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Jörg Sollfelner: Was ist eigentlich ein PPA?

Sogenannte „Power Purchase Agreements“ (PPAs) erfreuen sich in der Branche zunehmender Beliebtheit. Jörg Sollfelner, Geschäftsführer der Energie­Allianz ­Austria, erläutert die Gründe.

Sogenannte „Power Purchase Agreements“ (PPAs) sind in der europäischen Energiewirtschaft derzeit en vogue. In Österreich gehört die EnergieAllianz Austria (EAA) zu den Pionieren, was PPAs betrifft. Im Zuge der landesweit ersten derartigen Vereinbarung unterstützt sie die Raiffeisen Ware Austria (RWA) dabei, deren Tochterfirma, die Garant Tiernahrung GmbH mit Sitz in Aschach, mit Ökostrom aus einer Aufdach-Photovoltaikanlage im rund 30 Kilometer entfernten Traun zu beliefern. Die RWA besitzt und betreibt diese Anlage, die EAA wickelt die Stromlieferung an die Garant über das öffentliche Netz ab.

PPAs sind – etwas überspitzt formuliert – als „Ab-Hof-Verkauf“ von (elektrischer) Energie zu verstehen: Letzten Endes geht es um die direkte Beziehung des Stromerzeugers mit dem Stromkunden. Diese kann, wie im konkreten Fall, von einem Lieferanten wie der EAA vermittelt werden. Und das hat mehrere Vorteile: Wer Strom direkt über die Börse bezieht, muss mit den dort angebotenen standardisierten Produkten vorliebnehmen. Im Rahmen eines PPAs kann der Produzent dagegen auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden eingehen, das Stromprodukt also quasi „maßschneidern“. Außerdem lässt sich ein Fixpreis über eine vergleichsweise lange Vertragslaufzeit von mehreren Jahren vereinbaren und es ist möglich, die Herkunft des Stroms noch besser bzw. eben „individueller“ zu dokumentieren, als dies mit dem österreichischen Herkunftsnachweis-System erfolgen kann.

Jörg Sollfelner, Geschäftsführer der Energie­Allianz ­Austria
"PPAs sind – etwas überspitzt formuliert – als „Ab-Hof-Verkauf“ von (elektrischer) Energie zu verstehen: Letzten Endes geht es um die direkte Beziehung des Stromerzeugers mit dem Stromkunden." Jörg Sollfelner Geschäftsführer der Energie­Allianz ­Austria

Es kann speziell für große, internationale Industriekunden wünschenswert sein, im Detail offenzulegen, aus welchen Quellen der von ihnen verwendete Strom stammt. Das gilt umso mehr, als Investoren bei ihren Beurteilungen von Unternehmen immer häufiger auf Nachhaltigkeitscharakteristika wie die ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) Wert legen. Dies betrifft etwa die Vermeidung von CO2-Emissionen oder die Einhaltung arbeitsrechtlicher Standards. Wer sich an solche Kriterien hält, hat auch Zugang zu den einschlägigen Kapitalmärkten. Bei PPAs kann all dies Berücksichtigung finden: Der Kunde weiß genau, aus welchem Kraftwerk der von ihm bezogene Strom stammt. Das Interesse an solchen Modellen ist gerade bei international tätigen Konzernen erheblich. Seitens der EnergieAllianz sind diesbezügliche Gespräche im Gange. Innerhalb der nächsten Jahre wird die EAA weitere PPA-Projekte mit Kunden umsetzen.


„Market Sandbox“

PPAs sind eine Weiterentwicklung des Strommarktes, ob man das nun als Fortschritt oder als Rückschritt ansehen will. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem kürzlich beschlossenen Paket um das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG-Paket) ist von „Regulatory Sandboxes“ die Rede, also „von regulatorischen Freiräumen zur Erprobung innovativer Ideen im Bereich erneuerbarer Energien“. Bei den PPAs handelt es sich gewissermaßen um „Market Sandboxes“, selbstverständlich unter Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben. Als Marktteilnehmer probieren wir etwas aus und schauen, wie es sich entwickelt. Es ist jedes Mal ein neues Erlebnis, wie man den Kunden mit dem Produzenten zusammenbringt und welche Usancen sich einstellen. Deshalb ist eine Systematisierung von PPAs, wie sie bisweilen von Beratungsunternehmen vorgenommen wird, zumindest bis auf Weiteres schwierig. Es gibt eine unüberschaubare Vielfalt an Modellen mit sehr spezifischen, auf die wechselseitigen Bedürfnisse des Stromproduzenten und des Strombeziehers abgestimmten Details. Der PPA-Bereich muss sich einige Jahre ausbilden, bevor es Sinn ergibt, ihn zu reglementieren und zu systematisieren.

Ein Kritikpunkt in Hinblick auf die PPAs ist die angeblich mangelnde Transparenz, weil die Details der Verträge nicht öffentlich zugänglich sind. Bekanntlich gilt seit 2011 die EU-Verordnung über die Integrität und Transparenz des Energiegroßhandelmarktes (REMIT). Sie stellt den Insiderhandel sowie Marktmanipulationen unter empfindliche Strafen. Ferner sind bei Termingeschäften an Strombörsen die Bestimmungen der „Markets in Financial Instruments Directive“ (MiFID-Richtlinie) einzuhalten. Mit beiden Vorgaben will die EU-Kommission die Transparenz der Energiemärkte erhöhen.

Eine Kurzcharakteristik


Im Zuge von PPAs wird ein Fixpreis für den Bezug von Strom aus erneuerbaren Energien über einen längeren Zeitraum vereinbart.

Alternativ zu einem Fixpreis können Preisober- bzw. Untergrenzen festgelegt werden. Unterschieden wird je nach Kunde zwischen „Corporate PPAs“ (endverbrauchende Unternehmenskunden) und „Utility PPAs“ (bei denen der Energieversorger oder -händler als Kunde fungiert).

Die EnergieAllianz Austria verwendet für ihr Modell den Begriff „Peer-to-Peer-PPA“, grob übersetzt: Direktverkauf vom Produzenten an den Kunden.

Bei „Direct PPAs“ erfolgt diese ohne Nutzung eines öffentlichen Stromnetzes. Im Zuge von „Sleeved PPAs“ dagegen läuft der Strombezug über ein öffentliches Netz. Bei „synthetischen“ PPAs, die auch als „bilanzielle“ oder „finanzielle“ PPAs bezeichnet werden, findet keine physische Stromlieferung statt. Produzent und der Kunde vereinbaren einen Fixpreis für eine bestimmte Strommenge. Diese Menge verkauft der Produzent auf dem Großhandelsmarkt, der Kunde kauft sie dort ein. Erzielt der Produzent einen Preis, der über dem vereinbarten Fixpreis liegt, gibt er die Differenz an den Kunden weiter. Gelingt es dagegen dem Kunden, den Strom zu Kosten unter dem Fixpreis zu erwerben, schuldet er die Differenz dem Produzenten.

Im Vertrag kann eine Mindestabnahmemenge („Take-or-pay-Klausel“) verpflichtend festgeschrieben sein. Nutzt der Kunde weniger Strom, muss er eine Mindestmenge bezahlen. Auch sogenannte „Take-as-produced“-Bestimmungen, in denen der Kunde eine vom Produzenten erzeugte Strommenge abnehmen muss, sind gängig. Geregelt werden kann dabei auch, wer die Überschuss- bzw. Fehlmengen auszugleichen hat.

PPAs sind aufgrund der vielfältigen Ausgestaltungsvarianten hinsichtlich REMIT beziehungsweise MiFID immer im Einzelfall zu beurteilen. Bei der REMIT-Verordnung kommt es dabei unter anderem auf die Größe des Endkunden an und die Verwendungsabsicht, also ob der Kunde seine Energie selbst verbraucht oder weiterverkauft.

Im konkreten Fall des PPAs der EAA mit der Raiffeisen Ware Austria und der Garant haben EAA und RWA bereits lange Zeit zusammengearbeitet und die Idee, ein PPA abzuschließen, gemeinsam entwickelt. Das ist natürlich hilfreich. Wird ein PPA zwischen einem Produzenten und einem Kunden abgewickelt, die vorher noch nie miteinander zu tun hatten, ergeben sich verständlicherweise Diskussionen über die Haftung bei Liefer- bzw. Zahlungsausfällen. Derartige Befürchtungen gibt es in diesem Fall nicht.