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Gesetzliche Vertretung auf europäischer Ebene: die EU DSO Entity

Seit Ende Juni haben die Verteilernetz­betreiber im Stromsektor eine gesetzliche Vertretung auf europäischer Ebene: die EU DSO Entity. Sie können damit ihre Anliegen und die ihrer Kunden noch besser vertreten. Dabei wirken nicht zuletzt österreichische DSOs intensiv mit.

Nach jahrelangen intensiven Vorarbeiten haben die Verteilernetzbetreiber (DSOs) seit Juni eine gesetzliche Vertretung auf europäischer Ebene: die EU DSO Entity. Ihre rechtliche Grundlage ist die Verordnung 2019/943 der EU über den Elektrizitätsbinnenmarkt vom 5. Juni 2019. Dieser zufolge soll die DSO Entity vor allem bei der Ausarbeitung der Leitlinien für den Netzbetrieb sowie bei den entsprechenden Netzkodizes (Network Codes) mitwirken und dabei, wenn nötig, eng mit dem Verband der Übertragungsnetzbetreiber, der ENTSO-E, zusammenarbeiten. Die ENTSO-E ist bereits seit langem in die Erstellung der Leitlinien und der Netzkodizes eingebunden. Grob gesprochen erarbeitet sie diese gemeinsam mit der Agentur der Energiemarktregulatoren (ACER) und der EU-Kommission. Der rechtsgültige Beschluss erfolgt durch das Europäische Parlament und den Rat.

Europa Flagge
© Audiovisual Library European Commission/Christian Lambiotte

Bereits Ende 2016 wies die EU-Kommission in ihrem „Clean Energy for All Europeans“-Paket jedoch auf die Bedeutung der DSOs für das Gelingen der Energiewende hin. In der Folge begannen die Diskussionen über die Schaffung einer gesetzlichen Vertretung auf EU-Ebene, vor allem zwischen den freiwilligen DSO-Verbänden GEODE und E.DSO, dem Kommunalwirtschaftsverband CEDEC und der EURELECTRIC. Das Resultat war die Gründung der EU DSO Entity. Über sie können die Verteilernetzbetreiber nun auf Augenhöhe mit den Übertragungsnetzbetreibern sowie den Behörden und Interessenvertretungen auf EU-Ebene kommunizieren und ihre Anliegen vertreten. Das Board of Directors, Präsident und Vizepräsidenten wurden bereits durch die Generalversammlung gewählt, noch heuer wird der Generalsekretär bestellt. Auch die Besetzung der Arbeitsgruppen ist im Gange.

Etwa 900 der 2.400 europäischen DSOs sind der DSO Entity bereits beigetreten, darunter zahlreiche österreichische Verteilernetzbetreiber. Österreich ist in der Organisation generell stark vertreten: Erwin Smole, der Vorstandschef der Stadtwerke Klagenfurt, und Franz Strempfl, der Spartensprecher Netze von Oesterreichs Energie sowie Geschäftsführer der Energienetze Steiermark, sind Mitglieder des Boards der DSO Entity (siehe Interviews).

„Die Energiewende findet zu einem Großteil in den Verteilernetzen statt“

Erwin Smole, Vorstandsdirektor der Stadtwerke Klagenfurt und Mitglied des Boards der EU DSO Entity, über die Mitwirkung der Verteilernetzbetreiber am Gelingen der Energiewende.

Was macht die Tätigkeit im Board der DSO Entity für Sie interessant?

Erwin Smole: Es ist natürlich sehr erfreulich, dass es zwei Österreicher in das Board geschafft haben, Franz Strempfl von der Energienetze Steiermark und ich. Die DSO Entity gibt den Verteilnetzbetreibern endlich die Möglichkeit, auf Augenhöhe bei der europäischen Rechtssetzung im Energiesektor mitzureden. Diese Chance zu bekommen, ist eine Ehre. Meine Wahl wurde von österreichischen, italienischen und deutschen Verteilnetzbetreibern unterstützt.

© Gernot Gleiss

Wie sehen Sie Ihre Aufgaben bzw. Verpflichtungen in dem Board?

Smole: Zunächst gilt es, die Entity zum Laufen zu bringen, die Arbeitsgruppen zu besetzen, aber auch die Mitgliedsunternehmen auf dem Laufenden zu halten. Subjektiv bin ich sehr an umsetzbaren, praktikablen und skalierbaren Lösungen interessiert. An die Verteilernetze sind ja abertausende von Zählpunkten angeschlossen und abzurechnen. Außerdem findet die Energiewende zu einem Großteil in den Verteilernetzen statt. Kunden, die Photovoltaikanlagen betreiben und Strom in die Netze einspeisen, die zunehmende Anzahl und Bedeutung von Batteriespeichern, aber auch die Elek­tromobilität sind Themen, die primär die Verteilnetzbetreiber betreffen. Damit sind die Verteilnetzbetreiber viel stärker als in der Vergangenheit mit dem Thema Skalierung konfrontiert. Das wird nun sicher mehr berücksichtigt werden. Da alle Verteilnetzbetreiber die gleichen Herausforderungen haben, wird man relativ schnell eine gemeinsame Sprache entwickeln.

Was macht die Mitwirkung österreichischer Verteilernetzbetreiber in der DSO Entity so wichtig?

Smole: Grundsätzlich sind die gemeinsamen Herausforderungen für alle europäischen DSOs der Treiber der Zusammenarbeit. Die Diskussionen sind sehr von einem europäischen Gedanken geleitet. So hat sich in meiner Gruppe, der der Verteilernetzbetreiber mit weniger als 100.000 Zählpunkten, schnell einmal ein erster Block mit dem Titel „Senza Confini“ gebildet. Und natürlich sind persönliche Kontakte sehr hilfreich.

 „Wer gestalten will, muss auf europäischer Ebene aktiv sein“

Franz Strempfl, der Spartensprecher Netze von Oesterreichs Energie und Geschäftsführer der Energienetze Steiermark, über seine Tätigkeit im Board der EU DSO Entity.
 

Sie sind für vier Jahre Mitglied des Boards der EU DSO Entity in der Kategorie 2, die Verteilernetzbetreiber zwischen 100.000 und einer Million Zählpunkte umfasst. Wie kam es dazu?

Franz Strempfl: Die EU-Kommission äußerte den Wunsch nach einer geografisch sowie der Größe nach diversifizierten Zusammensetzung der DSO Entity, vor allem ihres Boards. Bei meiner Nominierung unterstützten mich insbesondere Verteilernetzbetreiber aus Österreich und Deutschland.

DI Dr. Franz Strempfl
© Sissi Furgler Fotografie

Was interessiert Sie an dieser Funktion?

Strempfl: Ich bin seit Jahren in der EURELECTRIC engagiert und Vice Chair in der E.DSO. Über die EU DSO Entity ist es nun möglich, an der Rechtssetzung auf europäischer Ebene aktiv mitzuwirken. Das ist auch von großer Bedeutung, weil dort viele Entscheidungen fallen, die in der Folge in den Mitgliedsstaaten der EU umzusetzen sind. Insbesondere gilt das für die Network Codes, an deren Ausarbeitung die DSO Entity künftig beteiligt ist. Wer gestalten will, muss auf europäischer Ebene aktiv sein. Wir haben daher vor, einerseits die österreichischen Netzbetreiber über die Vorgänge auf EU-Ebene auf dem Laufenden zu halten. Auf der anderen Seite wollen wir natürlich die Auffassungen der heimischen DSOs einholen und sie in der DSO Entity vertreten.

Was sehen Sie als Ihre wichtigsten Aufgaben?

Strempfl: Die wichtigste Aufgabe ist, dort fortzusetzen, wo mit dem Clean Energy Package der EU begonnen wurde. Das war das erste Gesetzeswerk, das die wichtige Rolle der Verteilernetzbetreiber bei der Energiewende klar herausstellte. Die meisten Kunden, ob Verbraucher, Einspeiser oder Prosumer, sind überwiegend an die Verteilernetze angeschlossen. Es gilt, Regeln zu finden, damit das zunehmend dekarbonisierte Stromsystem weiterhin technisch gut und sicher funktioniert und die Abstimmung zwischen den Marktakteuren trotz steigender Komplexität reibungslos abläuft. Aus diesem Grund wurden umgehend Arbeitsgruppen zu den Themen Cybersecurity, Distributed Flexibility, Data Access and Interoperability von der TSO-DSO-Platform übernommen und eingesetzt. Wichtig ist weiters ein gedeihliches Zusammenwirken zwischen den Systembetreibern, also den Verteiler- und Übertragungsnetzbetreibern. Dank der DSO Entity kann diese Zusammenarbeit nun auf Augenhöhe erfolgen. So kann weiterhin eine sichere, leistbare und saubere Stromversorgung gewährleistet werden.