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Energiepolitik international: Ist das noch Wettbewerb?

Die USA koppeln Steuervorteile für die grüne Transformation an die Bedingung, dass im Land investiert wird. Europa hält mit dem Net Zero Industry Act dagegen. Und China fördert seine Green Tech Industrie mit noch nie dagewesenen Summen. Was bedeutet das alles?

Drei grüne Flaggen: USA, EU und China
© AdobeStock

Als der US-Kongress im Sommer 2022 den Inflation Reduction Act verabschiedete, erlebte Europa einen Schockmoment. Seit Jahren nahm sich der alte Kontinent als Weltpionier in Sachen Klima- und Energiewende wahr, nirgendwo, so jedenfalls das weit verbreitete Selbstverständnis, war man so ambitioniert darin, die Wirtschaft ökologisch, fossilfrei und damit auf lange Sicht auch wettbewerbsfähiger zu machen. Und dann das.

663 Milliarden Dollar an Klimaschutzinvestitionen sollen in den USA in den kommenden zehn Jahren allein mit Bundesmitteln finanziert werden. Steuererleichterungen sollen die Errichtung von PV-Anlagen und – in den USA gilt die Technologie als klimafreundlich – den Ausbau der Atomenergie fördern. Finanzielle Anreize sind auch für die Anschaffung von E-Fahrzeugen, Gebäudesanierung und Energieeffizienz vorgesehen. Unternehmen, die auf klimafreundliche Fertigung umsteigen, können ebenfalls mit Steuernachlässen rechnen. 
 

USA: Amerikanischer Pragmatismus

Vor allem aber: Die amerikanischen Förderungen sind, gemessen an den Regelungen in Europa, wesentlich praxisnäher aufgesetzt und mit deutlich weniger bürokratischem Aufwand verbunden. „Die USA gehen pragmatischer vor, das Geld kommt einfacher und schneller bei den Unternehmen an. In Europa gibt es dagegen viele bürokratische Vorgaben. Diese Hürden können Unternehmen daran hindern, die an sich vorhandenen Mittel abzurufen“, urteilt etwa Andreas Löschel, Professor für Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit an der Ruhr-Universität Bochum.

Andreas Löschel, Professor für Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit
„Subventionen haben hohe Anreizwirkungen, allerdings auch den Nachteil, dass man nur schwer wieder rauskommt.“ Andreas Löschel Professor für Ressourcenökonomik und Nachhaltigkeit

Befinden sich die USA nun also auf der Überholspur? So weit will Löschel in seiner Einschätzung nicht gehen, räumt aber ein, dass der Inflation Reduction Act Europa auch auf die eine oder andere Schwäche in seiner Industriepolitik hingewiesen hat. Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, sieht es ähnlich: „Wenn man nationale und europäische Gelder zusammenrechnet, dann hat Europa ein vergleichbar hohes Maß an Unterstützungen für die grüne Wende aufgelegt wie die USA. Ein wichtiger Unterschied ist: Anders als die US-Bundesregierung kann die EU aber keine Steueranreize setzen. Sie kann nur regulatorische Rahmenbedingungen schaffen.“
 

Europa: Mehr Tempo,  falsche Förderanreize?

Mit dem Net Zero Industry Act hat die EU-Kommission genau das zu tun versucht. Dabei ging es ihr unter anderem um eine Reaktion auf einen in Brüssel als besonders heikel empfundenen Teil des amerikanischen Inflation Reduction Acts: die Koppelung von Subventionen und Steuererleichterungen an Produktion in den USA. Deshalb hat die EU-Kommission im Net Zero Industry Act ihrerseits festgelegt: Bis 2030 sollen 40 Prozent der für die grüne Transformation notwendigen Technologien in Europa produziert werden, die Genehmigung von klimarelevanten Projekten soll weiter beschleunigt werden.

Andreas Löschel findet gerade diesen Punkt besonders wichtig. Denn, wenn Europa bei der Klimawende ins Hintertreffen geraten sollte, dann werde das nicht an mangelnder Finanzierung des Green Deals liegen, sondern unter anderem an überlangen Fristenläufen: „Wenn zum Beispiel der Ausbau der Windenergie in Europa nicht schnell genug voranschreitet, dann liegt das oft nicht an mangelnder ökonomischer Rentabilität, sondern an langen Verfahren, Unsicherheiten bzw. nach wie vor an mangelnder Akzeptanz. Lange Verfahrenszeiten, bei Windkraft können es gerne auch sieben Jahre sein, behindern die Transformation.“

Mit der RED-III-Richtlinie soll nun eine Verkürzung erreicht werden. „Aber auch die Planungssicherheit wird gesteigert. Bisher mussten in allen Projekten die Auswirkungen auf die Umwelt abgeschätzt und zwischen Klima- und Naturschutz abgewogen werden. Das ist schwierig, anfällig für Klagen und dauert dementsprechend lange.“ Wenn diesbezüglich Verbesserungen erreicht werden können, sei das daher zu begrüßen.

Eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, um die Produktion der für die grüne Wende notwendigen Komponenten verstärkt in Europa abzuwickeln, findet Löschel hingegen nicht uneingeschränkt positiv. Ja, es gehe dabei um Wertschöpfung und Energieunabhängigkeit, doch der Ansatz habe auch eine Kehrseite: „Subventionen haben hohe Anreizwirkungen, sie haben allerdings auch den Nachteil, dass man aus ihnen nur schwer wieder rauskommt und oft Dinge unterstützt, die keine Förderung brauchen. Beim Emissionshandel hat man dieses Problem nicht.“ 

Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik
„Anders als die US-Bundes­regierung kann die EU keine Steueranreize setzen. Sie kann nur regulatorische Rahmen­bedingungen schaffen.“ Paul Schmidt Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik

Dass es für die Politik sehr schwer ist, einmal gewährte Subventionen zu streichen, zeigt sich nicht nur dort, wo klimaschädliche Anreize aufrechterhalten werden, um die Wählerschaft nicht zu vergrämen. Es wird auch sichtbar bei Unterstützungszahlungen, die früher einmal notwendig waren, die inzwischen aber anderswo besser eingesetzt wären. So fordern zum Beispiel Akteure aus der Energiebranche, man solle, statt die marktreife und inzwischen auch günstige PV-Technologie weiter zu fördern, den Förderschwerpunkt eher auf Speicher und flexible Netznutzung verschieben. Der Gewohnheitseffekt macht solche Änderungen aber alles andere als leicht durchsetzbar.
 

China: Angriff mit Kommandowirtschaft

Weniger Kompatibilitäten bestehen indessen mit dem dritten großen Player auf der klimawirtschaftlichen Bühne, China. Schon heute ist die Volksrepublik in der Lage, Europa unter Druck zu setzen, weil Europa bei manchen Komponenten nahezu vollständig von chinesischen Lieferungen abhängig ist. So stammen gegenwärtig 90 Prozent der in Solarzellen verbauten Wafer aus China. Mehr als ein Viertel der Batterien und E-Autos werden ebenfalls aus China importiert.
Zu Jahresbeginn 2023 hat China mit großem Pomp das Papier „China´s Green Development in the New Era“ vorgestellt. „Die chinesische Regierung veröffentlicht dieses Dokument, um ein vollständiges Bild von Ideen, Maßnahmen und Errungenschaften bei der grünen Entwicklung in der neuen Ära zu präsentieren und die Welt an seinen Erfahrungen auf diesem Gebiet teilhaben zu lassen“, heißt es darin.

Beobachter in Europa befürchten allerdings, dass die Teilhabe, welche Peking meint, vor allem darin bestehen soll, den europäischen Markt mit eigenen Produkten zu erobern. Die aus europäischer Sicht größte Gefahr besteht dabei in der Tatsache, dass China unter den Bedingungen einer zentral regulierten Kommandowirtschaft zu Mitteln greift, die für demokratische Länder nicht in Frage kommen.

Der aktuelle Bericht der EU-Kommission über Wettbewerbsverzerrungen durch China stellt fest, dass das Land ein umfassendes Kontrollsystem eingerichtet hat, um die Geschäftsstrategien der Unternehmen zu lenken. Das erlaube es der Volksrepublik, gezielt Überkapazitäten aufzubauen, die einerseits die heimischen Produktionsstätten auslasten, andererseits aber dazu genutzt werden, um Druck auf den Weltmarkt aufzubauen. 

So werden in China zum Beispiel viermal so viele Batterien hergestellt, wie der eigene Markt benötigt. Auch E-Auto-Exporte werden staatlicherseits massiv gepusht: Lag der chinesische Anteil an weltweiten E-Auto-Exporten vor vier Jahren nur bei neun Prozent, so beträgt er inzwischen bereits mehr als sechzig Prozent. 

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