Europäische Stromnetz: Warum Marokko, Norwegen aber nicht?
Nordafrikanische Länder wie Marokko, Algerien und Tunesien sind mit dem europäischen Verbundsystem synchronisiert, skandinavische Länder wie etwa Norwegen hingegen nicht. Woran liegt das?
Dass es in Europa unterschiedliche Verbundnetze gibt, hat zunächst historische Gründe. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es für viele Länder wichtig, Teil von großen, übernationalen Stromnetzen zu werden. Die Frequenz in einem zusammenhängenden Verbundnetz hängt nämlich vom Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch ab, und in größeren Netzen lässt sich die gemeinsame Frequenz („Synchronbereich“) leichter stabil halten.
Aus diesem Wunsch heraus entstanden in der Nachkriegszeit große europäische Verbundnetze: ein zentraleuropäisches, ein skandinavisches, ein britisches und auch eines, das die Staaten der ehemals kommunistischen Länder miteinander verband. Die ehemaligen Ostblockstaaten wurden nach dem Zusammenbruch des Kommunismus mit dem zentraleuropäischen Netz synchronisiert. Skandinavien bildet bis heute einen separaten Synchronbereich, was geografische Gründe hat, aber auch daran liegt, dass Skandinavien mit seiner sehr stark ausgebauten Wasserkraft die Netzstabilisierung relativ einfach gewährleisten kann.
Trotz der Tatsache, dass Skandinavien einen separaten Synchronbereich bildet, sind die nordischen Länder Teil des gesamteuropäischen Stromversorgungssystems. Die Koppelung zwischen Zentraleuropa und Skandinavien wird allerdings nicht mittels Wechselstromverbindungen sondern mittels Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungsleitungen und daran angeschlossenen Umrichteranlagen realisiert, die den Gleichstrom wieder in Wechselstrom umwandeln. Die beiden Verbundnetze beeinflussen also einander in der Frequenz nicht, Stromhandel zwischen Europa und Skandinavien ist allerdings möglich und wird auch im großen Stil betrieben.
Exakt umgekehrt verhält es sich bei den Verbindungen des zentraleuropäischen Netzes mit Nordafrika und, seit dem Überfall durch Russland, mit der Ukraine. Hier gibt es eine synchrone Koppelung über Wechselstromverbindungen, der Austausch an Strom ist aber sehr begrenzt. Der Grund für die Koppelung war in den genannten Fällen vor allem politischer Natur. Bei Nordafrika ging es um den Wunsch, ein Symbol für wirtschaftliche Kooperation zu setzen, bei der Ukraine um ein Zeichen der Solidarität und die Möglichkeit der technischen Unterstützung.
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