschäftsführer Netz Burgenland
„Die Netzbetreiber bemühen sich auch ohne gesetzliche Verpflichtung um schnellstmöglichen Ausbau.“ Florian Pilz Geschäftsführer Netz Burgenland

Dass die Schwierigkeiten, an das notwendige Material zu kommen, die Planung inzwischen massiv erschweren, dieses Problem kennt auch Thomas Rieder: „Früher haben wir bei einer Ausschreibung fünf bis sechs Angebote bekommen, heute können wir oft froh sein, überhaupt eines zu bekommen.“ Denn: Große deutsche Netzbetreiber haben die Produktionsstätten für manche Komponenten auf Monate voraus ausgebucht, so dass kleinere Kundinnen und Kunden gar nicht die Möglichkeit haben, die entsprechenden Betriebsmittel zu ordern. „Da muss es dringend eine Lösung geben. Die ist aber nur auf europäischer Ebene möglich“, sagt er.

Strommast in Tirol

4. Investitionen in die Zukunft 

Worauf bei der Finanzierung der Netze geachtet werden muss 

Die Energiewende kostet Geld. Auch darauf müssen sich alle Beteiligten ehrlicherweise einigen, anstatt diese Tatsache wegzuschieben oder gar zu leugnen. 

„Der Spruch, dass die Sonne keine Rechnung schickt, ist leider eine unzulässige Vereinfachung“, urteilt Franz Strempfl, Geschäftsführer der Energienetze Steiermark und Spartensprecher Netze bei Oesterreichs Energie. Denn zwar gebe es Sonnenenergie theoretisch kostenlos und in nahezu unbegrenzter Menge, das Einspeisen, Verteilen, Übertragen und Speichern dieser Energie koste aber sehr wohl Geld. Laut aktuellen Schätzungen werden in den nächsten zehn Jahren allein im Bereich der Übertragungsnetze 24 Milliarden Euro an Investitionen nötig sein, der Übertragungsnetzbetreiber APG rechnet in seinem Netzentwicklungsplan mit weiteren 9 Milliarden Euro. 

Christian Kimmich, Bereichssprecher Energie- und Umweltpolitik IHS
„Bei der Netzfinanzierung sollten die übergeordnete volkswirtschaftliche Bedeutung der Stromnetze, die Versorgungssicherheit und der Beitrag zum Klimaschutz berücksichtigt werden.“ Christian Kimmich Bereichssprecher Energie- und Umweltpolitik IHS

„Der Netzausbau wird mit derart hohen Ausgaben verbunden sein, dass man sich die Frage stellen muss, ob das aktuelle Umlagesystem, das die Kosten für den Ausbau der Netzinfrastruktur über die Netztarife finanziert, noch sinnvoll ist oder ob es zu Energiepreisen führt, die sozial unverträglich und nachteilig für den Standort sind“, kommentiert diese Zahlen der WIFO-Ökonom Böheim. Er bringt daher eine Lösung ins Spiel, die den Netzbetreibern erlaubt, Kapazitäten auf Vorrat auszubauen und diesen Teil nicht über Gebühren zu finanzieren, sondern über einen Fonds, der privates Kapital mobilisiert. 

Gerhard Christiner, Vorstand APG
„Die Energiewende muss in Zukunft stärker als bisher im Einklang mit dem Ausbau der Stromnetze und der Speichermöglichkeiten erfolgen.“ Gerhard Christiner Vorstand APG

Ähnlich sieht es Christian Kimmich, Bereichssprecher für Energie- und Umweltpolitik beim Wirtschaftsforschungsinstitut IHS. Auch er betont, dass die Weitergabe aller Kosten für den Ausbau der Netz-Infrastruktur an die Kundinnen und Kunden zu sehr hohen Preisen führen kann, auch er findet eine Fonds-Lösung überlegenswert. Unbedingt, meint er, sollten Entscheidungen aber schnell gefällt werden, um den dringend nötigen beschleunigten Ausbau nicht zu bremsen. Und: „Auf jeden Fall sollten dabei die übergeordnete volkswirtschaftliche Bedeutung der Stromnetze, die Versorgungssicherheit und der Beitrag zum Klimaschutz berücksichtigt werden.“ 

Ein Urteil, das auch andere Akteurinnen und Akteure in der Branche teilen, etwa Gerhard Christiner, Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers APG. Um die Herausforderungen der Energiewende zu meistern, brauchen wir dringend kapazitätsstarke Netze und Speicher, sagt er. Um die Erzeugungsseite mache er sich weniger Sorgen, da passiere bereits viel: „Wobei man klar sagen muss: Ein Abbremsen wäre auch hier fatal. Auf jeden Fall muss die Energiewende in Zukunft stärker als bisher im Einklang mit dem Ausbau der Stromnetze und der Speichermöglichkeiten erfolgen.“

Downloads und Links

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Zukunftspakt

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