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Leuchttürme der Energiewende: Projekte aus Europa

Wer hat im Vorjahr den größten Wind-Zubau erreicht? Wo steht der größte Off-Shore-Windpark der Welt? Welches Land geht bei der Gewinnung von grünem Wasserstoff voran?  Wo werden Netze neu gebaut und wer nützt die Digitalisierung am besten? Wir stellen bekannte und weniger bekannte Projekte der europäischen Energiewende vor.
 

Netze

Wie Italien Sizilien und Sardinien ins Erneuerbaren-Boot holt

Verlegung von Unterseekabel für den Netzbetreiber Terna, der die Gleichstrom-Verbindung zwischen Sizilien, Sardinien und dem Festland betreiben wird.
Verlegung von Unterseekabel für den Netzbetreiber Terna, der die Gleichstrom-Verbindung zwischen Sizilien, Sardinien und dem Festland betreiben wird.

Um den Stromaustausch zwischen dem italienischen Festland und Sardinien bzw. Sizilien zu verbessern, lässt der italienische Übertragungsnetzbetreiber Terna eine Untersee-Stromleitung bauen. Das Projekt Tyrrhenian Link soll die Flexibilität der Inselnetze erhöhen und so die Voraussetzungen verbessern, damit Sizilien und Sardinien Teil der grünen Energiewende in Italien werden. 

Dabei kommt Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnologie zum Einsatz, bei der der Strom mit einer Gleichspannung von 500 Kilovolt zwischen den Inseln und dem Festland transportiert wird. Nach dem Transport wird er durch Konverter wieder in Wechselstrom umgewandelt. Auf diese Weise können die Leitungen bis zu einem Gigawatt Strom effizient transportieren. Derzeit laufen auf beiden Inseln noch Kohlekraftwerke, nach dem Abschluss des Projekts werden sie als Netzstütze nicht mehr gebraucht und können abgeschaltet werden. 

Doch auch abseits vom Tyrrhenian Link arbeitet Italien daran, seine Infrastruktur für die Herausforderungen der Klimawende fit zu machen. Um die EU-Ziele für 2030, also eine Reduktion des CO2-Ausstosses um 55 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990, zu erreichen, will Italien zusätzliche 70 GW Leistung aus Erneuerbaren Energien installieren und so zwei Drittel seines Bruttoenergieverbrauchs aus grünen Quellen abdecken. 

Zugleich arbeitet das Land aber auch am Ausbau von grenzüberschreitenden Stromverbindungsleitungen nach Österreich und Slowenien. Nach Österreich werden zusätzliche 300 MW angestrebt, nach Slowenien 250 MW. Wie in anderen europäischen Staaten ist in Italien die Flexibilisierung des Stromnetzes und auch der Ausbau von Verbindungen ins benachbarte Ausland eine entscheidende Voraussetzung, damit die grüne Transformation gelingen kann. Verschärft wird die Lage in Italien allerdings dadurch, dass nach einer längeren Phase der Stagnation der Ausbau der Erneuerbaren nun massiv anzieht und die Infrastruktur dementsprechend fordert. 

 

Wasserstoff

Finnland, Spanien und Portugal als Zukunftslabor

Luftbild vom Bau der der SkiGA-Anlage in Norwegen. SkiGA will aus Amoniak Wasserstoff herstellen. Das Projekt gehört zu den ersten sieben, die von der europäischen Wasserstoffbank gefördert werden.
Luftbild vom Bau der der SkiGA-Anlage in Norwegen. SkiGA will aus Amoniak Wasserstoff herstellen. Das Projekt gehört zu den ersten sieben, die von der europäischen Wasserstoffbank gefördert werden.

Bis 2030 will die Europäische Union die Produktion von grünem Wasserstoff so weit hochgefahren haben, dass die Herstellung von zumindest zehn Millionen Tonnen innerhalb der EU möglich sein soll, weitere zehn Millionen sollen importiert werden. Da aktuell noch kein funktionierender Markt für grünen Wasserstoff existiert, hat die EU-Kommission die sogenannte Wasserstoffbank ins Leben gerufen. Sie gewährt Zuschüsse, um die Finanzierung von Wasserstoffprojekten zu ermöglichen. In einer ersten Runde hat die Wasserstoffbank nun 720 Millionen Euro Förderungen an sieben Projekte vergeben.  

Die Vergabe wurde im Vorfeld von der Kommission als ein Testlauf bezeichnet, der eine bessere Einschätzung erlauben soll, wie sich der zukünftige Markt für grünen Wasserstoff in Europa gestalten könnte. Folgt man den Ergebnissen der ersten Fördervergaben, so zeichnen sich zwei mögliche geografische Schwerpunkte ab: zum einen die iberische Halbinsel, zum anderen die nordischen Staaten. Zwei der Projekte sind im Norden, in Finnland und dem Nicht-EU-Mitglied Norwegen, angesiedelt, die restlichen fünf in Spanien und Portugal. In Summe sollen die sieben Anlagen in zehn Jahren rund 1,58 Millionen Tonnen an Wasserstoff produzieren. 

Die Subventionen, die die Betreiber für die Produktion von einem Kilogramm Wasserstoff bekommen werden, liegen zwischen 0,37 und 0,48 Euro pro Kilogramm. Der tatsächliche aktuelle Produktionspreis dürfte indessen bei rund acht Euro liegen. Diesen Betrag nannte jedenfalls auf einer Versammlung des Weltwirtschaftsforums Ende April der CEO von TotalEnergies Patrick Pouyanné.

Dass sich ausgerechnet Spanien, Portugal, Finnland und Norwegen bei der ersten Vergaberunde durchsetzen konnten, ist nicht überraschend. Spanien versucht sich bereits seit längerer Zeit als zukünftiger europäischer Produzent von grünem Wasserstoff aus Solarstrom zu positionieren. Die nordischen Staaten wiederum profitieren von einem hohen Dargebot an Wind- und Wasserenergie, die sie als Wasserstoff speichern wollen. Doch auch andere Länder zeigen zunehmendes Interesse am Thema grüner Wasserstoff: Immerhin gingen bei dem ersten Vergabeverfahren der Wasserstoffbank gleich 132 Bewerber ins Rennen.

 

Wind

Niederlande auf dem Weg zum Off-Shore-Giganten

Montage des letzten Rotorblatts im Windpark Hollandse Kust Zuid.
Montage des letzten Rotorblatts im Windpark Hollandse Kust Zuid.

Zwei Länder dominieren die europäische Windkraft: Deutschland und die Niederlande. Die für ihre Windmühlen-Kultur bekannten Niederlande nutzten früher Windkraft nicht nur in Sägewerken oder Kornmühlen, sondern auch um Deiche zu entwässern, um so dem Meer Land abzutrotzen. 

Mit Wasser hat Windenergie in den Niederlanden auch heute noch viel zu tun. Während Deutschland im Vorjahr mit rund 3,5 GW den größten Windzubau am Land schaffte, waren die Niederlande mit 1,9 GW Europas stärkste Offshore-Nation. In Summe schaffte Deutschland im Vorjahr fast 3,9 GW an Zubau, die Niederlande kamen auf 2,4 GW. Auf Platz drei landete Schweden mit nahezu 2 GW.

Den Großteil seines vorjährigen Zuwachses verdanken die Niederlande einem einzigen Projekt, dem Hollandse Kust Zuid, einer Anlage aus 139 Turbinen, die 18 bis 36 Kilometer von der Küste entfernt ist und bei gutem Wetter ihrer Größe wegen dennoch klar am Horizont von Scheveningen zu erkennen bleibt. Mit einer Leistung von 1,52 GW ist der Hollandse Kust Zuid der größte Offshore-Windpark der Welt, die Anlage wurde daher im September 2023 von König Willem-Alexander persönlich in Betrieb genommen.

Doch nun gehen die Niederlande mit einem weiteren viel beachteten Projekt in die nächste Erschließungsrunde und bauen noch großzügiger. Im Frühjahr dieses Jahres endete die Ausschreibung für zwei Anlagen in der Nordsee mit einer geplanten Leistung von je zwei GW. In der Zukunft soll auch noch ein drittes Areal erschlossen werden, was eine Gesamtkapazität des Windparks IJmuiden in der Größe von 6 GW ermöglichen würde. 

Damit kommen die Niederlande ziemlich nahe an das derzeit größte geplante Wind-Offshore-Vorhaben der Welt, das sich zwar nicht in der EU, aber dennoch in Europa, in Großbritannien, befindet. In einer Entfernung von 125 bis 300 Kilometer von der britischen Küste soll im Bereich der riesigen Doggerbank-Untiefe ein Areal erschlossen werden, das in Summe 9 GW Leistung bieten wird. Eine Aufstockung auf 13 GW gilt als möglich, manche Planer:innen sprechen sogar davon, dass das zwischen Großbritannien und Norwegen gelegene Gebiet mit der Zeit sogar auf 100 GW ausgebaut werden könnte.

Während solche Pläne aber noch in weiter Ferne liegen, deutet vieles darauf hin, dass sich in Sachen Offshore-Windparks schon heuer einiges an neuen Projekten auftun wird. Nach Angaben des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien sollen 2024 jedenfalls insgesamt 40 GW an neuen Offshore-Windkapazitäten versteigert werden.

 

Digitalisierung

So macht Europa sein Energiesystem schlauer – mit österreichischem Input

Noch vor wenigen Jahren waren Stromnetze, bildlich gesprochen, eine Einbahnstraße. Große Erzeuger speisten Energie ein, Abnehmer nutzten sie, die Rollen waren eindeutig verteilt. Seit der Energiewende ist das nicht mehr der Fall: Haushalte und Unternehmen, die bislang nur Stromabnehmer waren, sind vielfach selbst zu Stromproduzenten geworden. Ein Netz, in das an unzähligen Stellen und zu unterschiedlichen Zeiten volatile grüne Energie eingespeist wird zu steuern und stabil zu halten, ist eine hochkomplexe Aufgabe.

Intelligente Zähler, Konnektivität und ein europaweiter Datenraum bilden wichtige Tools, um diese Aufgabe zu bewältigen, ebenso wie Edge-Computing in der Cloud oder digitale Zwillinge des Elektrizitätssystems. Solange die Daten nicht wirklich homogen und auch leicht zugänglich sind, stoßen all diese Werkzeuge allerdings schnell an ihre Grenzen. 

Das EDDIE-Projekt, eine Kooperation zwischen mehreren EU-Mitgliedsstaaten, die vom Austrian Institute of Technology koordiniert wird, setzt an eben diesem Punkt an. Das Ziel des EDDIE-Projekts – die Abkürzung steht für European Distributed Data Infrastructure for Energy – ist es, dass intelligente energiebezogene Datendienste künftig kostengünstig und einfach Zugang zu europäischen Energiedaten erhalten. 

Dafür soll eine einheitliche europäische Schnittstelle für den Austausch von Energiedaten realisiert werden, die für jedermann nutzbar ist – von Dienstleistungsunternehmen bis hin zu Endkundinnen und -kunden. Neben der größeren Flexibilität, die Energiekundinnen und -kunden auf diese Weise bekommen, ermöglicht ein solches System auch, dass kleine und mittelständische Unternehmen ihre digitalen Lösungen nicht nur für den nationalen Markt entwickeln können, sondern für ganz Europa. Was wiederum ein beträchtlicher Innovationsbooster sein kann. 

Das 2023 gestartete EDDIE-Projekt hat eine Laufzeit von drei Jahren und verfügt über ein Budget von zehn Millionen Euro. Acht Millionen davon werden von der Europäischen Kommission über das Horizon Europe Rahmenprogramm gefördert.

Weitere spannende Berichte zum Thema Energie finden Sie in der „StromLinie“. Die aktuelle Ausgabe unseres Magazins zur Energiewende finden Sie hier.
 

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