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Fünf Fragen an Karoline Edtstadler

Ursula von der Leyen hat ihre Präsidentschaft mit dem Green Deal angetreten. Wie steht es heute um das Thema? Befindet sich das Ziel der Klimaneutralität 2040 noch im Fokus – oder wurde es von den Diskussionen rund um den Wirtschaftsstandort und die europäische Wettbewerbsfähigkeit abgelöst? 

Karoline Edtstadler: Mit der Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 hat sich die EU ein ambitioniertes Ziel gesetzt. Um das zu erreichen, wurden im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets bereits wichtige Maßnahmen eingeleitet. Entscheidend ist, dass wir die Klimaneutralität bis 2050 auf EU-Ebene in sinnvoller und geordneter Weise erzielen. Dies geht aber nur Hand in Hand mit Fragen der Wettbewerbsfähigkeit, denn Europa darf nicht weiter im Vergleich mit den USA und China zurückfallen. Es gilt daher alles daran zu setzen, Innovation zu fördern. 

Karoline Edtstadler Bundesministerin für Verfassung und EU

„Entscheidend ist, dass wir die Klimaneutralität bis 2050 auf EU-Ebene in sinnvoller und geordneter Weise erzielen.“

Karoline Edtstadler Bundesministerin für Verfassung und EU

Welche Themen sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten, denen sich die neue Kommission widmen muss?

Edtstadler: Die EU sollte sich auf die großen Fragen der Zukunft konzentrieren, auf die sich die Bürgerinnen und Bürger zurecht Antworten erwarten. Dazu zählen ein funktionierender Außengrenzschutz aber auch die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und das Funktionieren des Binnenmarktes – ich habe dazu gemeinsam mit Wirtschaftsminister Kocher einen 10-Punkte-Plan vorgelegt, in dem wir uns deutlich für eine Reduktion der Berichtspflichten und einen Abbau von Handelshürden aussprechen. Wir müssen zudem unsere eigenen geopolitischen Interessen voranstellen. Dazu zählt in erster Linie auch die EU-Erweiterung mit Fokus auf den Westbalkan. Auch auf unser Drängen hin konnten wir viele Fortschritte erreichen und die Kandidatenländer zu umfassenden Reformen ermutigen.

Die Sicherheit der Energieversorgung ist auch auf europäischer Ebene ein wichtiges Thema – Österreich bezieht weiterhin einen großen Teil seines Gases aus Russland. Wie sehen Sie dieses Thema? 

Edtstadler: Die Bundesregierung hat zahlreiche Maßnahmen zur Sicherstellung der Gasversorgung ergriffen, dank derer es in den letzten Wintern keine Probleme mit der Gasversorgung gab. Klar ist, dass die Abhängigkeit von russischen Gasimporten reduziert werden muss, wobei wir zugleich darauf achten müssen, dass es zu keiner Mangellage kommt. Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind der Schlüssel zur Unabhängigkeit von Energieimporten. Parallel dazu arbeiten wir an der Verbesserung der Importinfrastruktur. Damit wird unser Gasnetz besser an die LNG Terminals in Nordeuropa angebunden.

Die Übermittelung des Nationalen Energie und Klimaplans (NEKP) an die europäische Kommission ist weiterhin ausständig. Wie ist hier der derzeitige Stand?

Edtstadler: Österreich hat Ende 2019 seinen Plan zur Erreichung der Klimaziele 2030 an die Europäische Kommission übermittelt. Die Mitgliedsstaaten sind gemäß EU-Recht aufgefordert, bis Ende Juni 2024 einen aktualisierten Plan zu übermitteln. An dieser Aktualisierung wird derzeit intensiv gearbeitet, denn wir brauchen hier einen abgestimmten nationalen Plan und keine ideologisch motivierten Alleingänge mancher. 

Spannungen in Asien, Krieg in Europa, Konflikte im Nahen Osten – das geopolitische Gefüge beginnt sich zu verschieben: Welche Rolle hat Europa in dieser Welt – und welche sollten wir in den nächsten Jahren anstreben?

Edtstadler: Wir leben in bewegten Zeiten. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine war eine Zäsur und hat verdeutlicht, dass die EU in der Lage sein muss, ihre eigenen Interessen zu sichern und zu verteidigen. Gleichzeitig gilt es, jene Länder, die sich für den „European Way of Life“ entschieden haben, stärker an uns zu binden, und dass wir für unsere Werte - Demokratie, Menschenrechte, und Rechtsstaatlichkeit - eintreten. Für mich als Europaministerin stehen dabei ganz klar die Länder des Westbalkans im Vordergrund, die langfristig in die EU gehören.

Zur Person

Karoline Edtstadler Bundesministerin für Verfassung und EU Die Juristin war bis zu ihrer Berufung zur Bundesministerin bis Januar 2020 EU-Parlamentarierin und für die Europäische Volkspartei federführend in diversen Ausschüssen des EU-Parlaments tätig.

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