Großer Schritt mit langem Schatten
Mit dem neuen Entwurf zum Elektrizitätswirtschaftsgesetz will die Bundesregierung den lang erwarteten Modernisierungsschub für Österreichs Energiesystem einleiten. Neben sinnvollen Weichenstellungen bleiben zentrale Kritikpunkte.

Die Transformation des Energiesystems ist in vollem Gange, der Elektrizitätsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Dafür braucht es angepasste rechtliche Rahmenbedingungen. Die Branche wartet bereits lange auf das passende Gesetz, das auch der Umsetzung der Strombinnenmarkt-Richtlinie „(EU) 2019/944“ dient. Österreich ist hier in Verzug, die EU-Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Der aktuelle Entwurf entsteht unter Zeitdruck, was sich auch an der Dichte der Regelungen und an der Ambition zeigt, „alles auf einmal“ zu lösen: Digitalisierung, Flexibilisierung, Verbraucherschutz, soziale Abfederung, Netzausbau und Wettbewerbsfragen.
Die Bundesregierung hat schließlich Mitte November eine neue Regierungsvorlage als „Günstiger-Strom-Gesetz“ präsentiert. Doch was steckt neben dem Versprechen günstigen Stroms darin?
Ein Gesetz, das viel will
Positiv ist, dass das Preisänderungsrecht nun eindeutig gesetzlich festgeschrieben und klar von Festpreisverträgen abgegrenzt wird. Gleichzeitig bleiben wesentliche Kritikpunkte aufrecht: Symmetriegebot samt Senkungsverpflichtung, Vorgaben zur Berechnung des Deckungsbeitrags und die Möglichkeit, Entgeltänderungen bis zu fünf Jahre rückwirkend anzufechten, gelten als wenig praxistauglich. Aus Sicht der Branche wäre eine Verkürzung auf drei Jahre sinnvoller.
Flexibler Netzzugang, Smart Meter, Sozialtarif: Das „Günstiger-Strom-Gesetz“ greift tief ins System ein – und wirft lange Schatten auf die Praxis.
Richtige Signale setzt der Entwurf, indem systemdienliche Pumpspeicherkraftwerke und Batteriespeicher künftig nicht mehr doppelt belastet werden sollen. Diese Anlagen sind zentral für Versorgungssicherheit und Systemstabilität. Auch die stärkere Gewichtung des Leistungspreises sowie flexible Tarife weisen in eine moderne, effiziente Richtung: Sie setzen Anreize, Strom dann zu nutzen, wenn er ausreichend vorhanden und damit günstiger ist.
Ebenso wichtig ist der flexible Netzzugang: Anlagen sollen ans Netz gehen können, auch wenn die volle Leistung noch nicht sofort zur Verfügung steht. Nicht genutzte Leistung kann an das Netz zurückgegeben werden. Jedoch gelten die Fristen für einen vollständigen Netzzugang als zu ambitioniert, die Verlängerungsmöglichkeiten als zu restriktiv. Viele Unternehmen bezweifeln, dass Genehmigungen, Lieferzeiten und Bau in diesem Tempo möglich sind.
Zwischen Sozialpolitik und Unternehmensrealität
Zielgerichtete Unterstützung für einkommensschwache Haushalte ist unumstritten, doch die Umsetzung ist heikel: Die Vergütung für Versorger wird halbiert, gleichzeitig fehlt eine verbindliche Zusage, dass der Bund Mehrkosten deckt. Die Branche warnt daher vor erheblichen finanziellen Risiken. Mit der Verlängerung bis 2036 stellt sich außerdem die Frage, ob die Maßnahme langfristig zu Markt- und EU-Vorgaben passt.
Der Entwurf zum ElWG soll Markt, Netz und Kundenschutz modernisieren – doch viele Vorgaben entstehen unter massivem Zeitdruck.
Auch die geplante Pflicht, öffentliche Versorgungsziele in Unternehmensstatuten zu verankern, stößt seitens der Unternehmen auf Kritik. Besonders die Beschränkung von Gewinnausschüttungen sorgt für Unruhe: Sie greift in die unternehmerische Freiheit ein und könnte Unternehmen am freien Markt benachteiligen.
Digitalisierung: ambitioniert
Die verpflichtende Viertelstunden-Auslesung von Smart-Meter-Daten ist ein zentrales Element für ein modernes Energiesystem. Relevante Kundengruppen sind sofort betroffen, alle anderen folgen bis 2027. Die Branche begrüßt das Ziel, sieht aber die engen Fristen skeptisch. Viele Netzbetreiber kämpfen mit Hardware-, Personal- und IT-Aufwand. Ohne breitere Fristverlängerungen droht Überforderung – mit dem Risiko, dass Digitalisierung nicht zu Effizienz, sondern zu Mehrbelastung führt.
Kostenschere im Netzsystem
Heftig diskutiert wird das neue Einspeiseentgelt ab sieben kW. Während die Regierung die Kosten für das Netz breiter verteilen will, befürchten Betreiber, dass Erzeugung an Attraktivität verliert. Dass der Entwurf die EU-Preisobergrenze im Gesetz nicht mehr erwähnt, verstärkt regulatorische Unsicherheit. Aus Sicht der Branche ist das energiepolitisch der falsche Weg: Wenn der Aufbau eines erneuerbaren und resilienten Energiesystems in Österreich ernst genommen wird, müssen Investitionen in die heimische Erzeugung gestärkt und nicht geschwächt werden.
Österreich holt Jahre der EU-Säumnis nach: Das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz soll alles zugleich lösen – von Digitalisierung bis Kostenschere.
Gleichzeitig werden Direktleitungen, Energiegemeinschaften und geschlossene Verteilernetze ausgeweitet. Diese Modelle eröffnen neue Geschäfts- und Versorgungskonzepte, verschieben aber Kosten in das allgemeine Netzsystem – zulasten jener, die nicht teilnehmen können.
Großer Wert und kleiner Preis
Kritisch gesehen wird auch die Namensänderung in „Günstiger-Strom-Gesetz“. Ein Titel, der Rabattschlachten suggeriert, wird der Systemtransformation der Zweiten Republik nicht gerecht und weckt Erwartungen, die für die Mehrheit der Kundinnen und Kunden nicht erfüllbar sind. Anspruch der Branche ist eine sichere, saubere und leistbare Versorgung mit dem wertvollen Gut Strom – aber „leistbar“ ist etwas anderes als „billig um jeden Preis“.
Bei aller Kritik gilt jedoch festzuhalten, dass das Elektrizitätswirtschaftsgesetz ein notwendiger Modernisierungsschritt ist. Nun geht es darum, im Parlament eine Mehrheit zu finden und einzelne Bestimmungen praxistauglich auszugestalten, damit ein zeitgemäßes Stromgesetz bald beschlossen werden kann.

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